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Die Kohle verliert zumindest in China derzeit etwas an Bedeutung. In Jänschwalde dampfen die Kühltürme noch. Doch wie lange noch, darüber wird derzeit intensiv gestritten.

© Patrick Pleul/dpa

Der Streit um die Braunkohle: Kohle als Auslaufmodell?

In China nimmt die Bedeutung der Kohle zum ersten Mal seit Jahrzehnten ab. In Indien dagegen kommt mehr und mehr Kohle zum Einsatz. Und in Deutschland braucht es einen Kohledialog, argumentiert Professor Martin Jänicke. Ein Kommentar.

Wenige Güter haben eine so lange und so eindrucksvolle Erfolgsgeschichte wie die Kohle. Sie stand am Anfang der Industrialisierung. Auch die Massenproduktion des 20. Jahrhunderts war ohne sie nicht möglich. Und selbst im Zeichen des Aufstiegs der erneuerbaren Energien im 21. Jahrhundert wurde eine „Renaissance“ der Kohle erwartet. Tatsächlich ist der weltweite Kohleverbrauch ständig gestiegen – auf 7823 Millionen Tonnen im Jahre 2013.

Ein plötzlicher Niedergang?

Doch plötzlich wird der Niedergang oder gar das Ende der Kohle beschworen. Für China, den größten Kohleproduzenten, heißt es nunmehr: „Die goldene Zeit der Kohle ist vorbei“, sagt der Vizedirektor des führenden chinesischen Kohleforschungsinstituts. Der dramatisch gestiegene Kohleverbrauch ging 2014 erstmals leicht zurück. Kohlegruben mussten schließen. Ein großer Teil von ihnen ist unrentabel. In den Häfen staute sich die Importkohle, deren Abnehmer ausfielen. Von Indonesien, einem der wichtigsten Exporteure der Welt, hieß es schon 2012, dass die dortige Kohle eine Industrie im Niedergang, eine „sunset industry“, sei (Jakarta Post 27.2.2012). In den USA geht die Kohleverstromung zurück. In Europa sind bis 2014 Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von fast 24 000 Mwgawatt stillgelegt worden. Die Aktien der großen Kohlegesellschaften brechen ein, seit 2011 um mehr als zwei Drittel.

Gründe der Kohlekrise

Was ist los mit diesem erfolgsgewohnten Energieträger? Die Konkurrenz des billigen Erdgases in den USA ist nur einer der Gründe. Sie hat das Kohleangebot auf dem Weltmarkt erhöht. Dass China seine dramatisch gestiegenen Importe seit August 2014 verringert, erhöht das Angebot zusätzlich. Das Land will 2016 einen landesweiten Emissionshandel einführen. Es besitzt inzwischen einen progressiven Stromtarif für Haushalte, der das Stromsparen fördern soll. Zwölf Provinzen beschlossen, bis 2020 rund 655 Millionen Tonnen Kohle weniger einzusetzen.

China erstickt in Kohleemissionen

Die Gründe für Chinas späte Umkehr haben es in sich: Es geht um die vom Bürger nicht mehr hingenommene Umweltbelastung durch Kohlekraftwerke. Es geht aber auch um deren hohen Kühlwasserverbrauch in einem Lande, in dem zwei Drittel der Städte Probleme mit der Wasserversorgung haben. In Peking ist die Luft oft so schlecht, dass die Menschen kaum noch Luft bekommen. Und es geht um die ungewollte Importabhängigkeit bei der Kohle: China produziert nicht nur die Hälfte der Kohle der Welt - 3561 Millionen Tonnen im Jahre 2013 - es importierte auch noch 327 Millionen Tonnen des Energieträgers. Hinzu kommt der rasante Ausbau der Wind und Solarenergie. Und natürlich auch der internationale Druck in Sachen Klimaschutz.

Das sind Gründe, die der Kohle auch anderswo Probleme bereiten. Es sind nicht die einzigen Gründe; auch die niedrigeren Kohlepreise haben viele Kohlekonzerne in Schwierigkeiten gebracht und beispielsweise in Australien zur Entlassung von mehr als 2000 Beschäftigten geführt.   

Klima, Quecksilber, Arsen   

Die Umwelt- vor allem aber Klimapolitik sind aber neuerdings ein realer wirtschaftlicher Einflussfaktor geworden. Bei der Umweltpolitik sind es nicht nur die klassischen Schadstoffe, die Gegenmaßnahmen erzwingen. Es geht auch um die neuerdings stärker in den Blick geratenen Emissionen von Quecksilber oder Arsen, die neben den Gesundheitsfolgen eine breite Bodenbelastung zur Folge hatte. In den USA, aber auch in China haben entsprechende Regelungen den Kohlestrom verteuert. Hinzu kommt, dass on-shore Wind-Anlagen und die Solarenergie zunehmend zu Konkurrenten dieser Form der Stromerzeugung geworden sind. Und schließlich gibt es immer mehr Banken, die endsprechende Investitionen als zu riskant einstufen. Die Kohlereserven werden im Zeichen der um sich abzeichnenden globalen Klimaziele ebenfalls neu bewertet. Es könnte sein, dass zwei Drittel der Kohle in der Erde bleiben müssen. Die bisherigen Reserveschätzungen setzten ja immer voraus, dass eine effektive Klimapolitik letztlich nicht stattfinden, die Kohle also verbraucht würde. Diese Annahme wird zunehmend aufgegeben. Die relevanten Wirtschaftsinstitutionen (Weltbank, OECD) rechnen heute damit, dass die Klimapolitik die fossilen Energien zurückdrängen wird. Hinzu kommen immer mehr Investoren wie zum Beispiel große Rentenfonds, die ihre Beteiligungen an fossilen Unternehmen abstoßen (sogenanntes Divestment). Das ist einer der Gründe für den Kursverfall der Kohleminen.       

Kein rasches Ende 

Dennoch würde es Wunder nehmen, wenn der Siegeslauf dieses Energieträgers ein rasches Ende nähme. In Indien wird derzeit verstärkt auf Kohle gesetzt, obwohl die erneuerbaren Energien auf einem Erfolgspfad sind und massiv gefördert werden. Der leichte Rückgang des Kohleverbrauchs in China ändert wenig an dem extrem hohen Verbrauchsniveau – rund 60 Prozent des weltweiten Verbrauchs. Über die weitere Entwicklung in diesem Land gibt es zudem unterschiedliche Informationen. Es muss auch damit gerechnet werden, dass die Kohleinteressen ihre hohe Durchsetzungsmacht nicht einfach verlieren. Schließlich handelt es sich hier um ein Interesse, dass immer auch die Arbeitnehmerorganisationen einschließt. In China kommt hinzu, dass die Chefs der staatlichen Kohlekonzerne den Status von Ministern und direkten Zugang zum Politbüro haben.

Ein plötzliches Ende der Kohle müssen die Beteiligten weltweit nicht befürchten. Der Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft ist ein langer Weg. Die die Kohle wird ihn noch lange begleiten. Nur eben in immer geringerem Maße. Es bleibt also Zeit genug, um in einem breiten Kohledialog Alternativen für die Betroffenen zu entwickeln.

Der Autor war der erste Leiter der Forschungsstelle Umwelt und Politik an der Freien Universität Berlin. Derzeit ist er Senior Fellow am Nachhaltigkeitsinstitut IASS in Potsdam.

Martin Jänicke

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