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Politik: Die Entscheidung der Nato für Robertson und gegen Scharping bildet den realen Status quo des Verteidigungsbündnisses ab (Meinung)

Erinnert sich noch jemand an die Schlagworte, die im Zusammenhang mit der Phantom-Debatte um die "Berliner Republik" die Runde machten? Die Freunde der "Berliner Republik" pochten auf das deutsche "Interesse", das auch im Umgang mit dem Ausland gewahrt werden müsse.

Erinnert sich noch jemand an die Schlagworte, die im Zusammenhang mit der Phantom-Debatte um die "Berliner Republik" die Runde machten? Die Freunde der "Berliner Republik" pochten auf das deutsche "Interesse", das auch im Umgang mit dem Ausland gewahrt werden müsse. Eigentlich hätte eine deutsche Besetzung auf dem Posten des Nato-Generalsekretärs für sie einer Art Erfüllung gleichkommen müssen. Nur ist es nun ganz anders gekommen - Nato-Generalsekretär wird ein Brite, und Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich aus falsch verstandenem Interesse heraus um eine wichtige internationale Einflussmöglichkeit gebracht.

Um die fiktive "Berliner Republik" ist es - unter dem Eindruck des realen Umzugs - still geworden. Und was das "deutsche Interesse" anbelangt, so gehört diese umstrittene Vokabel auch nicht zum gängigen Sprachschatz von Schröders Regierung. Nur Kulturminister Michael Naumann nimmt das Wort gelegentlich in den Mund, um die deutsche Position im läppischen Sprachenstreit mit der finnischen EU-Ratspräsidentschaft zu beschreiben. Wenn allerdings wirklich etwas auf dem Spiel steht, dann agiert die rot-grüne Regierung in der Außenpolitik merkwürdig zurückhaltend. Die Berufung des britischen Verteidigungsministers George Robertson zum neuen Nato-Generalsekretär hat das deutlich gemacht. Robertsons Nominierung ruft noch einmal die Bonner Diskussion um die Besetzung dieses Postens in Erinnerung, und das Ergebnis kann höchstens aus der Perspektive deutscher Nabelschau befriedigen.

Dass nun der Brite Robertson Nato-Generalsekretär wird und nicht sein deutscher Amtskollege Rudolf Scharping, wirft nicht nur ein Licht auf das Machtgefüge innerhalb der deutschen Regierung und auf einen um seine Macht besorgten Kanzler. Die Entscheidung der Nato für Robertson bildet auch ziemlich genau den realen Status quo des Verteidigungsbündnisses ab - jenseits aller europäischen Emanzipationswünsche. Traditionell besetzt im Bündnis ein Europäer den Posten des Generalsekretärs, von dem vielerlei erwartet wird: Er muss "Atlantiker" sein und folglich Verständnis für die amerikanische Politik mitbringen. Er muss auch wissen, wie die "Kontinentaleuropäer" ticken, und ganz nebenbei den Griechen und Türken, den schwierigen Partnern an der Südostflanke des Bündnisses, gefallen. Die meisten dieser Bedingungen scheint Robertson zu erfüllen - insbesondere mit der deutschen Politik hat er sich schon zu Beginn seiner politischen Karriere vertraut gemacht. Von Verteidigungsminister Scharping hätte sich Washington auch ähnliche Qualitäten erwartet - vor allem aber die Anerkenntnis der amerikanischen Führungsrolle im Bündnis.

Schließlich spiegelt die bewährte Arbeitsteilung im Bündnis - die USA stellen den militärischen Oberbefehlshaber in Europa, die Europäer den Sprecher im Rang des Generalsekretärs - die Machtverhältnisse in der Nato wider. An der Tatsache, dass die Europäer nach wie vor nicht in der Lage sind, die Krisenherde auf ihrem Kontinent aus eigener Kraft zu beruhigen, hat auch der Krieg in Jugoslawien nichts geändert. Auch wenn der Krieg dank der Vermittlung des Finnen Ahtisaari zu Ende ging und sich gerade Deutschland einiger Friedensbemühungen rühmen konnte - es sind keineswegs die Europäer allein, die nun das nach dem Abzug der serbischen Truppen im Kosovo entstandene Machtvakuum füllen.

Trotz aller Blütenträume einer europäischen Verteidigungsidentität - die beständig sinkenden Verteidigungsbudgets der europäischen Nato-Partner sprechen eine andere Sprache. Deutschland macht da keine Ausnahme - im Gegenteil. Der deutsche Verteidigungsetat macht gerade noch rund 1,3 Prozent des Bruttosozialproduktes aus. Wie kann Deutschland künftig überhaupt noch den Erfordernissen der europäischen Sicherheit gerecht werden - von den jüngst neu definierten Aufgaben einer weltweit operierenden Nato ganz zu schweigen? Die Nominierung Rudolf Scharpings für den Posten des Nato-Generalsekretärs hätte zumindest eine personelle Antwort auf diese Frage sein können. Aber Kanzler Schröder hat darauf verzichtet, sie zu geben.

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