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Die drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz

© Michael Kappeler/dpa

Der Überraschende, der Anecker, der Etablierte: Die drei Fragezeichen – wer wird der neue CDU-Chef?

Am Samstag entscheidet die CDU, wer ihren Vorsitz übernimmt: Röttgen, Merz oder Laschet. Die drei Kandidaten im Problem-, Altlasten- und Chancen-Check.

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Für großes Drama stand lange die SPD. Und Olaf Scholz kann ein Lied davon singen, dass viele "Bekenntnisse" führender Parteifreunde nicht unbedingt ein gutes Omen sein müssen bei der Bewerbung um den Parteivorsitz. Die CDU will an der Macht bleiben. Doch wer ist der beste Garant dafür? Auch bestens vernetzte Christdemokraten sind sich sehr unsicher, zumal keiner weiß, wie die Reden der Aspiranten wirken werden, welche Auswirkungen ein digitaler Parteitag hat, wo die Delegierten daheim am Frühstückstisch entscheiden. Beim Test der digitalen Abstimmung hießen die drei Kandidaten nicht Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet, sondern ganz treffend Rock, Pop und Klassik. Pop gewann. Wie haben sich die Bewerber im monatelangen Wahlkampf geschlagen, welche Stolperfallen gibt es und welche Chancen haben sie?

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Norbert Röttgen: Der Überraschende

Anfangs unterschätzt, hat er viele Sympathien gewonnen: Norbert Röttgen
Anfangs unterschätzt, hat er viele Sympathien gewonnen: Norbert Röttgen

© imago images/Eibner

  • Die Kandidatur

Mit 10000 Euro will es Norbert Röttgen an die Spitze der CDU schaffen. So viel hat seinen Angaben nach die Kampagne gekostet, bezahlt aus Spenden. Corona dämpft die Kosten, so saß der Mann aus Meckenheim monatelang vor seinem Laptop und tingelte vor allem virtuell von Kreisverband zu Kreisverband. Mit zwei Botschaften: Die CDU muss mehr Modernisierung wagen; Und: „Ich bin kein Lager“. Röttgen will der Kandidat jenseits der Seilschaften und Hinterzimmer sein.

Im Februar 2020 hatte er bei der Münchner Sicherheitskonferenz dezent ausgelotet, was andere von seiner Kandidatur halten. Er ist besorgt, wie es mit der CDU weitergehen soll, dazu die bröckelnde Brandmauer nach rechts.

Hier, im Kreise der Außen- und Sicherheitsexperten bekam er Gewissheit, dass er sich trauen will. Zwei Tage später verkündete er als Erster, dass er sich um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer bewirbt. „Das Verfahren hat mich nicht überzeugt, das ist wie eine Jacke, wo man schon den ersten Knopf falsch knöpft“, sagte er über ihren Versuch, im kleinen Kreis einen Kandidaten zu finden. Er wollte einen Sonderparteitag bis zum Sommer mit vorgeschalteter Mitgliederbefragung, um eine Chance zu haben – doch Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Anfangs als chancenloser Einzelkämpfer abgestempelt, gilt er nun als Überraschungsgewinner des Wahlkampfes.

  • Die Strategie

"Früher als andere haben Sie erkannt, dass es Zeit für die Energiewende ist", sagte Bundespräsident Joachim Gauck bei Röttgens Entlassung als Umweltminister im Mai 2012. Dabei warf seine Frau Ebba einen kühlen Blick in Richtung Angela Merkels, Röttgen ist der einzige Minister, den die Kanzlerin je rausgeworfen hat. Er hatte zuvor als CDU-Spitzenkandidat bei der NRW-Landtagswahl ein Fiasko erlitten. Von da an arbeitete er sich wieder hoch, konzentrierte sich auf die Außenpolitik. Er will keinen Bruch mit der Ära Merkel, aber mehr Klarheit und Weitsicht im Kurs.

Im CDU-Wahlkampf wucherte er mit seiner Expertise in der Außen- und Klimapolitik, war oft in Talkshows, da ihm die große politische Bühne fehlt. „Die CDU könnte eine ganze Generation für sich verlieren“, sagte er und forderte mehr ökologische Kompetenz. Er will Schwarz-Grün und war Treiber des Atomausstiegs. Zudem überraschte er mit einer Social-Media-Strategie, die ihn im Gespräch hielt.

Videos zeigten ihn abends einsam im Büro, beim nachdenklichen Bällewerfen gegen die Wand, er postete Koala-Bilder und profitierte von einer Schar junger Unterstützer. Dazu kamen dutzende virtuelle „Röttgen Rallys“. So erwarb er sich nach dem „Rezo“-Debakel der CDU auch den Ruf, die Digitalisierung voranzubringen. Er wirkt lockerer und nahbarer als früher - und punktet mit seiner Eloquenz und fachlichen Tiefe, gerade auch bei Frauen.

