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Nicht nur Angela Merkel ist demnächst weg - Die CDU-Spitze am Wahlabend

© imago images/Political-Moments

Die CDU beschließt den kompletten Neuanfang: Erneuerung auf christdemokratisch

Der CDU-Vorstand hat Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten gemacht. Jetzt räumt er kollektiv das Feld. Selbst bei der Vorsitzendenwahl haben andere das Wort.

Von Robert Birnbaum

Manchmal dauert es ein bisschen, bis historische Wahlniederlagen auch bei den Beteiligten ankommen. Im CDU-Vorstand ist der Groschen am Montag gefallen. Wenn die CDU sich demnächst zum Sonderparteitag trifft, wird die gesamte Führungsspitze neu gewählt.

Der Beschluss sei einstimmig gewesen, sagt Paul Ziemiak. Er ist ab jetzt Generalsekretär auf Abruf, so wie alle in der Parteiführung – sofern man den Begriff überhaupt noch verwenden sollte.

Denn faktisch hat der CDU-Vorstand zugleich die wichtigste Entscheidung für die Zukunft der Partei in andere Hände gelegt. Die 327 Kreisvorsitzenden sollen darüber beraten, wie der nächste Vorsitzende bestimmt wird. Dabei wird ein Meinungsbild entstehen. „Im Lichte“ dieses Bilds, sagt Ziemiak, wird der - nach Satzung dafür zuständige Vorstand - drei Tage später das Verfahren festlegen und auch das Datum für den Sonderparteitag.

Das klingt alles sehr technisch. In Wahrheit ist es hoch politisch. Denn jedem in der CDU ist klar: Mit dem Wie fällt die Vorentscheidung für das Wer.

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Am Morgen dieses durchaus ein wenig historischen Tages halten sich fast alle Maßgeblichen zurück mit Kommentaren. Das war übers ganze Wochenende schon so.

Nur an der Front des Konrad-Adenauer-Hauses hängt ein Riesenposter, das unfreiwillig das Hauptthema des Tages anspricht: „Jetzt Mitglied werden.“

Das Poster passt symbolisch nicht so gut zur Idee des Hausherrn Armin Laschet, das Modell Nordrhein-Westfalen auf den Bund zu übertragen. In Düsseldorf hatte er in Gesprächen alle Interessenten dazu gebracht, sich auf Hendrik Wüst als seinen Nachfolger zu einigen. Das würde er gerne jetzt genauso machen.

In der Opposition sind keine Posten mehr zu verteilen

Doch es gibt einen großen Unterschied. Wüst kann im Mai die Landtagswahl gewinnen und sich dann bei der Postenverteilung erkenntlich zeigen. Im Bund wartet die Opposition. Da bleibt nichts zu verteilen.

Laschets Konsenskandidatenplan fand deshalb in den Sitzungen zwar hier und da theoretischen Zuspruch – wer wünscht sich nicht eine Teamlösung, bei der nicht wieder nur ein Vorsitzender herauskommt, den die eine Hälfte der Partei nicht will?

Konkret glaubt kaum einer, dass das funktioniert. Er rechne mit einer „Wettbewerbsentscheidung“, sagt Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann im „Morgenmagazin“.

In der Frühe ist ansonsten die Tiefgarage Trumpf. Dienstwagen nach Dienstwagen verschwindet hinter dem Rolltor der CDU-Zentrale.

Michael Kretschmer steigt aber aus. Der sächsische Regierungschef will etwas loswerden. Es sei doch klar, dass es mit der alten Mannschaft nicht weitergehe: „Es müssen alle Funktionen neu gewählt werden.“ Das war eine gute Prognose.

Ganz zuletzt ins Präsidium kommt der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans. Die CDU, sagt Hans, brauche einen „neuen Sound“. Eine moderne Familienpolitik gehöre dazu, auch eine moderne Klimapolitik – eine, die mit dem „Mythos“ aufräume, dass Klimaschutz nichts koste.

Man versteht den neuen Sound sicher nicht falsch, wenn man ihn so deutet, dass er aus Sicht des Saarländers nicht aus alten Köpfen kommen kann.

Der 43-Jährige selbst hat im Frühjahr eine Landtagswahl vor sich und ist dadurch gebunden, genauso wie Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Aber Hans hat am Wochenende mit seinen Bundes-Promis Peter Altmaier und Annegret Kramp-Karrenbauer die Erneuerung vorexerziert.

