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Norbert Röttgen und Angela Merkel im Wahlkampf in NRW.

© picture alliance / dpa

Der vierte Mann für die CDU-Spitze: Auch Röttgen hat eine Rechnung mit Merkel offen

Hochintelligent - und davon überzeugt. Norbert Röttgen will der CDU mehr Stabilität bringen, bringt durch seine Kandidatur aber erstmal noch mehr Unruhe.

Bei der Münchener Sicherheitskonferenz am Wochenende war bereits aufgefallen, wie stark Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, für sich warb. Da dämmerte einigen bereits: In den Kreis der drei potenziellen Bewerber um den CDU-Vorsitz und die nächste Kanzlerkandidatur der Union könnte sich ein weiterer Mann aus Nordrhein-Westfalen einbringen.

Am Dienstag machte er es dann offiziell - und trat am Vormittag gleich noch in der Bundespressekonferenz auf. Das entspricht dem Selbstverständnis des Politikers aus Meckenheim bei Bonn.

Röttgen verbindet sowohl mit dem bisherigen Favoriten, dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet, als auch mit Kanzlerin Angela Merkel eine lange Geschichte. In Röttgens und Laschets Gegnerschaft liegt auch die Keimzelle dieser Überraschungs-Kandidatur, die das Verfahren noch komplizierter macht.

[Wie begründet Röttgen seine Kandidatur und was hat er vor? Lesen Sie hier über seine Auftritt vor der Bundespressekonferenz.]

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Die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte nach ihrer Rückzugsankündigung gesagt, sie wolle den Prozess der Kanzlerkandidatenfindung „von vorne“ führen. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Zumal ihr auch CSU-Chef Markus Söder am Montag dazwischen gegrätscht ist. Er hat klar gemacht, dass der nächste CDU-Vorsitzende nicht automatisch auch Kanzlerkandidat der Union wird – und dass beide Entscheidungen zeitlich voneinander zu trennen sind.

In Berlin macht Röttgen am Montag klar: Er will einen Sonderparteitag bis zum Sommer mit vorgeschalteter Mitgliederbefragung. Das ist geschickt, denn sonst droht er bei einer Auskungelei leer auszugehen. Er betont: „Ich bin bislang der erste und einzige, der seine Kandidatur erklärt hat. Insofern bin ich nicht der Vierte, sondern der Erste.“

AKKs Pläne haben Röttgen „nicht überzeugt“

Auch wenn er mit ihrer Politik („Nur Reagieren und Reparieren“) abrechnet, solle Merkel Kanzlerin bis 2021 bleiben, wenn er sich durchsetzen würde, da sie dafür gewählt sei.

Annegret Kramp-Karrenbauer wiederum kritisiert er scharf: „Das Verfahren hat mich nicht überzeugt. Das ist wie eine Jacke, wo man schon den ersten Knopf falsch knöpft.“ Und er betont: Er habe aus früheren Fehlern, gerade aus seiner schweren Niederlage 2012 als CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, gelernt. Der CDU-Vorsitzende habe traditionell auch das Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur, das sei dann Ende des Jahres mit der CSU zu klären.

Eine schwere Wahlniederlage gegen Hannelore Kraft

Röttgen hatte sich in Nordrhein-Westfalen 2010 gegen Armin Laschet in einem Mitgliederentscheid um den CDU-Vorsitz durchgesetzt. Er dachte da schon weniger landespolitisch. Für ihn war die Kandidatur verlockend, weil der Chef der NRW-CDU ein Machtfaktor in der Bundespartei ist, vielleicht auch ein Sprungbrett in das Kanzleramt. Doch dann gab es eine vorgezogene Neuwahl in Nordrhein-Westfalen, die Röttgen krachend gegen die SPD unter Hannelore Kraft verlor.

