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Serbiens Präsident Aleksandar Vucic pflegt ein enges Verhältnis zu Wladimir Putin, verurteilt aber Moskaus Angriffskrieg.

© AFP

Die EU und der Westbalkan: Krisentreffen in Brüssel

EU vermittelt zwischen Serbien und Kosovo – um Putins Einfluss zu schmälern.

Der Westbalkan kann sich im Moment über mangelnde Aufmerksamkeit nicht beklagen. Die Europäische Union hat seit Beginn des Krieges in der Ukraine ihre diplomatischen Bemühungen verstärkt, die vielen kleinen und großen Krisen in der Region zu schlichten. Für Donnerstag hat nun der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic zu einem Vermittlungsgespräch nach Brüssel gebeten.

Die Einladung der EU war erfolgt, nachdem sich Kosovo auf Bitten Borrells und der USA bereit erklärt hatte, umstrittene Reiseregeln für Serben zunächst auszusetzen. Diese sehen vor, dass an den Grenzübergängen keine serbischen Personaldokumente mehr anerkannt werden. Stattdessen sollten sich Serben dort zunächst ein provisorisches Dokument ausstellen lassen. Die kosovarischen Behörden begründeten ihr Vorgehen mit einem identischen Vorgehen serbischer Behörden beim Grenzübertritt kosovarischer Bürger.

Russland versucht Einfluss auszubauen

Das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo ist äußerst spannungsgeladen, weil sich das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt hatte. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkannten die Unabhängigkeit des Kosovos an. Andere, darunter Serbien, Russland, China und fünf EU-Länder, tun das bis heute nicht. Die EU vermittelt zwischen den beiden Staaten, doch der Dialog stockt seit zehn Jahren, und damit auch die Annäherung an die EU.

In einer Art Kräftemessen versucht gleichzeitig Russland seinen Einfluss in der Region auszudehnen und die Annäherung der Staaten an die EU zu hintertreiben. Nach dem Überfall auf die Ukraine hat der Kreml diese Aktivitäten verstärkt.

Serbiens Präsident pflegt enges Verhältnis zu Putin

Ein Dorn im Auge der Europäischen Union ist vor allem das enge Verhältnis des serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic zum seinem russischen Kollegen Wladimir Putin. Der starke Mann in Belgrad vollführt seit Jahren eine Art Schaukelpolitik zwischen Westen und Osten. So verurteilte er den russischen Überfall auf die Ukraine, schloss sich bisher aber nicht den Sanktionen gegen Moskau an

Dem acht Millionen Einwohner zählenden Balkanstaat kommt nicht nur wegen seines großen wirtschaftlichen Einflusses in der Region eine zentrale Rolle zu. Aleksandar Vucic hat auch erheblichen Einfluss im bosnischen Gliedstaat Republika Srpska, wo Russland unverhohlen die sezessionistischen Tendenzen des dortigen Serben-Führers Milorad Dodik befördert – eine Krise mit erheblicher Sprengkraft. Der serbische Präsident Vucic selbst lässt zumindest nach außen keine Unterstützung für Dodiks spalterischen Spielchen erkennen – wohl auch deshalb, weil er weiß, dass er damit sein eigenes Standing in Europa deutlich schwächen würde.

Macrons Ansage war ungeschickt

Die EU hat aber häufig selbst zu neuen Spannungen auf dem Balkan beigetragen. Nun wurden im Juli zwar die Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien aufgenommen, doch auf dem Weg dorthin hat sich Brüssel nicht mit Ruhm bekleckert. Für Empörung in der Region sorgte im Oktober 2021 das für alle überraschende Veto des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich damals gegen die Annäherung der beiden Balkanstaaten an die EU aussprach.

Auch Aleksandar Vucic sah dies als Beleg, dass Brüssel nicht mit offenen Karten spiele, zumal die EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem eigenen Land seit vielen Jahren auf der Stelle treten. Bremsklotz ist immer wieder das Verhältnis Serbiens zu Kosovo. Ein eigenes EU-Verhandlungskapitel widmet sich deshalb der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten, doch Lösungen sind im Moment in sehr weiter Ferne. Knut Krohn

Knut Krohn

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