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  • Die Schwierigkeiten

Seine Abrechnung vor dem Parteitag mit der FDP war unklug und könnte ihm beim CDU-Wirtschaftsflügel geschadet haben. Röttgen hat zwar schon mal mit seiner rhetorischen Brillanz gegen Armin Laschet gewonnen, das Rennen um den CDU-Vorsitz in NRW 2010. Doch er scheiterte dann beim Volk.

Sein größter Fehler: Er ließ offen, ob er auch bei einer Niederlage nach Düsseldorf wechseln wolle. Danach wollte er lieber Bundesumweltminister bleiben. Das brachte ihm den Ruf des Karrieristen ein. Seitdem arbeitet er dagegen an – und war der Einzige, der klar sagte, er könne sich auch Markus Söder (CSU) als Unions-Kanzlerkandidat vorstellen. Was ihm viele wiederum als Schwäche auslegten. Und hätte er wirklich den Willen, sich intensiv um die Parteiarbeit zu kümmern, oder ist er nicht immer noch lieber ein Mann der Exekutive?

  • Die Chancen

Röttgen bleibt Außenseiter, er hat viel geworben und telefoniert, verfügte aber im Vorfeld nicht über so viele "sichere" Delegiertenstimmen. Aber könnte aber von der Schwäche der anderen profitieren. Dabei müsste er zuerst vor Laschet landen, beide stehen für einen ähnlichen Kurs. Wenn er statt Laschet in einen zweiten Wahlgang käme, könnte er plötzlich CDU-Chef werden – weil viele vor allem Merz nicht wollen.

Friedrich Merz: Der Anecker

Klares konservatives Profil, im zweiten Anlauf soll es klappen: Friedrich Merz
Klares konservatives Profil, im zweiten Anlauf soll es klappen: Friedrich Merz

© imago images/Agentur 54 Grad

  • Die Kandidatur

Als der Ex-Fraktionschef nach Angela Merkels Rückzug vom Parteivorsitz 2018 zum ersten Mal Interesse zeigte, war das eine ziemliche Überraschung. Merz war zwei Jahrzehnte aus der Politik heraus und verdiente bestens beim US-Vermögensverwalter Blackrock. Dass er Merkel die Entmachtung nie verziehen hatte, war allerdings unübersehbar. Wer in den Jahrzehnten ein bissiges Zitat gegen die Kanzlerin suchte, war bei Merz stets an einer ergiebigen Adresse.

Den neuen Anlauf, diesmal allseits erwartet, geht er strategisch an. Als einziger Kandidat beschäftigt er ein professionelles Team. Aus dem Berufsleben ausgeschieden, kann er sich auch voll dem Wahlkampf in eigener Sache widmen.

  • Die Strategie

Merz knüpft an seinen alten Ruf als Finanz- und Wirtschaftsexperte an und ergänzt ihn durch den Gestus eines Mannes, der in seinem Berufsleben die Welt gesehen habe. Damit spricht er seine Hausmacht im Wirtschaftsflügel an und präsentiert sich zugleich als die Besetzung für den ökonomischen Wiederaufbau nach der Coronakrise. Mit der Betonung auf „Führung“ und dem Versprechen, den konservativen Flügel einzubinden, bedient er Merkel-Gegner und ihre Sehnsucht nach dem starken Mann.

  • Die Schwierigkeiten

Seit Merkels Aufstieg zur Corona-Heldin der Deutschen ist ihm die Gegnerin abhandengekommen, gegen die zu sticheln ihm in der ersten Bewerbung den größten Beifall sicherte. Auch die Behauptung, er traue sich zu, die AfD zu halbieren, ist allenfalls in ostdeutschen Ländern noch ein zugkräftiges Argument. Dass die CDU einen völligen Neuanfang brauche, wirkt nicht mehr so einleuchtend wie vor zwei Jahren, als Merkel auf dem Tief- und die AfD auf einem Höhepunkt war.

Zu diesem strukturellen Problem kommt ein hausgemachtes: Der 65-jährige Sauerländer bestätigt durch unbedachte Sprüche etwa über Schwule oder Kurzarbeit, die faul machen könnte, immer wieder selbst das Bild eines im tiefsten Inneren gestrigen Mannes. Das macht seinen Gegnern Angriffe leicht und lässt selbst Christdemokraten, die ihm ideologisch gar nicht fern stehen, an seiner Tauglichkeit als Wahlkampf-Zugpferd zweifeln.

Dass mit dem CSU-Chef Markus Söder ein ebenso wortgewaltiger, aber jüngerer und moderner Anführer für die gesamte Union bereitstünde, macht es schwer, sich als einzige Alternative zur Fortsetzung des Merkel-Kurses zu präsentieren. Zumal jeder weiß: Wird Merz gewählt, lässt er dem Bayern nie den Vortritt.

  • Die Chancen

Merz selbst gibt sich vom eigenen Sieg vollkommen überzeugt. Er hatte genug Zeit, die Delegiertenliste einzeln durchzutelefonieren und jede und jeden persönlich zu bitten, ihm wenigstens in einem zweiten Wahlgang ihre Stimme zu geben.

