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Der bisherige Bundeskanzler Gerhard Schröder übergibt das Bundeskanzleramt 2005 an die neue Kanzlerin Angela Merkel. 

© Peer Grimm/dpa

Deutschland in der Coronakrise: Warum wir Schröder und Merkel dankbar sein müssen

Der Reformkanzler und die Sparkanzlerin haben Deutschland solide gemacht. Das zahlt sich in der Coronakrise aus. Ein Kommentar.

Am gerechtesten über Menschen urteilt die Geschichte. Erst wenn viele Jahre vergangen sind, entpuppt sich, wer ein Narr war – und wer das Gute beförderte. Der Bundestag wird in diesen Tagen einen Nachtragshaushalt in Höhe von 156 Milliarden Euro beschließen, davon fließen 122,5 Milliarden Euro in Finanzspritzen, Kredite und Zuwendungen für Coronavirus-Betroffene. Es ist das größte Hilfspaket, das je in Deutschland beschlossen wurde.

Es ist zu früh, über Nutzen und Nachteile dieses Pakets zu urteilen. Aber es ist nicht zu früh, die Bedingungen zu beleuchten, die es ermöglichen. Die deutsche Wirtschaft ist solide, die Arbeitslosigkeit gering, bis vor kurzem sprudelten die Steuereinnahmen, der Haushalt kam ohne Neuverschuldung aus. Das hat zwei wesentliche Ursachen: zum einen die Agenda-2010-Reformen der Schröder-Regierung, zum anderen der strikte Sparkurs der Merkel-Regierungen.

Der kranke Mann Europas

Als Gerhard Schröder 1998 als Kanzler ins Amt kam, gab es 5,3 Millionen Arbeitslose, 12,5 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, 1,8 Millionen Langzeitarbeitslose. Deutschland galt als der kranke Mann Europas. Hinzu kamen die Folgen der Globalisierung: Die Wettbewerbsfähigkeit des Landes schien zunehmend gefährdet zu sein durch relativ teure Produkte und stark belastete Sozialsysteme.

In dieser Lage riskierte Schröder alles. Er nahm den Kampf mit der eigenen Partei auf, plädierte für „Fördern und Fordern“, zog gegen massiven Widerstand die Hartz-IV-Reformen durch, die vor allem am Arbeitsmarkt ansetzten.

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Die gesellschaftlichen Folgen – Montags-Demonstrationen, Abspaltung von Oskar Lafontaine - kosteten Schröder das Amt. Aber die wirtschaftliche Entwicklung gab ihm recht. Die Arbeitslosigkeit ging rapide zurück, alle Welt staunte über das „deutsche Jobwunder“. Vielerorts wurde versucht, etwa in Frankreich, die Reformen zu kopieren. Bis heute wird Deutschland international darum beneidet.

Als „schwäbische Hausfrau“ verspottet

Über das Für und Wider der Agenda 2010 sind ganze Büchereien vollgeschrieben worden. Zum Wider zählen der hohe Niedriglohnsektor, die Armutsfalle, die gestiegene Zahl der Leiharbeiter, das Los der Minijobber, die permanente Angst vor dem Absturz. Doch nach mehrheitlicher Auffassung der Ökonomen überwiegt das Für – die Solidisierung des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Kaum weniger Prügel als Schröder bezog Angela Merkel für ihren strikten Sparkurs nach der Finanz- und während der Eurokrise. Als „schwäbische Hausfrau“ wurde sie verspottet, in hochverschuldeten Ländern mit Hitlerbart gezeichnet. Ein ums andere Mal forderte Barack Obama höhere deutsche Staatsausgaben, Frankreichs Regierung wehrte sich gegen „Spardiktate“, aus der „schwarzen Null“ werde ein Fetisch gemacht, polterte die Opposition.

"...dann hast Du in der Not“

Merkels Antwort lautete stets gleich. Die Verringerung der Defizite sei für ein nachhaltiges Wachstum unverzichtbar, außerdem bedeute Sparen weniger Zinszahlungen „für unsere Kinder und Enkel“. Das vorrangige Ziel – da knüpfte sie an Schröder an – müsse es sein, Menschen in Arbeit zu bringen.

„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not.“ Wie wahr dieses Sprichwort ist, wird in der Coronakrise offenkundig. Deutschland ist durch Schröders Reform- und Merkels Sparpolitik in der Lage, groß zu denken und groß zu handeln. Darauf stolz zu sein, verbietet sich in der Krise. Aber Erleichterung und Dankbarkeit sind erlaubt.

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