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Verlierer, der auch Sieger sein will: Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstands-Union.

© Christian Charisius/dpa

Die CDU und der Soli: Ein großer Schritt?

Der CDU-Wirtschaftsflügel hat Friedrich Merz beim Parteitag nicht durchgebracht. Er feiert daher den Beschluss zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags.

Carsten Linnemann gehört zu den Verlierern des historischen CDU-Parteitags von Hamburg. Der Chef der Mittelstandsvereinigung der Partei musste zusehen, wie sein Kandidat Friedrich Merz verlor. Was Linnemann und seine Mitstreiter vom Wirtschaftsflügel besonders schmerzt: Es war so verdammt knapp. Man war so nah am Sieg. Aus der CDU wäre eine andere Partei geworden in den kommenden Jahren. Aber Linnemann ist keiner, der sich schmollend in die Ecke stellt. So flugs und geschmeidig, wie er vor einigen Wochen die Position wechselte, als Merz seine Kandidatur ankündigte – denn zuvor stand er hinter Jens Spahn –, so schnell deutete Linnemann den Parteitag als einen Quasi-Triumph seines Flügels aus. Denn der siegte beim „Soli“.
„Ein großer Schritt hin zu mehr Glaubwürdigkeit in der Politik“ – so plusterte Linnemann die Tatsache auf, dass die Delegierten mit eindeutiger Mehrheit einem Antrag zur vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags bis 2021 zustimmten. „Wir versprechen seit einem Vierteljahrhundert, dass der Soli bald wegfällt, aber vertrösten die Steuerzahler dann doch wieder“, sagte Linnemann. Und brachte mit dem Abstimmungssieg des Wirtschaftsflügels den Zuschlag zur Einkommensteuer auf die Regierungsagenda. Und weil das Ergebnis knapp war und die neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer auf die Mittelstandsvereinigung zugehen muss, wird das Symbolthema dort auch bleiben.

2021 soll Schluss sein, aber nicht vollständig

Die Abschaffung des Solis steht zwar im Koalitionsvertrag, auch das Datum 2021, aber nicht das Wörtchen „vollständig“. Beschlossen wurde mit der SPD nur ein erster Schritt, bei dem kurz vor der nächsten regulären Bundestagswahl 90 Prozent aller Soli-Zahler von dem Zuschlag befreit werden sollen. Das Entlastungsvolumen (und damit der Einnahmeausfall im Bundesetat) wird auf zehn Milliarden Euro beziffert. Das aber ist nur ungefähr die Hälfte der Einnahmen, die in drei Jahren beim Solidaritätszuschlag zu erwarten sind. Zehn Prozent der Zahler stemmen die andere Hälfte auch deshalb allein, weil der Zuschlag auch bei der Körperschaftssteuer für Unternehmen anfällt.
Und aus diesem Grund wird die Mittelstandsvereinigung mit dem Thema in der Koalition nerven. Auch wenn in der Union einige gewichtige Stimmen meinen, man solle da vorsichtig sein. So hat etwa der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg unlängst mit Blick auf die Etatplanung seine Leute davor gewarnt, an der Soli-Vereinbarung mit der SPD herumzumachen. Das Geld würde eben fehlen, und die Groko hat einiges vor an zusätzlichen Ausgaben. Weshalb die Sozialdemokraten gar nicht daran denken, hier auch nur einen Deut nachzugeben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, kritisierte den Beschluss. Die CDU wolle die „absoluten Spitzenverdiener“ entlasten. Das werde mit der SPD nicht passieren. „Wir setzen dieses Geld lieber für Investitionen in den sozialen Zusammenhalt ein.“

Ein Thema bei der Bestandsaufnahme?

Allerdings ist 2021 nicht das einzige relevante Datum in der Debatte. Denn im Koalitionsvertrag heißt es, ganz weit hinten auf Seite 176, dass zur „Mitte der Legislaturperiode“ eine Bestandsaufnahme des Vereinbarten und Umgesetzten erfolgen solle. Man will dann, also Ende 2019 oder Anfang 2020, auch darüber reden, ob „aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen“. Dann könnte der Wirtschaftsflügel der Union mit seiner Steuerentlastung für Unternehmen kommen und eine vollständige Soli-Abschaffung als Koalitionsziel verlangen. Zum Beispiel, weil die Konjunktur sich stärker eintrübt. Allerdings steht in dem CDU-Beschluss vom Samstag noch ein Satz: "Dabei halten wir am Ziel des ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden fest.“ Die Einhaltung der schwarzen Null ist damit Vorbedingung. Bisher plant Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bis zum Ende der Wahlperiode mit ausgeglichenen Etats. Die Überschüsse aber nehmen ab. Die Sache wird zum Ende hin also immer enger.

DIW-Ökonom: Gutverdiener schon entlastet

Der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat aktuell vorgerechnet, dass in den vergangenen Jahren, etwa seit der Jahrtausendwende, "Besser- und Hochverdienende" schon deutlich entlastet worden seien - im Gegensatz zu den Klein- und Mittelverdienern. Und zwar allein schon durch die Absenkung des allgemeinen Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent (oder 45 Prozent bei besonders hohen Einkommen). Seither seien auch die Unternehmenssteuern gesenkt worden. Die Einführung der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkommen war für Topverdiener ebenfalls eine Steuersenkung. Und die Reform der Erbschaftsteuer lief darauf hinaus, dass Unternehmenserben weiterhin darum herumkommen. Bachs Fazit: "Insgesamt spricht viel dafür, Haushalte mit hohen und sehr hohen Einkommen nicht weiter bei der Einkommensteuer zu entlasten." Sein Vorschlag: Der Soli könnte ab 2021 für die verbleibenden Zahler in die normale Einkommensteuer integriert werden. Dann wäre er abgeschafft, aber gezahlt würde er weiter von den Besserverdienern. Nimmt man die Koalitionspläne (kein Soli mehr für 90 Prozent der Zahler), müssten ab 2021 alle Steuerpflichtigen mit einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 77000 Euro (also nach Abzug der Freibeträge) weiterhin den Zuschlag berappen.

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