Röttgen hatte während des Wahlkamps immer offengelassen, ob er bei einer Wahlniederlage gegen Hannelore Kraft auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf gehen oder dann lieber Bundesumweltminister in Berlin bleiben wolle. Das Amt hatte er seit 2009 inne. Er war es, der nach Fukushima, den deutschen Atomausstieg vorangetrieben hatte.

In seinem Wahlkampf um das Ministerpräsidentenamt gab es viele Unzulänglichkeiten. Klugheiten statt Volksnähe, sogar wie widerwillig er in Bratwürste biss, wurden zum Politikum. Röttgen ist hochintelligent, aber seine Konkurrenten halten ihn auch für einen, der sich selbst gerne überschätzt. Nach der schweren Wahlniederlage in NRW schmiss ihn Angela Merkel 2012 aus dem Kabinett, sie traute ihm mangels Autorität nicht mehr die Durchsetzung der Energiewende zu. Unvergessen der Blick von Röttgens Frau Richtung Merkel bei der Entlassung im Schloss Bellevue.

Röttgen arbeitete sich im Hintergrund an Merkel ab

Röttgen, Vater von drei Kindern, fiel schon früh mit geschliffener Rhetorik und nüchternem Intellekt auf. So mauserte sich der promovierte Jurist zu einem der begabtesten Politiker Deutschlands. Er warb dafür, Politik aus den Augen unserer Kinder zu machen, statt Stückwerk abzuliefern und auf Sicht zu fahren. Seither hat er sich als Außenpolitiker profiliert, doch Merkel hielt ihn klein.

Wo ein Friedrich Merz offen gegen die Kanzlerin austeilt („grottenschlechte“ Regierung), arbeitete Röttgen sich im Hintergrund an Merkel ab. Zuletzt trieb er sie mit immer neuen Initiativen für einen Ausschluss des chinesischen Netzwerkausrüsters Huawei beim Aufbau des 5G-Datennetzes der Zukunft vor sich her.

Ende Juni rechnete er im Tagesspiegel-Interview mit Merkels Klimapolitik ab, warf ihr vor, das Thema sträflich vernachlässigt zu haben: „Wir haben die tagespolitische Opportunität und Bequemlichkeit höher gewichtet. Wir haben die Kraft nicht aufgebracht, an einem Thema dranzubleiben, das keine Konjunktur hatte, obwohl es existenziell blieb.“

Er kritisierte, es gebe „so ein Muster, Politik für den nächsten Wahltag zu machen“. Eine Breitseite gegen Merkel, der er einen Kurs der Beliebigkeit vorhält. Kurz vor dem Abgrund sei ein „Weiter so“ kein Rezept, mahnte er.

Merkel hat bereits mit Laschet die Lage sondiert

Wie Laschet und der dritte Mitbewerber, Gesundheitsminister Jens Spahn, war Röttgen Teil der schwarz-grünen Pizza-Connection. Während Merkel unter einem CDU-Chef Laschet, der NRW-Ministerpräsident bleiben würde, weiterhin Kanzlerin sein könnte, wäre das bei einem Erfolg ihrer Gegner Spahn, Merz oder Röttgen eher schwer vorstellbar. Da wundert es nicht, dass Merkel vergangenen Donnerstag bereits mit Laschet die Lage sondiert hat.

Doch Röttgens Hausmacht in der CDU ist nach seinem Scheitern in NRW überschaubar. Er geht mit seiner Kandidatur voll ins Risiko. Röttgen meint, die Lage sei so ernst, dass es um die Zukunft der CDU geht. Es brauche Stabilität für Deutschland. Vielleicht könnte zumindest das Versprechen für höhere Aufgaben dabei rausspringen. Erst einmal bringt er die CDU aber noch stärker in eine instabile Seitenlage. Denn dass Röttgen sich als Vorsitzender bewirbt, macht ein längeres Suchverfahren mit Regionalkonferenzen wahrscheinlicher – auch wenn seine Konkurrenten seine Kandidatur für aussichtslos halten.

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