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Donald Trump am Dienstag vor dem Weißen Haus in Washington D.C.

© Leah Millis, Reuters

Deutsche Soldaten in die Straße von Hormus: Die Kriegstrommeln werden lauter

Donald Trump will eine „Koalition der Willigen“ gegen den Iran schmieden. Sie soll bereitstehen auch für den Fall, dass richtig ernst wird. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Malte Lehming

So fangen Kriege an. Im Weißen Haus sitzt ein Präsident, der außen- und sicherheitspolitisch versagt. Kim Jong-Un tanzt ihm auf der Nase herum und denkt nicht im Traum daran, Nordkorea zu denuklearisieren. Im Handelsstreit mit China weiß Donald Trump weder ein noch aus. Der Frieden im Nahen Osten, großspurig durch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in Szene gesetzt, bleibt in weiter Ferne. Einen Abzug amerikanischer Truppen aus Afghanistan kann die US-Regierung nicht riskieren, ohne das Land endgültig ins Chaos zu stürzen. Also: Ein Erfolg muss her! Irgendeiner! Dringend!

Zum Glück gibt es, so denkt sich das Trump, noch den Iran, die leidigen Mullahs, und das leidige Atomabkommen, das sein Vorgänger, der leidige Barack Obama, geschlossen hatte. Unterzeichnet worden war es nach jahrzehntelanger Verhandlung von allen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland. Das Abkommen war von der Regierung in Teheran strikt eingehalten worden, doch er, Trump, will durch „maximalen Druck“ ein besseres aushandeln, eines, das Irans Raketenbau umfasst, die Unterstützung von Terrororganisationen sowie die aggressive Expansion des Regimes in der Region.

Folglich kündigte Trump das Atomabkommen, erließ eine Sanktion nach der anderen, entsandte einen Flugzeugträgerverband, eine Bombenstaffel und mehrere Truppeneinheiten. Aber seltsamerweise knicken die Mullahs nicht ein. Das kommt noch, sagen die Trumpisten und setzen unbeirrt aufs Prinzip Hoffnung. Dabei sieht jeder: Bloßes Wunschdenken hat die Realpolitik verdrängt. Und jeder weiß, dass in Trumps Kabinett Personen sitzen, die schon seit langer Zeit dafür plädieren, Raketen in Richtung Iran zu schicken.

Der Iran hat sein Atomprogramm wieder hochgefahren

Seit der einseitigen Aufkündigung des Atomabkommens durch die Trump-Regierung spitzt sich die Lage im Wochentakt zu. Gegenseitig werden Drohnen abgeschossen und Schiffe festgesetzt, eine schon befehligte militärische Intervention sagte Trump in letzter Minute ab, der Iran hat sein Atomprogramm wieder hochgefahren.

Weil inzwischen auch Großbritannien involviert ist, nachdem zunächst die Behörden von Gibraltar – das britisches Territorium ist - einen iranischen Öltanker beschlagnahmten, woraufhin die Iraner sich ein britisches Schiff schnappten, erhöht sich der Druck auf europäische Staaten, die Straße von Hormus militärisch abzusichern. Großbritannien hat bereits einen Luftabwehrzerstörer und eine Fregatte in den Persischen Golf entsandt. Die USA wiederum baten am Dienstag die Bundesregierung förmlich darum, sich ebenfalls an der Sicherung des Handelsverkehrs in der Straße von Hormus zu beteiligen.

Damit ist klar: Amerika bastelt an einer „Koalition der Willigen“, die militärisch einerseits den für die Weltwirtschaft wichtigen Schiffsverkehr sichern, andererseits aber bereitstehen soll, wenn’s wirklich ernst wird. In der Praxis lassen sich beide Bereiche kaum trennen, die Übergänge sind fließend. Diese „Koalition der Willigen“ verfügt bislang weder über ein sie legitimierendes völkerrechtliches Mandat des UN-Sicherheitsrates, noch agiert sie im Namen und Auftrag der Nato.

Niemand sollte das Eskalationsrisiko kleinreden

Das muss das deutsche Parlament bedenken, ohne dessen Zustimmung ein solcher Einsatz nicht möglich wäre. Die Notwendigkeit einer Zustimmung durch Mandatstricks umgehen zu wollen, wäre jedenfalls töricht. Die zentrale Frage lautet: Ist der Schiffsverkehr durch die Straße von Hormus so akut und anhaltend bedroht, dass die Entsendung von deutschen Soldaten trotz des Eskalationsrisikos bis hin zum Krieg gerechtfertigt ist?

Niemand sollte dieses Eskalationsrisiko kleinreden. Der Iran ist in der Lage, ob über die Houthi-Rebellen im Jemen, die Hisbollah im Libanon oder die schiitischen Geistesbrüder in Bagdad, dem Westen weit mehr als Nadelstiche zu versetzen. Katar ist auf den iranischen Luftraum angewiesen, die saudischen Wasseraufbereitungsanlagen sind extrem  verwundbar. Ist der Anlass für eine mögliche Marinemission der Bundeswehr – das Tit-for-tat-Gerangel um einen iranischen und britischen Öltanker – tatsächlich ausreichend, um solche Risiken in Kauf nehmen zu dürfen?

Der australische Historiker Christopher Clark hat beschrieben, wie Schlafwandler einst Europa in den Ersten Weltkrieg haben schlittern lassen. Ganz vergleichbar ist die Lage nicht. Aber dass es diesmal Traumtänzer sein könnten, die eine Katastrophe befördern, weil sie daran scheiterten, ein diktatorisches Regime allein durch Wirtschaftssanktionen gefügig zu machen, wäre als Pointe kaum weniger bitter.

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