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Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, spricht beim Tag der deutschen Industrie des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Groko und ihr ganz eigener Wahlkampfmodus: Während Scholz gegen Altmaier wütet, lobt Dobrindt die SPD

Auf dem Tag der Industrie in Berlin übt Olaf Scholz Kritik am Wirtschaftsminister. Versöhnliche Worte gerichtet an die SPD kommen von Alexander Dobrindt.

Im September ist Bundestagswahl. Das wird dieser Tage immer spürbarer. Auch in der Großen Koalition aus SPD, CDU und CSU schalten die Spitzen in ihren ganz eigenen Wahlkampfmodus. Während der eine – Olaf Scholz – gegen den anderen – Peter Altmaier – poltert, ist ein wieder anderer – Alexander Dobrindt – voll des Lobes für den Regierungspartner SPD.

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Es der Tag der Industrie in Berlin, bei dem SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz zu einer Wutrede ansetzt. „Stromlüge“ ruft er seinem Ministerkollegen Peter Altmaier (CDU) an jenem Dienstag entgegen. Die Attacke vom Finanzminister gegen den Wirtschaftsminister mit Blick auf die Energiewende geht weiter. Scholz sagte, dass das Wirtschaftsministerium bis heute davon ausgehe, dass der Stromverbrauch bis 2030 konstant bleibe. Der Strombedarf werde aber massiv steigern, so der SPD-Mann mit Blick etwa auf mehr Elektroautos, Wärmepumpen und industrielle Prozesse. Diese „Stromlüge“ habe Folgen. Die Planungen stimmten weder für den Ausbau der Stromerzeugung noch für die Stromtrassen.

Nüchtern nimmt man das Muskelspiel des Finanzministers hin. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte: „Die Aussagen erstaunen.“ Sie verwies darauf, dass Altmaier vor Kurzem angekündigt habe, neue Berechnungen zum Strombedarf vorzulegen. Die bisherigen Berechnungen seien im Übrigen Berechnungen gewesen, die das Umweltministerium und das Wirtschaftsministerium im Kontext des Klimaschutzprogramms 2030 erstellt hätten und die nun im Kontext neuer Klimaziele auch neu berechnet würden.

Scholz wiederum sagte, Deutschland brauche bis 2030 ungefähr 100 Terawattstunden Strom zusätzlich. „Um das zu übersetzen: Unser Strombedarf bis 2030 steigt Jahr für Jahr jeweils um den gesamten jährlichen Stromverbrauch einer Millionenstadt wie Hamburg.“

Scholz: Ausbau der Stromnetze dauere viel zu lange

Der Ausbau der Stromnetze dauere seiner Meinung nach viel zu lange. Mit Blick auf die geplanten höheren Klimaziele fügte Scholz noch hinzu: „Das alles kann nicht funktionieren, wenn es bei diesem Tempo bleibt.“ Ein klarer Schuss in Richtung Altmaier-Ministerium. Planungen und Genehmigungen müssten laut Scholz beschleunigt werde. Dazu gehörten Erleichterungen im Baurecht, im Immissionsschutzrecht und im Raumordnungsrecht. „Dabei werden wir auch den andauernden Konflikt zwischen Energiewende und Artenschutz lösen.“

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Das bedeute Debatten über Zielkonflikte. „Aber diese Zielkonflikte werden wir dann auch lösen und entscheiden. Wir können nicht immer so tun, als wären alle Interessen immer miteinander vereinbar, wenn man nur lange genug redet, wenn man Kommissionen gründet und immer neue Gutachten beauftragt.“ Die Energiewende müsse Vorrang haben. Scholz Ende.

Dobrindt: Neue Koalition mit SPD nach Wahl nicht ausschließen

Während als die einen zu sticheln beginnen, fahren andere in ganz anderen ruhigeren Gewässern. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält eine weitere Regierungszusammenarbeit mit dem aktuellen Koalitionspartner SPD auch nach der Bundestagswahl im September für möglich. Dabei haben sich bereits Teile der SPD strikt gegen eine Fortsetzung der Liaison mit der Union gewandt.

Die Union solle nicht ausschließen, dass sie mit der SPD etwa auch in einer anderen Koalition regieren könne, sagte er am Dienstag vor der letzten regulären Fraktionssitzung der Abgeordneten von CDU und CSU vor der parlamentarischen Sommerpause. Dazu sei aufseiten der SPD aber „eine Lernkurve“ Voraussetzung, so Dobrindt in Richtung jener SPDler, die sich bereits öffentlich gegen eine erneute Zusammenarbeit ausgesprochen haben.

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Die Union habe mit der SPD in der laufenden Koalition viel gemeinsames Verständnis erarbeitet, sagte Dobrindt. Wahrscheinlich unwissend, dass auf dem Tag der Industrie der Spitzenkandidat der SPD von einer „Stromlüge“ spricht.

CSU-Landesgruppenchef zeigt klare Koalitions-Kante

Und der CSU-Mann weiter: Deswegen müsse es nicht automatisch zu anderen Partnern kommen - die SPD könne jedenfalls auch ein Teil einer künftigen Regierungspartnerschaft bleiben. Ihn und FDP-Fraktionschef Christian Lindner eine „dass wir beide (Grünen-Chefin) Annalena Baerbock nicht zur Kanzlerin wählen würden“, sagte Dobrindt und zeigt klare Koalitions-Kante. Dies schließe aber nicht aus, dass die FDP trotzdem für eine Ampel zur Verfügung stehen würde. Daher sei bei diesem Thema eine Grundskepsis und Vorsicht angebracht.

Rechnerisch dürfe es gegen die Union keine mögliche Koalition geben, betonte Dobrindt. Dazu reichten die derzeitigen Umfragewerte für CDU/CSU von 28,5 Prozent noch nicht aus. Nun müsse der Weg über die 30-Prozent-Marke weiter fortgesetzt werden. Dazu gehöre, dass man die Einigkeit zwischen CDU und CSU, die bei dem Beschluss über das gemeinsame Wahlprogramm deutlich geworden sei, weiterhin lebe.

Das 139 Seiten starke Wahlprogramm der Union trägt den Titel „Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland“. CDU und CSU schließen darin trotz der massiven Staatsverschuldung infolge der Coronakrise Steuererhöhungen aus. Sie wollen den Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen, kleine und mittlere Einkommen steuerlich entlasten, ebenso Familien mit Kindern. Angekündigt wird auch eine Senkung der Unternehmenssteuern. (Tsp, dpa)

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