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Botschafter Jens Plötner.

© Auswärtiges Amt

Deutscher Botschafter im mediterranen Griechenland: Ein Freund / 'Evas Phílos*

Jens Plötner sieht sich nicht nur als Botschafter Deutschlands in Athen, er will auch Sachwalter Griechenlands in Berlin sein. Eine Herkulesaufgabe.

Das ist ein Satz, der ihm gefallen müsste: Deutschland hat bei der Rettung Griechenlands aus der Finanzkrise kein Geld verloren, sondern drei Milliarden Gewinn gemacht. Die Zinsen für von der EZB gehaltene griechische Staatsanleihen sind es, die anteilmäßig zur Bundesbank fließen. Jens Plötner, seit dem Juli vergangenen Jahres Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Griechenland, ist ein Mann, den man sich im physikalischen Sinne als einen Impulsumsetzer vorstellen muss. Einer, der Signale aus zwei verschiedenen Richtungen aufnimmt und sie an die jeweils andere Seite nach sorgfältiger Prüfung weiterleitet. Auf diese Weise ist der deutsche Chefdiplomat in Athen auch Sachwalter griechischen Denkens und Fühlens in Deutschland. Darf man so jemanden deshalb Diener zweier Herren nennen? Ja. Es ist ein Kompliment.

Jens Plötner, geboren 1967 in Eutin, ist ein Diplomat, der sehr lange ganz nahe an den Schaltstellen der Macht in der deutschen Außenpolitik gearbeitet hat. Nach dem Jurastudium und zwei Jahren an der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amtes war er stellvertretender Büroleiter bei Staatsminister Werner Hoyer, einem FDP-Mann. Nach der Politischen Abteilung der Botschaft in Tel Aviv wurde er am Hackeschen Markt Sprecher für den Mittleren Osten und UN-Angelegenheiten, dann zunächst stellvertretender Sprecher des Auswärtigen Amtes, war später in gleicher Stellung im Ministerbüro, 2008 bis 2009 Sprecher des Auswärtigen Amtes, von 2014 bis 2017 Leiter des Büros des Außenministers - und das war immer Frank-Walter Steinmeier. Dazwischen sehen wir ihn als Botschafter in Sri Lanka und Tunesien. Als sich der Außenminister auf den Weg ins Bellevue machte, trennten sich die Wege. Jens Plötner wollte wieder in die Welt.

Jetzt also Athen. Deutscher Botschafter in einem mediterranen Mitgliedsland der Europäischen Union. Kann es Schöneres geben, vor allem für einen, der noch immer schwärmt: „Als junger Mann bin ich mit dem Rucksack von Insel zu Insel gereist, und mit Frank-Walter Steinmeier war ich oft da.“ Aber die deutsch-griechische Geschichte ist nicht nur eine der geistigen Wahlverwandtschaften - obwohl die eine große Rolle spielen. Das Land der Griechen mit der Seele suchen, wie Goethes Iphigenie, das passte zu ihm, nachdem er es mit dem Herzen schon gefunden hat. Ebendiese Herzlichkeit scheint ihn fast zu überwältigen. Plötner kann schon mal spöttisch schauen, ein bisschen nur, klar, alles andere wäre undiplomatisch. Aber wenn er über die griechische Herzlichkeit redet, darüber, dass man sich auf die Menschen einlassen muss, dass dann viele Dinge viel leichter gehen als in Deutschland, da wirkt er fast ein bisschen gerührt. Viele griechische Akademiker haben in Deutschland studiert, das Bürgerliche Gesetzbuch der Griechen ist eins zu eins vom BGB abgeschrieben, weiß Jurist Plötner - und „Sie treffen kaum einen Griechen, der nicht über zwei Ecken irgendetwas mit Deutschland zu tun hat, während der Militärdiktatur waren viele Griechen im deutschen Exil, auch der jetzige Außenminister“. Ob in Griechenland 10.000 oder 100.000 Deutsche leben, weiß der Botschafter nicht, es ist ein friedliches Land. Und: „Die Griechen können genau unterscheiden zwischen der Politik und den Menschen.“

Die schwierigste Zeit der Euro-Krise

Die Politik. Das sind die vergangenen acht Jahre, in denen Deutschland oft als gnadenloser Zuchtmeister wahrgenommen wurde, herzlos, brutal. Dass die Kanzlerin auf dem Höhepunkt der Krise so wie ihr Finanzminister darüber sinnierte, ob man den Griechen nicht den Abschied vom Euro nahelegen sollte, das haben die Menschen nicht vergessen. Und dass Angela Merkel mit einem Hitlerbart dargestellt wurde, war zwar beleidigend, aber es hängt eben zusammen mit jenem Teil der deutschen Geschichte, den nicht nur die bundesrepublikanische Nachkriegspolitik am liebsten im Bundesarchiv unter „streng geheim“ eingeschlossen hätte, sondern auch manche der Heutigen. Die Wehrmacht hat in Griechenland furchtbar gewütet. Die deutsche Besatzung war so grausam wie die in der Sowjetunion. Eine Gebirgsjägerkompanie rächte den tödlichen Anschlag auf einen deutschen Soldaten mit der brutalen Ermordung von 80 Frauen und Kindern.

