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US-Botschafter Richard Grenell (M.) in der Clausewitz-Kaserne mit Soldaten der US-Armee (Archiv)

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert/zb

„Die Feldherrenpose nutzt sich ab“: Scharfe SPD-Kritik an Grenell nach Drohung mit Truppenabzug

Der US-Botschafter in Berlin attackiert Deutschland erneut wegen seiner Verteidigungsausgaben. Die Koalitionsparteien sind in der Frage gespalten.

Kurz vor den geplanten Europa-Reisen von US-Präsident Donald Trump verschärfen die USA ihre Drohungen mit einem Teilabzug ihrer Truppen aus Deutschland. „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden“, sagte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, der Deutschen Presse-Agentur.

Zuvor hatte die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher, getwittert: „Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.“ Trump hatte eine Truppenverlegung von Deutschland nach Polen bereits im Juni bei einem Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Washington ins Spiel gebracht.

Grenell pflichtete den beiden bei. „Präsident Trump hat Recht und Georgette Mosbacher hat Recht“, sagte er. „Zahlreiche Präsidenten haben die größte Volkswirtschaft Europas gebeten, für ihre eigene Verteidigung zu zahlen. Das ist eine Bitte, die sich über viele Jahre und viele Regierungen hingezogen hat.“ Nun sei man an dem Punkt angelangt, an dem die Amerikaner und der US-Präsident reagieren müssten.

„Feldherrenpose“: Scharfe Reaktion aus der SPD

Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider wies die US-Drohungen mit Truppenabzug mit scharfen Worten zurück. „Diese Äußerungen sind unter Verbündeten völlig unangemessen“, sagte Schneider dem „Spiegel“. Deutschland lasse sich nicht erpressen. „Die Feldherrenpose nutzt sich ab.“

Bei der CDU stieß Grenell dagegen auf Verständnis. "Die Kritik der USA, namentlich des amerikanischen Botschafters in Deutschland, Richard Grenell, an den zu geringen Verteidigungsausgaben in Deutschland ist völlig gerechtfertigt", sagte Unions-Fraktionsvorstandsmitglied Axel Fischer (CDU) der "Augsburger Allgemeinen".

Der Außenexperte der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "In den USA irritiert die deutsche Debatte um die Erfüllung unserer Nato-Verpflichtungen, denn die mittelfristige Finanzplanung des Verteidigungshaushaltes weist derzeit in die falsche Richtung." Es sei in den USA "schwer zu erklären", warum Deutschland bei den Verteidigungsausgaben "hinter den berechtigten Erwartungen zurückbleibt".

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch äußerte sich positiv zu dem in Aussicht gestellten Truppenabzug. "Die Bundesregierung sollte dieses Angebot unbedingt annehmen und mit den USA einen Plan für den Truppenabzug besprechen", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Deutschland ist das Land, in dem die meisten US-Truppen in Europa stationiert sind. Und nach Japan ist es der zweitgrößte Auslandsstandort der US-Streitkräfte überhaupt. Die Kommandozentralen für die US-Truppen in Europa und Afrika sind in Stuttgart, der wichtigste Luftwaffenstützpunkt der USA im rheinland-pfälzischen Ramstein und einer der größten Truppenübungsplätze Europas im bayerischen Grafenwöhr.

Viel wichtiger wäre, dass die Politik endlich aufwacht und über eine EU-Verteidigung nachdenkt. Macron hat den Ball vor langer Zeit ins Spiel gebracht, es wird höchste Zeit, dass Deutschland ihn aufnimmt.

schreibt NutzerIn gophi

Insgesamt sind 35.000 US-Soldaten in Deutschland. Hinzu kommen 17.000 amerikanische und 12.000 deutsche Zivilisten, die von den US-Truppen beschäftigt werden. Zehntausende weitere Arbeitsplätze hängen von den amerikanischen Streitkräften ab.

Gerüchte über eine Truppenreduzierung aus Verärgerung über die deutschen Militärausgaben gibt es schon länger. Sie wurden aber zunächst dementiert. Grenell kündigte im September sogar noch eine Aufstockung um 1500 Soldaten an.

Inzwischen scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Deutschland liegt bei den Verteidigungsausgaben trotz eines deutlichen Plus mit angestrebten 1,36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr weit unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent. Bis 2024 will die Bundesregierung zwar 1,5 Prozent erreichen. An der mittelfristigen Finanzplanung ist das aber nicht abzulesen. Dort stehen für 2023 1,24 Prozent.

Trump macht Bogen um Deutschland

Aktuell sind die Amerikaner zudem verärgert über das klare Nein Deutschlands zu einer Beteiligung an der US-Militärmission zum Schutz von Handelsschiffen vor iranischen Angriffen im Persischen Golf. Auch die US-Bitte um Bodentruppen für den Anti-IS-Kampf in Syrien wurde prompt abgeschlagen. Ob die „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr in Jordanien stationiert bleiben, ist unklar, weil sich die SPD dagegen wehrt.

Bezeichnend für das angeschlagene Verhältnis zwischen den USA und Deutschland sind Trumps Europa-Reisepläne Ende August und Anfang September. Der US-Präsident reist am 24. August zunächst zum G7-Gipfel in den französischen Badeort Biarritz, wo er auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen wird.

Kurz darauf macht Trump wieder einmal einen Bogen um Deutschland: Vom 31. August bis zum 3. September besucht er mit Dänemark und Polen zwei Länder, die in zentralen Streitfragen mit Deutschland auf der Seite der USA stehen. Das gilt vor allem für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland.

In Polen dürfte zudem die von der dortigen Regierung sehnlichst erwartete Stationierung von US-Truppen konkretisiert werden. Gut möglich, dass es dann auch schon eine Ansage gibt, von wo die Truppen dorthin verschoben werden. (dpa)

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