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In Flensburg gibt es eine Häufung von mutierten Coronaviren. Dies hat Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperrungen zur Folge.

© dpa/Christian Charisius

Update

Deutsche Hotspots: Wie die Corona-Mutante B117 um sich greift

In Deutschland ist B117 auf dem Vormarsch. In den Hotspots zeigt sich, welche Probleme die Varianten mit sich bringen: Mehr Jüngere erkranken schwer.

Die wohl deutlich ansteckendere Corona-Virus-Mutante, die zuerst in Großbritannien entdeckt worden war, breitet sich auch in Deutschland rasch aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte in einer Pressekonferenz des RKI am Freitag, dass inzwischen jede fünfte Corona-Infektion in Deutschland auf die Virusmutation B117 zurückzuführen sei.

In einigen Regionen liegt die Ausbreitung der Mutation bereits weit über dem deutschen Durchschnitt. Einer dieser Mutanten-Hotspots ist die Region Hannover: Hier ist die britische Variation B117 schon für mehr als 40 Prozent der Neuinfektionen verantwortlich.

Mittlerweile tritt sie flächendeckend in ganz Niedersachsen auf und verbreitet sich rasant weiter, wie der NDR berichtet. Mike Wonsikiewicz, Pressesprecher des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) sagte dem Tagesspiegel, die 40 Prozent seien jedoch mit Vorsicht zu genießen: „Ich halte diese Zahl nicht für repräsentativ, da sie lediglich auf Stichproben beruht.“ Sprich: der Anteil könnte sogar noch höher sein.

Fest steht jedoch, dass in Hannover am Donnerstag insgesamt 771 bekannte Infektionsfälle mit der Mutante nachgewiesen waren. 764 davon seien eindeutig der Virus-Variante B117 zuzuordnen, erklärt Wonsikiewicz, bei weiteren sechs sei eine Zuordnung noch unklar.

Am Mittwoch hatte das NLGA noch insgesamt 520 Nachweise der Mutation gemeldet. Lediglich eine Infektion ging auf die südafrikanische Variante B.1.351 zurück, bei sechs weiteren Fällen sei die Klassifizierung mittels PCR-Test nicht eindeutig erbracht.

Hannover plant vorerst keine weiteren Einschränkungen

Hauke Jagau, Regionspräsident der Region Hannover, erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass die vergleichsweise hohe Zahl an Infektionsfällen mit der Mutante vermutlich auch darauf zurückzuführen sei, dass man in der Region Hannover bereits seit vier Wochen anteilig und seit zwei Wochen konsequent alle positiven Proben auf Mutation hin untersucht habe.

„Wir haben da von uns aus initiativ nachgefasst, sonst hätten wir vielleicht auch den Spahnschen Schnitt“, erklärt Jagau. Woher die vergleichsweise starke Ausbreitung der Mutante in Hannover kommt, darüber lässt sich aktuell nur spekulieren.

[Auch auf tagesspiegel.de: Martenstein über Corona-Schutzmaßnahmen - Lenin lässt grüßen (T+)]

In der Region Hannover habe aufgrund zahlreicher britischer Militärstützpunkte seit jeher eine enge Verbindung zu Großbritannien bestanden. „Aus diesen vergangenen Zeiten sind viele Verbindungen, Hochzeiten, Familien erwachsen. Reisen aus dem und in das Vereinigte Königsreich gehören bei uns vielleicht mehr dazu als anderswo."

Den ersten Fall der britischen Mutante hatte es in der Medizinischen Hochschule Hannover im November gegeben, der Patient, der sich bei seiner aus Großbritannien zurückgekehrten Tochter angesteckt hatte, verstarb im Dezember.

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Auffällig beim derzeitigen Infektionsgeschehen in der Region Hannover sei vor allem, dass das Alter der Covid-Betroffenen sinkt, berichtet Jagau weiter „Die Patienten, die bei uns behandelt werden, sind im Schnitt jünger als in den Vormonaten.“

Zahl der Corona-Toten geht bislang noch zurück

Insgesamt sei aber die Zahl der Corona-Toten trotz zunehmender Ausbreitung der Mutante in der Region zurückgegangen: Während im Januar rund 240 Menschen in der Region Hannover an oder mit dem Coronavirus verstarben, waren es im Februar bislang rund 80.

Verschärfungen wegen der Ausbreitung der Mutante sind Hannover derzeit nicht geplant. „Wir haben unser Testverhalten deutlich erhöht, Quarantänemaßnahmen verlängert und die Untersuchungen auf Mutationen ausgeweitet“, erklärt Jagau. Freitesten kann sich in der Region aktuell nicht mehr und die Quarantäne ist auf 14 Tage verlängert worden.

Jagau weist darauf hin, dass es trotz der Ausbreitung der Mutante insgesamt keine Verschärfung der Krankheitsverläufe gebe. Aktuell gingen die Infektionszahlen außerdem immer noch zurück. Maßnahmen seien nur sinnvoll, wenn sie von der Bevölkerung auch akzeptiert würden, das sei momentan schwer.