„Es ist im Rückblick beschämend, wie die junge Bundesrepublik mit ihrer Geschichte umging ... die von Bundespräsident Joachim Gauck ausgesprochene Entschuldigung war sehr wichtig“, sagt Plötner. „Er hat viele Türen wieder geöffnet.“ Der Botschafter selbst hat gerade erst im Mai bei einer Gedenkfeier der vielen Opfer der deutschen Besetzung Kretas gedacht und gesagt: „Die Erinnerung an die von deutschen Soldaten begangenen Kriegsverbrechen erfüllt uns, die Nachgeborenen, mit Scham und Trauer “ Aber Plötner schlägt dann eben bei dieser Gedenkfeier auch die Brücke zum Heute, kann es deshalb überzeugend tun, weil er schon gleich bei einer ersten, auf der Homepage der Botschaft veröffentlichten Rede an die griechischen Gastgeber die Schatten der Vergangenheit offen ansprach. „Vor diesem Hintergrund“, sagt er auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Maleme auf Kreta, „ist es ein kostbares Geschenk, dass aus ehemaligen Feinden heute Freunde geworden sind. Heute stehen unsere Soldaten kameradschaftlich Seite an Seite“.

Jens Plötner, der mit seiner Frau und den zwei Kindern in Athen lebt, hofft, dass die schwierigste Zeit der Euro-Krise „jetzt hinter uns liegt“. Er bewundert die Reformleistung der Griechen, „gegen die war die Agenda 2010 ein laues Lüftchen“. Die Renten wurden neun Mal gekürzt, aber der gesellschaftliche Kitt sei stark, die Familien hielten zusammen und stützten sich gegenseitig. Zum Staat hätten die Menschen ein, wie Plötner es ausdrückt, „eher dysfunktionales Verhältnis“. Man erwarte nichts Gutes von ihm, und das Beste sei, wenn der Staat einen in Ruhe ließe. Aber natürlich müsse das Vertrauen in den Staat geweckt werden, die Franzosen helfen gerade bei der Reform der Verwaltung. Und der Botschafter ist sicher, dass man die Wirtschaft auch von außen wieder ankurbeln muss. Da versteht er sich als Ansprechpartner, für deutsche und griechische Firmen.

Das Bild, das die Deutschen von Griechenland hätten, wie es Boulevardzeitungen und elektronische Medien vermittelten, sei unzutreffend, das sei eine gezielte Bildauswahl, von einer offensichtlichen Verelendung könne keine Rede sein.

Flüchtlingsfrage

Aber natürlich drückt die Flüchtlingsfrage die griechische Politik. Neben dem problematischen Verhältnis zur Türkei, dem schwelenden Territorialkonflikt in der Ägäis, schaut jede griechische Regierung, gerade in diesen Tagen, welche Lösungen die Europäische Union anbietet. Die Inseln sind wie europäische Auffanglager. Der Umgang der Türkei mit der Flüchtlingsfrage verdient wirklich Anerkennung, sagt Jens Plötner mit Blick auf das Abkommen zwischen Ankara und Brüssel - „es sorgt dafür, dass die Lage nicht außer Kontrolle gerät“.

„Wir sind beide Nachbarn der Türkei, die Griechen geografisch, die Deutschen demografisch“, zieht er die Verbindungslinie und macht damit gleichzeitig deutlich, dass in Europa alles mit allem zusammenhängt. Aber jetzt lernt er erst einmal Griechisch, das gehört zum Respekt vor dem Gastland. Eine schöne Sprache. Aber wenn der siebenjährige Sohn beim Abendessen zum radebrechenden Vater sagt: „Papa, ich sag' es noch mal ganz langsam“, dann weiß Jens Plötner, dass er noch üben muss. Mit der Sprache. Ansonsten ist er angekommen. Ganz.

* Ein Freund - so will Jens Plötner von den Griechen gesehen werden. Die deutschen Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg sind in Griechenland unvergessen.

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