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Ein Soldat des deutschen ISAF-Kontingents patrouilliert in der Umgebung von Faisabad in Afghanistan.

© dpa/Maurizio Gambarini

Deutsches Engagement in Afghanistan: Die Gefahr der Rückkehr in die politische Steinzeit

Was bleibt vom Einsatz der Bundeswehr und was bedeutet die Bilanz für die Zukunft? Bündnissolidarität kann nicht mehr die alleinige Maßgabe sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Er war zwangsläufig: der deutsche Einsatz in Afghanistan. Allen Warnungen zu allen Zeiten zum Trotz, in diesem unbeherrschbaren Land eine Front zu eröffnen, von einst Winston Churchill oder dann später Helmut Schmidt. Nach den verheerenden Angriffen auf die Vormacht der demokratischen Welt, die USA, sollte die Freiheit aber auch am Hindukusch verteidigt werden. Und Bündnissolidarität gibt es nicht zum Nulltarif, die beweist sich in schwierigen Zeiten. Das hätte auch Schmidt nicht bestritten, es galt schon zu seinen Zeiten.

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Kundus ist gefallen, dort, wo die Bundeswehr zehn Jahre lang stand und die Taliban auf Abstand hielt. All die Mühe. Die Toten. Der Kampf um Afghanistan - so endet er. Das ist traurig.

Knapp 20 Jahre am Hindukusch, 59 tote deutsche Soldaten und einige Tausend aus anderen Staaten. Weit mehr als zehn Milliarden Euro an Ausgaben für diesen Kriegseinsatz, dazu hunderte Millionen Euro an humanitärer Hilfe - und der Kampf für Freiheit und Demokratie scheint verloren zu sein. Auch der gegen neuen Terror? Schon möglich.

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Rund dreihunderttausend afghanische Sicherheitskräfte sind in den bald zwei Jahrzehnten ausgebildet und ausgerüstet worden. Jetzt ergeben sich viele kampflos, verschwinden über die Grenzen oder gehen einfach nach Hause. Und die Taliban rücken vor, erobern Bezirk um Bezirk, Provinzhauptstädte dazu. Wenn das so weitergeht, haben sie das Land bald wieder in ihrer Hand.

Was das für die Menschenrechte bedeutet, für die Lage der Frauen, der Kinder, für die Demokratie, die Freiheit, ist klar: die Gefahr der Rückkehr in die politische Steinzeit. Viel ist besser geworden in den Jahren in Afghanistan – nichts wird am Ende gut mit den Taliban. Zehntausende Radikale, Islamisten – sie werden neuen Schrecken im Land verbreiten.

Taliban sehen sich als Krieger für Gott und Vaterland

Die Taliban sehen sich wie die, die die Sowjets bekämpften, heute als Mudschahedin, als Krieger für Gott und Vaterland. Sie sind nicht besiegt noch geschlagen, die Korruption und Machtvergessenheit der bisherigen Eliten tut ein Übriges, und damit gewinnen islamische Terroristen die Gewissheit, dass sie bei den Taliban einen sicheren Rückzugsort haben. Für den Fall, dass sie wieder Angriffe planen.

[Mehr zum Thema: Bundeswehr-Abzug aus Afghanistan - Mahmoud half den Deutschen, die Taliban wollen ihn ermorden (T+)]

So endet dieser Zwang, der Bündnissolidarität Genüge zu tun. Bis zuletzt. Nachdem die USA mit den Taliban nichts Bindendes vereinbart haben und jetzt nur noch schnell aus dem Land herauswollten, blieb Deutschland wieder nichts anderes übrig, als zu folgen. Das kritisiert die FDP-Expertin Agnes Strack-Zimmermann zurecht.

Damit hat das deutsche Engagement mehr als nur genügt; die Bundeswehr hat viel eingesetzt. Und vielleicht hat der Freiheitsgedanke bei den jungen Afghanen doch stärker Fuß gefasst, als es gerade absehbar ist. Bis zu größerer Gewissheit muss aber wohl die Freiheit hier zu Hause im Westen vor Terrorismus vom Hindukusch geschützt werden.

Was bleibt uns sonst? Eine ehrliche Bestandsaufnahme im Parlament nach der Wahl, wie sie in „Bild“ der frühere Verteidigungsminister Volker Rühe vorschlägt. Und zwar für alle Auslandseinsätze seit der Vereinigung Deutschlands, von Kambodscha, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Somalia, Afghanistan bis Mali. Was wurde angestrebt, was in welcher Zeit erreicht? Aus den Antworten müssten dann klare Entscheidungskriterien destilliert werden.

Bündnissolidarität kann schließlich nicht die alleinige Maßgabe sein. Auch deshalb, damit künftige Einsätze Erfolg versprechen und nicht in Trauer enden.

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