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Schwere Entscheidungen im Kanzleramt: Michael Mueller, Angela Merkel und Markus Söder.

© DAVIDS/Sven Darmer

Die dritte Welle droht: Warum der Lockdown verlängert werden muss

Die Coronalage ist zu unsicher für große Lockerungen. Aber es braucht mehr klare Kommunikation und Fehleranalysen. Auch der Kanzlerin. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Der Lockdown soll wie folgt gelockert werden: Unternehmen ohne Kundenkontakt dürfen wieder öffnen; und die Bürger dürfen sich mehr als einen Kilometer von ihren Häusern entfernen. Das Verbot, bei anderen zu Hause zu sein, wird aufgehoben. Auch Ausflüge in die Natur werden wieder erlaubt, Friseure und Schönheitssalons dürfen unter strengen Auflagen öffnen, Restaurants dürfen einen Abholservice anbieten. Aber: Die Schulen bleiben geschlossen, internationale Flüge abgesagt.

Wohlgemerkt, das sind die neuen, vorsichtigen Lockerungen in Israel nach dem dritten Lockdown. Obwohl schon 22 Prozent der Israelis die zweite Biontech/Pfizer-Impfung bekommen haben. Aber die Infektionszahlen und die der Intensivpatienten sind weiter hoch. In Großbritannien sind zwar ebenfalls immer mehr Ältere durch Corona-Impfungen geschützt.

Die dritte, von Mutationen wie der Virusvariante B117 befeuerte Welle trifft dort nun besonders die Baby Boomer Generation, die meisten um die 60, noch nicht geimpft, aber die Varianten scheinen erhebliche Langzeitschäden anzurichten.

Beide Beispiele zeigen: Bei allem Ärger in Deutschland über die Impfprobleme - auch wenn plötzlich ein Miraculix auftauchen sollte, der den ganz großen Kessel mit Impfstoff anrührt, das Leben mit dem Virus lässt sich nicht rasch wegzaubern – und Lockdownmaßnahmen auch nicht. Der Fall Österreich zeigt, dass ein hektisches Auf und Zu der Wirtschaft weit mehr schadet, als vorsichtige Schritte.

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So hart es für uns alle ist: Jetzt groß zu lockern, würde in einer dritten Welle und sicherlich in noch höheren Todeszahlen enden.

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Denn gerade die britische Virusvariante wird schon in vielleicht zwei Wochen die dominante auch in Deutschland sein. Aktuell gehen sechs Prozent der Neuinfektionen auf sie zurück. Daher lieber die Zahlen auf deutlich unter 50 Neuninfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen drücken.

Leere Tische und Stühle stehen vor geschlossenen Lokalen auf der Münzgasse in Dresden.
Leere Tische und Stühle stehen vor geschlossenen Lokalen auf der Münzgasse in Dresden.

© dpa/Sebastian Kahnert

Klar, auch wenn einige Oberbürgermeister und Landräte sicher sind, dass Gesundheitsämter auch oberhalb der 50er-Inzidenz alle Kontakte nachverfolgen können, es sollte nicht der Fehler von Mitte Oktober wiederholt werden, als man zu lange die Dinge laufen ließ, von 50 ist man auch Ruckzuck wieder bei 100 – und im Hintergrund grassieren die Mutationen.

[Mehr zum Thema: High Noon im Kanzleramt – diese Woche könnte sich entscheiden, was von Merkel bleibt (T+)]

Daher sollte am Mittwoch der Lockdown weitgehend um zwei Wochen bis zunächst Ende Februar verlängert werden, nicht aber erneut gleich um vier Wochen. Kitas und Grundschulen sollten ab Mitte Februar unter Auflagen öffnen, dazu gehört der Einsatz von Schnelltests.

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Nicht alte Fehler wiederholen

Es scheint, wie schon bei Alten- und Pflegeheimen und bei der Versorgung mit FFP2-Masken, auch hier vielerorts die Zeit viel zu wenig für eine umfassende Schnelltest-Organisation genutzt worden zu sein. Zu überlegen ist auch, ob Lehrer und Erzieher bei den Impfungen vorgezogen und mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werden könnten.

Bei weiterführenden Schulen braucht es sehr behutsame Schritte, vor allem Wechselunterricht-Modelle. Parallel ist ein Stufenplan vorlegen, der auch Handel, Hotellerie, Gastronomie und der Kulturszene Leitplanken gibt, unter welchen Bedingungen ab wann Öffnungen möglich sind, bis April wird vieles noch sehr eingeschränkt bleiben.

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Das Wichtigste wäre ein Signal der Einheit. Keine stundenlangen Streitereien, eine ehrliche, empathische Erklärung, warum es nicht anders geht. Und bitte keine Phrasen mehr vom Licht am Ende des noch einmal etwas längeren Tunnels.  Krisen werden meist schlimmer durch falsche Kommunikation und fehlende Offenheit. So wie das „Wir schaffen das“, wird die Kanzlerin ihr stures Beharren auf der Aussage, „dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen ist“ noch verfolgen.

Warum gesteht Merkel keine Fehler ein?

Die Bürger sind am Limit, die Stimmung kippt, Millionen Kinder ohne gutes Homeschooling drohen den Anschluss zu verlieren. In dieser Phase einzuräumen, dass gerade beim Thema Impfen nicht alles gut gelaufen ist, würde Angela Merkel keinen Zacken aus der Krone brechen, es wäre menschlich und könnte positiv ankommen. Bei der Regierungserklärung am Donnerstag gibt es dazu im Bundestag die nächste Chance.  

Schnelltests für Schulen und Kitas sind eine große Hoffnung für mehr Lockerung
Schnelltests für Schulen und Kitas sind eine große Hoffnung für mehr Lockerung

© Getty Images/iStockphoto, Montage: Tagesspiegel

Es ist honorig, wenn jemand wie Winfried Kretschmann offen Fehler benennt, von der Ausgestaltung des Lockdowns über die Versäumnisse, dass Europa sich parallel zur Impfstoffentwicklung nicht genug um den Aufbau einer Massenproduktion gekümmert habe bis zum Thema Datenschutz.

Der Vorschlag von ihm und FDP-Chef Christian Lindner, wenn das Gröbste überstanden ist, eine Fehleranalyse durch eine Bundestags-Kommission vornehmen zu lassen, sollte umgesetzt werden. Und es stimmt, dass Länder wie Südkorea mit einer Aufweichung des Datenschutzes in Pandemiezeiten längst nicht so stark in die Lebensverhältnisse der Bürger eingreifen mussten. Auch darüber wird noch zu reden sein.

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