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Damit das Geld im Alter reicht. Das ist die Idee der Grundrente, doch Union und SPD sind sich nicht einig, wie die aussehen soll.

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Die Grundrente als Beweis für Handlungsfähigkeit: Eine Million Rentner könnten von Aufstockung profitieren

Der Koalitionsausschuss entscheidet am Montag. Scheitert die Grundrente, könnte die große Koalition tatsächlich Geschichte sein.

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Nach Jahren mit vielen Versprechungen und zuletzt monatelangen Verhandlungen gilt die Grundrente mittlerweile als eine Probe darauf, ob die Politik überhaupt noch handlungsfähig ist. Seit sich Union und SPD auf das Klimapaket geeinigt haben, ist die Frage nach einem Konzept für den Schutz von Rentnern vor Armut zu einem Lackmustest geworden. Der zeigt, ob die große Koalition noch über Gestaltungskraft verfügt und die Weiterführung des Bündnisses bis 2021 lohnt.

Noch im November will die Regierung selbst ihre Leistungen bilanzieren, anschließend entscheiden die Parteien. Vor allem bei den Sozialdemokraten, von denen viele die große Koalition beenden wollen, würde ein Scheitern der Verhandlungen die No-Groko-Fraktion stärken.

Doch nun macht sich in der Koalition vorsichtiger Optimismus breit, dass am Montag der Durchbruch gelingen könnte. Monatelang hatten sich Union und SPD über das Prestigeprojekt der Sozialdemokraten gestritten. Arbeitsminister Hubertus Heil mahnte immer wieder, er wolle eine „Grundrente, die den Namen auch verdient“. Der SPD-Mann argumentierte, der Respekt vor der Lebensleistung gebiete es, jedem einen Rentenzuschlag zu gewähren, der mindestens 35 Jahre lang gearbeitet oder Kinder erzogen habe und trotzdem im Alter nur auf eine geringe Rente käme.

Die Union wiederum beharrte bis zuletzt darauf, die Grundrente nur dann zu zahlen, wenn jemand bedürftig sei. CDU und CSU konnten sich dabei auf den Koalitionsvertrag berufen, in dem eine Bedürftigkeitsprüfung ausdrücklich vorgesehen war. Ansonsten werde das Geld „mit der Gießkanne“ ausgegeben, lautete der zentrale Einwand. Auch die Zahnarztgattin, die in der Praxis ihres Mannes ausgeholfen habe, bekomme einen staatlichen Zuschlag auf die Rente, obwohl sie es finanziell nicht nötig habe. Was die Sozialdemokraten umgekehrt sofort mit dem Argument beantworteten, eine Bedürftigkeitsprüfung sei dem Rentensystem fremd, Mütterrente würden schließlich auch wohlhabende Mütter beziehen.

Elf Stunden dauerten die Beratungen

Um den Dauerstreit irgendwann beilegen zu können, hatten sich im September schließlich Arbeitsminister Heil und Kanzleramtschef Helge Braun auf Kompromisssuche begeben – mit dem Ziel, noch vor der Landtagswahl in Thüringen eine Einigung hinzubekommen. Eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe der Koalition, in der unter anderem Vizekanzler Olaf Scholz, Gesundheitsminister Jens Spahn und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vertreten sind, sollte einen Kompromiss mehrheitsfähig machen. Doch mehrmals ging die Arbeitsgruppe in den vergangenen Wochen ohne Ergebnis auseinander.

Elf Stunden Beratungen am Donnerstag bis in den späten Abend hinein brachten nun wieder eine Annäherung. Die Arbeitsgruppe habe „wichtige Vorarbeiten“ geleistet, heißt es in Teilnehmerkreisen. Es seien verschiedene Varianten gerechnet und diskutiert worden. Am Ende werde der Koalitionsausschuss am Montagabend entscheiden.

Anstelle einer Bedürftigkeitsprüfung, bei der Vermögen und Einkommen offengelegt werden, soll es demnach nur noch eine Einkommensprüfung geben. Wie hoch die Einkommensgrenze ausfallen soll, bis zu der eine Grundrente gezahlt wird, ist allerdings noch offen. In früheren Berechnungen war von einem zu versteuernden Einkommen von 1100 bis 1200 Euro im Monat die Rede gewesen.

In Koalitionskreisen hieß es, die Union wolle die Ausgaben auf maximal zwei Milliarden Euro begrenzen. Laut Schätzungen dürften dann immer noch mehr als eine Millionen Menschen von der Rentenaufstockung profitieren. Eine Größenordnung, bei der Arbeitsminister Heil vermutlich darauf verweisen könnte, dass die Grundrente „ihren Namen verdient“.

Dass sich am Montag überhaupt wieder eine Koalitionsrunde mit dem Thema befassen muss, hat auch damit zu tun, dass die Unionsvertreter in der Kommission keine einheitliche Linie finden. Fraktionschef Ralf Brinkhaus sträubt sich gegen Lösungen, die neue Ungerechtigkeiten etwa zwischen Halb- und Vollzeit-Beschäftigten entstehen lassen. Die komplett zu vermeiden, würde allerdings nach Einschätzung anderer Beteiligter zu kaum lösbaren Problemen an anderer Stelle führen.

Doch Brinkhaus steht auch politisch unter Druck. In seiner Fraktion ist inzwischen eine "Jetzt reichts aber mal"-Stimmung gegen den Koalitionspartner SPD unüberseh- und -hörbar. Viele Abgeordnete haben das Gefühl, dass sie dauernd nachgeben sollen, nur um erst Andrea Nahles und jetzt Olaf Scholz gegen die eigene Groko-Kritiker aus der eigenen Partei zu stützen.

Nahles half es nichts, beim Vizekanzler stehen die Wetten im SPD-Vorsitzendenrennen auch nicht einmütig auf Sieg. "Das bringt die SPD doch alles nicht um einen Punkt in den Umfragen voran", klagte zudem neulich ein Mitglied der Unionsfraktionsführung. Andererseits - wer sich auf Verhandlungen einlässt und damit obendrein eine derart hochrangig besetzte Arbeitsgruppe betraut, ist zum Erfolg praktisch verdammt.

In der SPD scheinen manche geradezu auf ein Scheitern zu hoffen. Denn die Gegner der großen Koalition sehen sich jedes Mal bestätigt, wenn die Union SPD-Forderungen ablehnt. Auf den Parteitag, der Anfang Dezember über den Fortbestand des Regierungsbündnisses entscheidet, würde eine Blockade des Prestigeprojektes jedenfalls mächtig Eindruck machen.

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