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Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesvorsitzende der CDU, und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© Michael Kappeler/dpa

Die CDU – zwei Frauen, eine Krise: Merkel taucht ab, Kramp-Karrenbauer rutscht von Tief zu Tief

Nach dem Wahldebakel in Thüringen: Die CDU pendelt zwischen Ratlosigkeit und Angststarre. Sie weiß nicht, was und wen sie will. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

Politik ohne Ziel ist wie ein Hamster im Rad. Politik ohne Leidenschaft ist wie Sport ohne Schweiß. Politik ohne Streit ist wie das Kopfnicken in einer Kameradschaftsehe. Jeder dieser drei Sätze ruft derzeit eine Assoziation wach – an die CDU. Die Führung der Partei versucht zwar krampfhaft, das interne Brodeln unter Kontrolle zu halten, doch die Malaise ist offenkundig.

Angela Merkel, die Kanzlerin, ist entweder abgetaucht oder entschwebt. Mal sieht man sie in Brüssel, mal nimmt sie eine Auszeichnung entgegen oder hält ein Grußwort. Aber wenn Verteidigungsministerin und Außenminister sich auf offener Bühne über die Frage einer Schutzzone in Nordsyrien befehden, passiert nichts, gar nichts. Aus der Richtlinienkompetenz wird immer öfter eine Richtlinieninkompetenz.

Die Eignungswerte von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum, die die Verluste bei den Landtagswahlen in Sachsen (minus 7,3 Prozent), Brandenburg (minus 7,4) und Thüringen (minus 11,7) mitzuverantworten hat, rutschen von einem Tief ins nächste. Ihre Kritiker bemängeln diplomatisch zwar oft nur das „Erscheinungsbild“ der Partei, aber jeder weiß, wer gemeint ist.

Eklatant wurde die Führungsschwäche nach der Wahl in Thüringen. Der Parteitagsbeschluss, niemals mit den Linken zu kooperieren, wurde von Kramp-Karrenbauer energisch verteidigt und als Ausweis des Worthaltens und konservativer Identität gepriesen. Das Publikum aber traut solchen Phrasen nicht mehr.

Nach dem Ausstieg aus der Atomkraft, dem Ende der Wehrpflicht, der Ehe für alle und dem Aussetzen der Dublin-Regeln – die Reihe ließe sich verlängern – sind Worte schon zu oft gebrochen, Identitätsinhalte schon zu oft flexibel interpretiert worden, als dass die Beschwörung eherner Grundsätze noch verfangen könnte.

Was will die CDU noch mit der Macht?

Als die Gespräche über ein Jamaika-Bündnis platzten, hatte sich die CDU mit Appellen an die „staatspolitische Verantwortung“, adressiert an FDP und SPD, überschlagen. Jetzt, da es um die Verantwortung für eine stabile Regierung in Erfurt geht, stiehlt sich die Partei unter Verweis auf Prinzipien aus der Affäre.

Was will die CDU noch mit der Macht? Bald ist Halbzeitbilanz der Großen Koalition, dann wird es buchhalterisch heißen: gar nicht so schlecht, einiges erreicht, um manches wird gerungen. Den Eindruck indes, über das Land habe sich ein „Nebelteppich der Untätigkeit“ gelegt, wie Friedrich Merz es ausdrückt, werden trockene Bilanzen allein nicht zerstreuen. Dafür bräuchte es jemanden, der für eine Sache brennt, dem etwas am Herzen liegt, der in den Kampf zieht und keine Risiken scheut. Kurzum: Es bräuchte jemanden mit Ideen, Engagement und klarer Sprache. Einen wie Merz? Der muss erst verstehen, dass vor dem Ich das Gemeinwesen kommt.

Die CDU pendelt zwischen Ratlosigkeit und Angststarre. Sie weiß nicht, was sie will, und sie fürchtet parteiinterne Eruptionen. Bloß kein Streit! Es fehlt sowohl an der Bereitschaft als auch an der Fähigkeit, Akzente zu setzen – ob beim Klima oder in der Pflege, beim Digitalen oder im Bereich der Bildung. Alles dümpelt vor sich hin, die Suche nach Prioritäten bleibt ergebnislos. Schlimmer wird’s nimmer? Vor dieser Resthoffnung sei gewarnt. Ein Seitenblick auf die SPD sollte genügen, um zu verstehen, dass sich eine Abwärtsspirale, die nicht frühzeitig gestoppt wird, immer schneller dreht.

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