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Auf sie ist die Union angewiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

© dpa

Die CDU und Europa: Die Abhängigkeit der Union von der Kanzlerin

Vielleicht wäre ein CSU-Kanzlerkandidat für die CDU der beste Ausweg. Aber das wäre eine Demütigung. So muss die Union weiter auf Angela Merkel hoffen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Das wird kein leichtes Halbjahr für die CDU. Nicht etwa, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel schon kurz vor Beginn ihrer EU-Ratspräsidentschaft der Wind entgegenbläst.

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte hat schon vorab klargestellt, dass er sich von Merkel nicht bevormunden lassen wolle. Dies lässt ahnen, wie schwer es werden wird, Europa auf einen einheitlichen Weg zu bringen.

Aber ist das für die CDU überhaupt wichtig? Überspitzt gesagt ist Merkel bei der deutschen Ratspräsidentschaft auf eigene Rechnung unterwegs. Es geht um Europa, um Deutschland, klar, aber auch um ihren Eintrag in die Geschichtsbücher.

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Die CDU wird es schwer haben, davon auf Dauer zu profitieren. Denn Merkel wird weg sein, wenn es darauf ankommt, aus Umfragen Wahlerfolge zu machen. Vorerst wird der CDU einmal mehr vor Augen geführt, wie abhängig sie von Angela Merkel noch immer ist.

Die Kanzlerin wird ab dem 1. Juli vermehrt im Rampenlicht stehen. Da stand sie, zwar spät, aber dann umso entschlossener auch während der ersten Phase der Coronakrise. Sie hat damit die Union sofort wieder ins Umfragehoch geführt.

Zeit der Exekutive

Krisenzeiten sind Zeiten der Exekutiven. Aber nicht jeder, der könnte, nutzt diese Chance. Erst recht nicht in der CDU. Dort waren das bisher Angela Merkel – und Markus Söder von der CSU, was die Sache für die CDU nicht einfacher macht.

Die vier CDU-Kandidaten für den Parteivorsitz haben ihre Chancen bisher nicht genutzt. Jetzt steht ihnen ein halbes Jahr bevor, in dem sie im Schatten der Kanzlerin agieren werden.

Entweder sind sie selbst viel zu sehr mit eigenen Problemen beschäftigt – siehe Armin Laschet, den Ministerpräsidenten von NRW. Oder sie müssen sich taktisch verbiegen – siehe Friedrich Merz.

Einerseits hat der schwarz-grüne Signale gesendet, um als kompatibel für die einzig wahrscheinliche Alternative zur großen Koalition wahrgenommen zu werden, andererseits kann er den Kurs von Merkel, die mehr Solidarität der Deutschen mit den Krisenländern Europas eingefordert hat, nicht ernsthaft mitgehen.

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Aber sich offen gegen die beliebte Kanzlerin stellen? Eine Zwickmühle, in der es um die Authentizität von Merz geht, die sein vielleicht wichtigstes politisches Kapital ist. Und Jens Spahn? Der wird mit einer möglichen zweiten Coronawelle zwar stärker ins Rampenlicht kommen, aber dort muss er sich wieder neu behaupten. Ausgang ungewiss.

Bliebe Norbert Röttgen. Der hätte als Außenpolitiker thematisch das Potenzial sich auf Merkels außenpolitische Bühne zu drängeln. Doch mehr als eine Nebenrolle wird wohl nicht abfallen. Und egal, wer sich in den Favoritenkreis schiebt, er wird eine ganz andere Frage beantworten müssen: Wofür steht diese Partei eigentlich?

Gestaltungswucht

Da ist der europäische Gestaltungswille auf der einen Seite, bei Merkel jetzt neuerdings fast schon eine Gestaltungswucht. Europa soll Teil ihres Vermächtnisses werden – also das große internationale politische Format. Doch da ist auch immer noch eine besondere Form der CDU-Piefigkeit, die sich mit Modernisierung schwertut.

Will die Partei wirklich grüner werden, oder sollen nicht doch die Bauernvertreter wieder mehr zu sagen haben? Will man den Weg der modernen Mobilität weiter gehen oder doch lieber im Herzen Autofahrerpartei bleiben? Wie schwer es ist, eine zeitgemäße Großstadtpartei zu werden, zeigt die CDU in Berlin gerade sehr eindrücklich.

Vielleicht wäre ein CSU-Kanzlerkandidat für die CDU der beste Ausweg. Die besten Chancen hätte Söder Stand heute wahrscheinlich. Nur wäre das für die CDU möglicherweise die größere Demütigung als eine Niederlage gegen einen Sozialdemokraten.

Erst 16 Jahre Merkel, die so anders war als die CDU sich selbst kannte und danach ein Christsozialer. Das könnte die Identitätskrise der Partei weiter verschärfen. Und so müssen sie in der CDU weiter auf Merkel hoffen – und darauf, dass ihre Beliebtheit abfärbt.

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