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In Sachen Cybersicherheit ist Israel schon lange führend (hier eine "Cyber Horse"-Installation anlässlich der jährlichen "Cyberweek conference" an der Tel Aviv University).

© REUTERS

Deutsch-israelisches Verhältnis: Wie Israel Deutschland sicherer machen kann

Die deutsche Staatsräson und Israels Angebot: Wir können mit mehr Kooperation in Sachen Terrorabwehr und Cybersicherheit Deutschland schützen. Ein Gastbeitrag.

Vor genau einem Jahr bin ich in Berlin angekommen. Es war nur ein Vier-Stunden-Flug, aber in Wirklichkeit hatte ich mein 38 Jahre langes Berufsleben im Außenministerium gebraucht, um einen der wichtigsten und sensibelsten diplomatischen Posten anzutreten: als israelischer Botschafter in Deutschland.

Ich übergab Bundespräsident Steinmeier meine Beglaubigung und fuhr weiter zu Gleis 17 am Bahnhof Grunewald, von dem hunderttausende Juden deportiert wurden und nie wieder zurückkehrten. Mir war klar, dass die Beziehungen zu Deutschland nie vom Zivilisationsbruch der Shoah zu trennen sind, sie sich parallel aber zu einer wachsenden strategische Partnerschaft entwickelt haben. Eine Dualität, die in den folgenden Monaten noch deutlicher werden sollte.

Einerseits: Die AfD gewann mehr als 90 Sitze im Bundestag, israelische Flaggen wurden bei Protesten vor dem Brandenburger Tor verbrannt, ein jüdischer Restaurantbesitzer wurde von einem Berliner mit einer Rückkehr in die Gaskammer bedroht -  und ein syrischer Flüchtling griff einen arabischen Israeli an, weil der eine Kippa trug. Diese Vorfälle wurden von Deutschen in höchsten Positionen entschieden verurteilt. Mir wurde klar, dass diese Vorfälle nicht nur Angriffe auf Juden und Israelis sind, sondern auf Deutschland als demokratischen und pluralistischen Staat.

Andererseits: Diese beunruhigenden Fälle berühren nicht den Kern des Verhältnisses zwischen Israel und Deutschland. Vor zehn Jahren hat Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede in der Knesset die Sicherheit Israels als „Teil der deutschen Staatsräson“ bezeichnete. Dieser Begriff ist noch immer ein Grundpfeiler unserer Beziehungen. Auch die jüngste Erklärung des Bundestags anlässlich des 70. Unabhängigkeitstages unseres Staates ist ein Zeugnis für eine einzigartige Verbindung, deren Geist ich persönlich erleben habe: bei Treffen der Präsidenten Steinmeier und Rivlin sowie der Regierungschefs Merkel und Netanyahu. Sie sind in intensivem Austausch, ihre Übereinstimmungen überwiegen alle bestehende Differenzen.

Die Wurzeln davon liegen in Werten und Interessen die Israel und Deutschland teilen, nicht in Schuld oder Wut über die Vergangenheit.

Israel als wissensbasierte Wirtschaft und Deutschland als große Industrienation ergänzen gegenseitig ihre Stärken. So werden in Deutschland großartige Autos gebaut und Israel hat Technologien entwickelt, die im Zeitalter computerisierter Automobile entscheidend sind. Darum bauen viele Firmen aus Deutschland neue Standorte in Israel auf: um nah an den Innovationen zu sein, dem Markenzeichen von Israels Wirtschaft.

Wir müssen die Beziehungen auf die nächste Ebene bringen

Schauen wir weiter nach vorne. Wenn sich am 4. Oktober die Regierungen beider Länder zu Konsultationen in Jerusalem treffen, ist es wichtig einen langfristigeren Plan zu entwickeln, um die Beziehungen auf die nächste Ebene zu bringen. Besonders, weil wir in Israel wie auch in Deutschland einem Wechsel der Generationen entgegensehen.

Angela Merkel hat mit ihrem Grundsatz der Sicherheit Israels als Teil der Deutschen Staatsräson ein bedeutendes Konzept eingebracht, wie unsere Länder und Menschen zueinander stehen. Nun könnte eine tiefere Formalisierung dieses Prinzips zum Kompass für unsere künftige Reise werden. Im Gegenzug verpflichtet sich Israel in vergleichbarer Weise für die Sicherheit Deutschlands und seiner Bürger. Eine Partnerschaft in diesem Geiste wäre eine Erweiterung des bereits bestehenden Zusammenwirkens, besonders in den Bereichen Terrorabwehr, Innovation, und Cybersicherheit.

Im Nahen Osten müssen wir uns auf regionale Herausforderungen konzentrieren. Die fortlaufende Bedrohung durch Iran: nuklear, seine Rolle in der Region und auch mit Blick auf die Entwicklung weit reichender Raketen. Wir müssen uns tiefer gehend über die Lage in Syrien austauschen und darüber, wie wir Irans Stellvertreter von dort entfernen - parallel zu unserem Einsatz, moderate Regierungen in der Region zu stärken. Das beinhaltet auch die weitere Suche nach Frieden mit unseren Nachbarn, inklusive mit den Palästinensern.

In Europa müssen wir weiter dem Freund der furchtbaren Vergangenheit und dem heutigen Feind der Zukunft entgegentreten: Antisemitismus. Die negativen Gefühle gegenüber Juden und anderen Minderheiten bleiben auch in Deutschland ein Problem, das noch nicht in der Geschichte abgelegt wurde.

Dennoch sehen Israelis heute ein anderes Deutschland. Eines, mit dem sie eng in strategischen Fragen zusammenarbeiten. Und die Deutschen können ein Israel sehen, das zu ihrer Sicherheit beiträgt.

Um weiter negative Vorurteile auf beiden Seiten zu überwinden, müssen wir den Jugendaustausch zwischen beiden Ländern dramatisch erhöhen. So ein Austausch könnte eine Verkörperung von Merkels „Staatsräson“ in der Zivilgesellschaft werde. Auch würde sich so jüdisches Leben in Deutschland weiter entwickeln. Dies sind nur einige der Herausforderungen, vor denen beide Länder stehen. Jedes Unternehmen fängt mit Hoffnungen und Absichten an. Jetzt ist es an der Zeit, die Zukunft zu formen.

- Jeremy Issacharoff ist israelischer Botschafter in Berlin

Jeremy Issacharoff

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