Friedrich Merz, 65
Friedrich Merz, 65

© Michael Reichel/dpa

Ihr Rückzug zugunsten zweier junger Abgeordneter war als Vorbild gedacht. Kramp-Karrenbauer zielte sogar dezidiert auf einen ganz bestimmten Parteikollegen. Die Partei sei in einer Lage, „in der man nicht nur schreiben darf, das 'CDU' müsse größer geschrieben werden als das Ich, sondern man muss es dann auch tun“, hatte AKK gesagt.

Der Satz meinte Friedrich Merz. Der 65-Jährige hatte unlängst getwittert: „Ich hätte gerne, dass wir die drei Buchstaben #CDU größer schreiben als die Buchstaben ICH.“

Dass er auf die Frau hört, die ihn seinerzeit besiegt hatte, kann man unbesehen ausschließen.

Aber Merz ist tatsächlich der heimliche Dreh- und Angelpunkt des Streits um das Verfahren für den neuen Vorsitzenden. Nicht zufällig entdecken gerade Partei-Konservative ihr Herz für die Basis. Merz selbst rechnet sich aus, dass er unter den gut 400 000 CDU-Mitgliedern – mit 61 Jahren im Schnitt älter als in anderen Parteien, dazu männlich dominiert – bessere Chancen hätte als bei einem dritten Anlauf auf einem Parteitag.

Doch es gibt auch Leute in der CDU, die einen Mitgliederentscheid für keine gute Idee halten. Wolfgang Schäuble hat sich dagegen positioniert. Der Dienstälteste hat allerdings nur noch sehr begrenzten Einfluss auf die Meinungsbildung, seit er maßgeblich daran mitwirkte, Laschet gegen Markus Söder als Kanzlerkandidaten durchzusetzen.

Doch auch jemand wie Günter Krings ist skeptisch. Der hat als Chef der NRW-Landesgruppe im Bundestag durchaus Einfluss.

Ein Basisvotum führt nicht unbedingt zu Frieden

Er wies im Vorfeld auf schlechte Erfahrungen mit Basisvoten auch in der CDU hin. Gemeint war der Zweikampf zwischen Günther Oettinger und Annette Schavan um den Landesvorsitz in Baden-Württemberg 2005. Oettinger gewann, aber die Befragung befriedete die Konflikte im Ländle nicht, sondern riss erst recht Gräben auf, die bis heute fortbestehen.

Trotzdem spricht vieles dafür, dass die Kreisvorsitzenden sich für ein Basisvotum aussprechen, schon um sich nicht daheim rechtfertigen zu müssen, wenn sie es nicht tun.

Und auch ein zweiter der Schattenkandidaten findet einen Mitgliederentscheid reizvoll. Auf Norbert Röttgen geht der Vorschlag zurück, die Kreisvorsitzenden in die Verfahrensentscheidung einzubinden. Und zwar schon früh und nicht, wie es Laschet vorhatte, irgendwann im Dezember.

Nennenswerten Widerspruch gab es nicht, bleibt doch die Möglichkeit offen, dass die Kreischefs sich mehrheitlich dafür aussprechen, die Vorsitz-Frage nur auf einem Parteitag auszutragen. Dann ginge alles schneller über die Bühne; Ziemiak weist ausdrücklich darauf hin. Oder vielleicht fällt das „Meinungsbild“ auch so unklar aus, dass der scheidende Vorstand plötzlich doch wieder freie Hand bekommt.

Laschet will jedenfalls in der Zwischenzeit seinen Konsensplan weiter verfolgen. Er will mit den CDU-Vereinigungen reden und mit Landesvorsitzenden.

Dass dabei ein Kandidat herauskommt, auf den sich alle einigen, vor allem auch die einschlägigen Schattenkandidaten von Merz bis Jens Spahn und Fraktionschef Ralph Brinkhaus – höchst unwahrscheinlich, wie gesagt. Selbst wenn Laschet seit Montag einen unerwarteten Fürsprecher hat: CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer riet der CDU, nicht schon wieder einen 51:49-Prozent-Parteichef zu wählen, sondern einen, der in der Partei und bei den Wählern gleichermaßen ankommt.

Aber erstens gibt es den eben nicht. Und zweitens wollen sie in der CDU von der bayerischen Schwester vorerst keine Ratschläge mehr hören. Söders Querschüsse waren Thema in mehreren Redebeiträgen im Vorstand, und immer begleitet von allgemeiner Zustimmung zu den Kritikern.

Laschet wird das wohl getan haben, auch wenn es zu spät kommt und ihm nichts mehr nützt.

Einen konkreten Erfolg aber konnte der Parteichef auf Rückzug verbuchen an diesem Tag. Seine Bitte, mal die Handy liegen zu lassen, fand Gehör. Aus der Sitzung des Präsidiums wie des Vorstands drang diesmal kein einziger Mucks in die einschlägigen Twitter-Kanäle.

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