Das kann sich auszahlen; Delegierte wollen umworben sein. Starken Zuspruch kann er aus dem Wirtschaftsflügel und den konservativen Verbänden in Ostdeutschland, der Jungen Union und im Südwesten erwarten. Auffällig ist, dass sich diesmal wenig Parteiprominenz offen auf seine Seite schlägt.

Armin Laschet: Der Etablierte

Gilt als Favorit vieler führender CDU-Politiker: Armin Laschet
Gilt als Favorit vieler führender CDU-Politiker: Armin Laschet

© imago images/Political-Moments

  • Die Kandidatur

Schon 2018 hatte sich Armin Laschet mit dem Gedanken getragen, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Damals ging er den Schritt nicht – aus Sorge, zwischen Düsseldorf und Berlin zerrieben zu werden. 2020, nach dem Scheitern von Annegret Kramp-Karrenbauer, war dafür schnell klar, dass er seinen Hut in den Ring werfen wird.

Den Auftakt zu seiner Kampagne machte der NRW-Ministerpräsident im Februar mit einem kleinen Coup. Eigentlich wollte an jenem Vormittag Friedrich Merz in der Bundespressekonferenz seine Kandidatur präsentieren.

Doch Laschet stahl ihm gleich doppelt die Show: Nicht nur, dass Laschet seinen Auftritt kurzfristig vor den von Merz geschoben hatte. Er brachte auch Gesundheitsminister Jens Spahn als Tandempartner mit. Merz kommentierte säuerlich: „Im richtigen Leben würde man von einer Kartellbildung zur Schwächung des Wettbewerbs sprechen.“

  • Die Strategie

Laschet gilt in seiner Partei als Liberaler. Im innerparteilichen Wahlkampf präsentierte er sich als einer, der die verschiedenen Strömungen der Partei integrieren könnte. In diese Strategie passt auch die Mini-Teamlösung mit Spahn. Laschet gibt den Versöhner, versteht das Zusammenführen von Land und Partei als wichtige Aufgabe.

Er verweist häufig auf seine Regierungserfahrung als Ministerpräsident und die Erfolge in NRW – was gleichzeitig auf die Defizite der anderen beiden Kandidaten zielt, die diese Erfahrung nicht haben. Was er vermitteln will: Mit ihm bleibt die CDU auf Erfolgskurs. Die Strategie führt aber auch dazu, dass mit seiner Kandidatur keine große Dringlichkeit oder Aufbruchstimmung verbunden ist. Laschet gilt als Mann für die Fortsetzung der Ära Merkel.

  • Die Schwierigkeiten

Nach Bekanntwerden seiner Kandidatur für den Parteivorsitz wurde Laschet schon als nächster Kanzlerkandidat gehandelt. Doch in der Pandemie häufte sich die Kritik an ihm. Eine Talksendung bei Anne Will im April brannte sich ins kollektive Gedächtnis ein: Laschet gestikulierte wild, forderte Lockerungen bei den Maßnahmen, warf Virologen vor, alle paar Tage ihre Meinung zu ändern.

An Laschet blieb das Etikett des Lockerers auch dann noch kleben, als es schon längst nicht mehr der Realität entsprach. Die Beliebtheit seines Tandempartners Spahn wuchs unterdessen, sodass einige hinter den Kulissen schon einen Rollentausch diskutierten. Von Laschets innerparteilicher Kampagne schien Spahn nicht überzeugt: „Wahlkampf heißt auch deswegen Wahlkampf, weil die Leute sehen wollen, dass man kämpft“, sagte er. Auch andere vermissten bei Laschet den sichtbaren Elan.

  • Die Chancen

In innerparteilichen Umfragen fiel Laschet zunächst sogar hinter den vermeintlichen Außenseiter Röttgen zurück. Jetzt sind sie wieder gleichauf. Zuletzt sprach sich eine ganze Reihe prominenter Funktionäre für Laschet aus. Ein Großteil der Delegierten aus NRW dürfte hinter ihm stehen. In der CDU glauben viele, dass es Laschet mit Merz in die Stichwahl schafft. Dann wird die große Frage sein, wie viele Röttgen-Unterstützer Laschet auf seine Seite ziehen kann.

So wird gewählt:

Weil das Parteiengesetz Wahlen per Internet noch nicht erlaubt, ist ein zweistufiges Verfahren notwendig. Die 1001 Delegierten geben zunächst auf einer als "Wahlkabine" eingerichteten Webseite ihre Stimmen ab.

Bekommt kein Kandidat die absolute Mehrheit, gehen die zwei Bestplatzierten in die Stichwahl. Faktisch steht danach der neue CDU-Chef fest, rechtlich muss er per Briefwahl bestätigt werden. Auf dem Briefwahlzettel steht dann nur noch ein Name.

Dieses Ergebnis soll am 22. Januar verkündet werden - schon ab Ergebnisverkündung der digitalen Abstimmung dürfte due Debatte um die zweite große Frage losgehen, ob der neue CDU-Chef auch Kanzlerkandidat der Union werden soll, um zu versuchen, das Erbe von Angela Merkel anzutreten.

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