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Die chinesische Botschaft in Berlin.

© Mike Wolff

Desinformation in der Coronakrise: Chinas verdeckte Einflussnahme in Deutschland

China wollte deutsche Regierungsbeamte zu positiven Äußerungen über Chinas Umgang mit der Pandemie bewegen. Dennoch wird Chinas Botschafter nicht einbestellt.

Für ausländische Diplomaten gehören Kontakte zu Regierungsvertretern ihres Gastlandes zum Alltagsgeschäft. Doch die Bemühungen Chinas in der Coronakrise gingen offenbar weit über die üblichen Gepflogenheiten hinaus: Die Vertreter der Volksrepublik versuchten, über Kontakte zu Beamten verschiedener Bundesministerien Einfluss auf die deutsche Bewertung des chinesischen Umgangs mit der Pandemie zu nehmen.

Die Bundesregierung habe „Kenntnis von einzelnen Kontaktaufnahmen chinesischer Diplomaten mit dem Zweck, öffentliche positive Äußerungen über das Coronavirus-Management der Volksrepublik China zu bewirken“, heißt es in einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Frage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Margarete Bause.

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Damit bestätigte die Bundesregierung einen Bericht der „Welt am Sonntag“, die auch über die Antwort zuerst berichtet hatte. Demnach hatte das Auswärtige Amt im März andere Ministerien darüber informiert, dass chinesische Diplomaten Beamte und Mitarbeiter von Bundesministerien kontaktiert hätten, um die deutsche Position zu beeinflussen. Zugleich soll das Amt dringend davon abgeraten haben, auf diese Anfragen einzugehen. Die chinesische Botschaft dementierte den Bericht über die versuchte Einflussnahme.

In seiner Antwort auf die parlamentarische Frage betonte Günter Krings (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, die Erfolglosigkeit der chinesischen Versuche: „Diesen Aufforderungen ist die Bundesregierung nicht nachgekommen.“

Grünen-Politikerin wirft der Bundesregierung „Leisetreterei gegenüber China“ vor

Allerdings enthält die Regierungsantwort kein Wort der Kritik an China – Krings hebt sogar die Leistungen der Volksrepublik im Kampf gegen das Coronavirus positiv hervor. Es gebe einen regelmäßigen Austausch mit chinesischen Diplomaten. „Die Bundesregierung hat dabei – nicht auf Aufforderung – die Anstrengungen gewürdigt, die die chinesische Regierung insbesondere seit dem 23.Januar zur Eindämmung von Covid-19 unternommen hat.“ Transparenz spiele bei der erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie eine zentrale Rolle, dies habe die Bundesregierung gegenüber der chinesischen Regierung deutlich gemacht.

Die Grünen-Abgeordnete Bause nannte die Antwort des Innenministeriums „enttäuschend“ und warf der Bundesregierung „Leisetreterei gegenüber China“ vor. „Es wäre angemessen, den chinesischen Botschafter einzubestellen, sich gegen die versuchte Einflussnahme zu verwahren und auf die sofortige Beendigung dieser Vorgehensweise zu bestehen“, sagte die menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen dem Tagesspiegel.

Der Botschafter wurde allerdings nicht ins Auswärtige Amt einbestellt. Nach Tagesspiegel-Informationen ist dies auch nicht geplant.

Hintergründe zum Coronavirus:

Auf die Frage, was die Regierung unternehme, um der chinesischen Propagandapolitik entgegenzuwirken, antwortete Staatssekretär Krings lediglich: „Zur Stärkung von Resilienzen gegenüber Einflussaktivitäten jeglicher Art wird seitens der Bundesregierung u.a. der Ansatz verfolgt, ein größeres Bewusstsein für das Thema Einflussnahme zu schaffen.“ Auch an dieser Stelle fiel kein kritisches Wort über das chinesische Vorgehen.

Nach Einschätzung des Auswärtigen Dienstes der EU setzt China in der Coronakrise auf Desinformation. In einem am Freitag veröffentlichten Bericht heißt es, verschiedene Regierungen, „einschließlich Russland und – in geringerem Ausmaß – China“, zielten weiterhin mit Verschwörungstheorien und Desinformationen auf die Öffentlichkeit in der EU.“ Es gibt auch Beweise für einen koordinierten Vorstoß offizieller chinesischer Quellen, von jeglicher Schuld am Ausbruch der Pandemie abzulenken.“ Teil dieser Kampagne sei auch die Veröffentlichung von Berichten über Hilfslieferungen.

Eine Lieferung mit Schutzausrüstung aus China kam in Sachsen an. Die Volkrepublik nutzt solche Lieferungen für Propagandazwecke.
Eine Lieferung mit Schutzausrüstung aus China kam in Sachsen an. Die Volkrepublik nutzt solche Lieferungen für Propagandazwecke.

© Jan Woitas/Zentralbild/dpa

Ursprünglich hatten Europas Diplomaten noch klarere Worte für das Vorgehen der Volksrepublik gefunden. In einem Entwurf des Berichts hieß es: „China hat die globale Desinformationskampagne fortgesetzt, um von der Schuld am Ausbruch der Pandemie abzulenken und sein internationales Image zu verbessern.“ Dabei würden sowohl offene als auch verdeckte Taktiken eingesetzt.

Diese Passage fehlt jedoch in dem nun veröffentlichten Bericht. China habe Druck ausgeübt, und daraufhin hätten Vertreter der EU den Text abgeschwächt, berichtete die „New York Times“ am Freitag. Der Sprecher des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), Peter Stano, wies dies als „unrichtig“ zurück. Wer den Bericht des EAD mit offenen Augen lese, werde sehen: „Wir beugen uns keinerlei ausländischem Druck und machen unseren Job, Desinformation und deren Akteure aufzudecken.“

Unstrittig ist allerdings offenbar, dass China Druck machte, um auf den Bericht der europäischen Diplomaten Einfluss zu nehmen und den Text in der ursprünglichen Fassung zu verhindern.

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