„Wir versuchen daher, mit Augenmaß zu agieren, behalten die Entwicklung aber natürlich weiter im Blick. Wir sehen auch eine Chance in den Schnelltests, die ohne Fachpersonal genutzt werden können, um stärker präventiv zu arbeiten.“

 Regionspräsident rechnet mit Rückgang der Zahlen

Trotz Mutante rechnet Jagau für die kommenden Tage mit einem weiteren Rückgang des Inzidenzwertes: Dieser sei momentan auch so hoch, weil wegen Schnee und Eis in der vergangenen Woche Menschen mit Symptomen den Weg zum Testen gescheut hätten - jetzt hätten diese sich aber testen lassen.

Seit Dezember sei der Inzidenzwert in der Region deutlich gesunken. Die Ausbreitung der Mutation sei zumindest eingedämmt worden.

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Sollte sich die Situation in den kommenden Wochen stabilisieren, plädiert Jagau für schrittweise Öffnungen: „Die Kraft der Menschen ist zu Ende. Ich kann da auch für mich sprechen. Es muss Perspektiven und Lockerungen geben, da ist der regionale Ansatz der richtige Weg. Viele der vulnerablen Gruppen werden bald geimpft sein, ich halte es für falsch, dann immer noch nach dem bloßen Inzidenzwert zu gehen.“

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende für die Region Hannover Evrim Camuz sieht das anders: „Diese Zahlen sind beunruhigend, hier muss jetzt gezielt entgegengesteuert werden.“

In Flensburg steigt die Inzidenz rasant an

In Flensburg ist man wegen der Ausbreitung der Mutante derzeit deutlich alarmierter. Auch die Stadt in Schleswig-Holstein gilt als Hotspot: Während das nördlichste Bundesland am Mittwoch insgesamt einen Inzidenz-Wert von 55,9 meldete, lag Flensburg bei 181,9. In den vergangenen Tagen seien in 80 Fällen Mutationen nachgewiesen worden, sagte Oberbürgermeisterin Simone Lange am Freitag. Für Februar hatte sie bisher von einem 50-prozentigen Anteil gesprochen.

Deswegen werden in der Stadt ab Samstag zunächst eine Woche lang zwischen 21 und 5 Uhr Ausgangsbeschränkungen sowie ein vollständiges Kontaktverbot verhängt: Ein Hausstand darf weder in der eigenen Wohnung noch draußen weitere Kontaktpersonen treffen. Ausnahmen gelten nur für den Weg zur Arbeit oder zum Arzt. Auch die Schulen werden vorerst geschlossen bleiben. Lange kündigte strenge Kontrollen an. Bei Verstößen gegen die Verordnung drohen hohe Bußgelder. In Flensburg sollen den Menschen zunächst 70.000 kostenlose Schnelltests zur Verfügung stehen.

[Mehr zum Thema: Die Mutanten sind der Spielverderber]

Eine Sprecherin der St. Franziskus Klinik bestätigt gegenüber dem Tagesspiegel zumindest teilweise Beobachtungen wie in Hannover: Bezüglich des Alters der Covid-Patienten sei eine deutliche Verjüngung erkennbar. Und auch ohne Vorerkrankungen gebe es häufiger einem schweren intensivmedizinischen Verlauf.

Auch in Düsseldorf erreicht die Mutante einen Anteil von 40 Prozent

Deshalb ist die Sorge in Flensburg groß: „Der Anteil der Mutante an den Neuinfektionen in Flensburg nimmt stetig zu. Die Infektionsübertragung der Virusmutation erfolgt effizienter. Hieraus leitet sich eine dritte Welle in unserer Versorgungsregion, die weit über Flensburg hinaus ragt, ab, die uns dann schnell überfordern könnte.“

„Unsere Kapazitäten sind durch das einsetzbare klinische Personal begrenzt und die Mutation wird uns ohne wirkungsvolle Maßnahmen in vier Wochen an unsere Versorgungskapazitätsgrenzen führen“, heißt es aus der Klinik weiter. Die Situation stelle eine erhebliche Bedrohung nicht nur für die Bevölkerung der Stadt Flensburg, sondern im gesamten Grenzland und konkret für die Flensburger Krankenhausversorgung dar.

Klinik musste zweite Isolierstation eröffnen

Sollte eine Kapazitätsgrenze auf der Intensivstation erreicht werden, werde zunächst innerhalb des Landes geprüft, ob intensivpflichtige Covid-Patienten in anderen Kliniken behandelt werden können.

Nachdem die Isolierstation im Dezember und Januar mit bis zu 30 Patienten an ihre Grenzen kam, hatte die Klinik eine zweite Isolierstation eröffnet, so dass nun die Behandlung von 50 Patienten möglich ist. Aktuell werden dort 29 Covid-Patienten behandelt.

Besonders stark verbreitet sich die britische Coronavirus-Variante außerdem in Düsseldorf: Am Dienstag habe der Anteil nach Angaben der Stadt noch bei 27 Prozent und am Mittwoch bei 30 Prozent gelegen. Am Freitag liegt er bereits über 40 Prozent. Wie eine Sprecherin der Stadt dem Tagesspiegel sagte, werden seit dem 1. Februar alle positiven Corona-Proben auf die Mutation untersucht.

Reagiert hat das Rathaus auch hier schon. Bei jeglichem engeren Kontakt ohne entsprechende Schutzmaßnahmen zu einer mit der Coronavirus-Mutation infizierten Person wird vorsorglich eine Quarantäne angeordnet. Auch die Kontaktnachverfolger im Gesundheitsamt wurden noch einmal extra in Hinblick auf die Mutante geschult.

Lea Schulze

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