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In Berlin haben sich die Wohnkosten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

© Michael Kappeler/dpa

Deutsche Wohnen: Die Idee der Verstaatlichung ist ein starkes Signal

Dass Unternehmen, für die Wohnungen nur Renditeobjekt sind, nicht enteignet werden, hat vor allem finanzielle Gründe. Schade eigentlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die von den Linken massiv unterstützte Idee, große Immobilienunternehmen in Berlin mithilfe eines Volksentscheids zu verstaatlichen, ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber politisch gesehen ein schönes Signal. In der Hauptstadt leben schließlich 85 Prozent der Menschen zur Miete, und die Wohnkosten haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Gesetzliche Mietpreisbremse, kommunales Vorkaufsrecht und der schleppende Wohnungsneubau haben bisher nicht messbar dazu beigetragen, den Trend nach oben wenigstens etwas abzufedern.

Man könnte auch sagen: Staatliche Mietenpolitik hat in Zeiten, in denen sich Blackrock und andere Giganten der globalen Vermögensbeschaffung längst auch in deutsche Immobilienkonzerne eingekauft haben, nur noch symbolischen Wert. Ganz zu schweigen von den Oligarchen und Drogenbossen, die ihre Milliarden in den Grund und Boden der Metropolen stecken. Je mehr man sich darüber Gedanken macht, desto revolutionärer wird die eigene Gesinnung.

Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum

Also: Warum nicht jene Unternehmen vergesellschaften, für die eine Wohnung kein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist, sondern zuvorderst ein Renditeobjekt? Rechtlich gesehen ist der Artikel 15 Grundgesetz durchaus ein wirksamer Hebel, um die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum, steht in der Verfassung von Berlin. Man kann das für Lyrik halten – oder ernst nehmen.

Wer es ernst nimmt, muss etwas tun, das Wirkung zeigt. Ob ein Volksentscheid zur Enteignung von Deutsche Wohnen, Vonovia und Co., selbst wenn er in Berlin erfolgreich wäre, vor den Zivil- und Verfassungsgerichten Bestand hätte, weiß derzeit niemand. Denn es ist ein in der (west-)deutschen Nachkriegsgeschichte einmaliger Eingriff in das private Wirtschaftsleben. Und es darf auch mit Fug und Recht bezweifelt werden, dass die Kosten einer solchen Enteignung vom Land Berlin getragen werden könnten.

Ein Volksentscheid könnte die Diskussion anheizen

Immerhin ginge es bei einer Entschädigung der Konzerne um zweistellige Milliardenbeträge. Und die zu erwartenden gerichtlichen Auseinandersetzungen würden bis zu einem Urteil in letzter Instanz viele Jahre dauern. Aber auch dann, wenn der Versuch misslingt, kann ein solcher Volksentscheid die Diskussion über eine sozial gerechte Wohnungs- und Mietenpolitik kräftig anheizen – und zu Ideen führen, die praktikabler sind. Die Richtung jedenfalls stimmt. Berlin braucht eine machtvolle kommunale Wohnungswirtschaft, der Nachbar Wien ist leuchtendes Vorbild. Um dahin zu kommen, müsste der öffentliche Wohnungsbestand (aktuell 320 000) mindestens verdoppelt werden.

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