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Auf der Flucht. Eine Familie bringt sich vor den Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen in der Nähe von Goma in Sicherheit. Foto: Alain Wandimoyi/dpa

© dpa

Politik: Die ewige Wiederkehr des Krieges

Im Ostkongo hat die Rebellengruppe M23 die Provinzhauptstadt Goma erobert – die Zentralregierung in Kinshasa regiert nur auf dem Papier.

Keine andere Region in Afrika ist so konfliktreich und politisch verworren wie der Ostkongo. Zu zahlreich sind hier die verfeindeten Milizen, zu grausam die Verbrechen, die hier im Dunkel des Regenwaldes begangen werden. Zehntausende wurden hier in den vergangenen Jahren getötet, mehr als hunderttausend Frauen vergewaltigt. Seit dem Ausbruch des ersten Kongokrieges 1998 sollen bis zu fünf Millionen Menschen an seinen Folgen gestorben sein – und mit jedem Jahr werden es mehr, denn eine Lösung ist nicht in Sicht.

Die Eroberung von Goma, der mit 400 000 Einwohnern größten Stadt in der Region, durch eine Rebellengruppe namens M23 ist nur eine weitere Episode in dieser ewigen Wiederkehr des Krieges. Der jüngste Konflikt hat seinen Ursprung im April dieses Jahres. Damals desertierte der kongolesische General Bosco Ntaganda mit vielen seiner Soldaten aus der kongolesischen Armee und bildete seine eigene Rebellengruppe. In gewisser Weise kehrte der auch als „Terminator“ bekannte Ntaganda damit zu seinen Wurzeln zurück: Bis Anfang 2009 hatte er bereits aufseiten einer eng mit dem kongolesischen Nachbarland Ruanda verbundenen Rebellengruppe gegen die kongolesische Zentralregierung in Kinshasa gekämpft. Am 23. März 2009 hatte Ntaganda sich jedoch plötzlich von seinen ruandischen Waffenbrüdern abgewendet und seinen eigenen Frieden mit dem kongolesischen Regime um Staatschef Joseph Kabila geschlossen. Dieses ernannte ihn zum General und gab ihm viele Freiheiten.

Doch die Dinge wendeten sich bald: Unzufrieden mit der Behandlung durch Kabila zog sich Ntaganda vor einem halben Jahr aus der Armee zurück und begann in der Region einen neuen Raubzug, zu einem Zeitpunkt als Kabila gerade öffentlich die Verhaftung und Überstellung Ntagandas an den Internationalen Strafgerichtshof in den Haag erwog. Was die Gründe für den Bruch zwischen beiden waren, ist bis heute umstritten: Einige Beobachter glauben, dass es Ntaganda und seinen Soldaten um die Ausbeutung von Koltan- und Goldvorkommen in der Region geht, also um eine persönliche Bereicherung. Bei Koltan handelt es sich um ein weltweit besonders begehrtes Erz, das für die Herstellung von Handys und Spielkonsolen benutzt wird und im Kongo besonders leicht gewonnen wird. Auch Ruanda soll nach Angaben der Vereinten Nationen in diesen Handel involviert sein und die Rebellen bei der Ausbeutung und dem Schmuggel des Rohstoffs unterstützen, was seine Regierung vehement abstreitet.

Durch Allianzen mit anderen bewaffneten Gruppen in der Region sind die Rebellen der M23 inzwischen derart erstarkt, dass nicht einmal die in der Region stationierte UN-Friedenstruppe mit ihren 17 000 Soldaten in der Lage war, den Vormarsch der Rebellen und die Einnahme der Provinzhauptstadt Goma zu verhindern. Ein Grund für das Erstarken der Rebellen und die Apathie der lokalen Bevölkerung liegt darin, dass die staatliche Autorität der kongolesischen Zentralregierung im Osten des Landes allenfalls auf dem Papier existiert. Seit Jahren verspricht das Kabila-Regime im fast 2000 Kilometer entfernten Kinshasa den Menschen im Osten mehr Mitsprache, ohne dass irgendetwas passiert. Es gibt in der Region weder Entwicklung noch Sicherheit. Entsprechend desillusioniert reagieren die Menschen auf das Vorrücken der Rebellen und auf das korrupte Kabila-Regime, das die Reichtümer der Region lieber an zahlungskräftige ausländische Lizenznehmer verscherbelt, statt die Einnahmen in den Aufbau der Region zu stecken.

Mit der Einnahme Gomas ist die Gefahr eines neuen Kongokrieges gestiegen. Der Mix aus Rohstoff- und Sicherheitsinteressen macht die Region zu einem Pulverfass. Viele Beobachter glauben, dass Ruanda schon wegen seiner Überbevölkerung und der langen Vernachlässigung des Ostkongo alles daran setzen wird, sich dessen Provinzen auf Dauer einzuverleiben. Unter diesen Umständen ist schwer zu sehen, wie es ohne eine territoriale Neuordnung der Region zu einem dauerhaften Frieden kommen könnte.

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