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Thronfolger bin Salman will sein Land in die Moderne führen. Oppositions duldet er allerdings nicht.

© Sam Bloxham/imago/Motorsport Images

Der Prinz und der Khashoggi-Mord: Saudische Charmeoffensive

Nach dem Khashoggi-Mord vor drei Jahren war Mohammed bin Salman lange Zeit isoliert. Nun versucht der Kronprinz, sein Image aufzupolieren. Mit Erfolg?

Als wäre nie etwas gewesen. Freudestrahlend umarmt der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad al Thani, am Flughafen von Doha seinen Gast, den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Die herzliche Begrüßung am Mittwochabend ist der symbolische Neuanfang einer jahrelang gestörten Beziehung beider Länder – und Zeichen einer saudischen Charmeoffensive, die den Nahen Osten verändern dürfte.

Drei Jahre nach der weltweiten Entrüstung über den Mord an dem Dissidenten Jamal Khashoggi wird Kronprinz Mohammed, genannt MBS, mehr und mehr zur Schlüsselfigur in der Region. Das stellt den Westen – und die neue Bundesregierung – vor Herausforderungen.

Die Kehrtwenden des Prinzen

Noch vor einem Jahr betrachtete MBS das kleine Emirat Katar als gefährlichen Störenfried. Unter seiner Führung hatten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Ägypten 2017 alle Kontakte zu Katar abgebrochen und die Grenzen geschlossen.

Als Bedingung für eine Aufhebung der Blockade forderten sie die Schließung des Senders Al Dschasira zaund eines türkischen Militärstützpunktes sowie ein Ende der Unterstützung des Emirats für die islamistische Muslimbruderschaft. Katar weigerte sich und überstand den Boykott mit Hilfe der Türkei und des Iran.

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Anfang des Jahres hob MBS die Blockade deshalb auf. Als De-Facto-Herrscher über Saudi-Arabien hat der Prinz auch Gespräche mit dem Erzfeind Iran angestoßen. Die Kontakte dienen vor allem dem Ziel, den desaströsen saudischen Krieg gegen die von Teheran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen ohne Gesichtsverlust für den Prinzen zu beenden.

Das Verhältnis zu Israel hat sich ebenfalls verbessert. Bin Salman hatte schon vor drei Jahren in einem Interview das Existenzrecht des jüdischen Staates anerkannt – als erster hochrangiger Vertreter seines Landes. Der saudische Prinz sieht in Israel vor allem einen Verbündeten im Kampf gegen den gemeinsamen Rivalen Iran.

Ein Tabubruch? Frankreichs Präsident zu Besuch beim saudischen Thronfolger bin Salman in Dschidda.
Ein Tabubruch? Frankreichs Präsident zu Besuch beim saudischen Thronfolger bin Salman in Dschidda.

© Bandar Algaloud/Courtesy of Saudi Royal Court/Reuters

Jerusalem und Riad sollen Berichten zufolge inzwischen auf mehreren Ebenen zusammenarbeiten. Auch von einen Geheimbesuch bin Salmans in Israel war schon die Rede. Vor gut einem Jahr soll der damalige Premier Benjamin Netanjahu den saudischen De-Facto-Herrscher in der geplanten Mega-Stadt Neom getroffen haben, was allerdings von saudischer Seite dementiert wurde.

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Kein Wunder. Noch scheut der Prinz davor zurück, den Beziehungen zum jüdischen Staat einen offiziellen Anstrich zu geben. Zum einen, weil er seinen betagten Vater, König Salman, brüskieren würde. Zum anderen ist die Israelfeindschaft in Saudi-Arabien nach wie vor verbreitet.

Die Konkurrenz mit den Emiraten

Die Suche nach Verbündeten und die neue Flexibilität der saudischen Außenpolitik hängen eng mit der wachsenden Konkurrenz mit einem bisherigen Partner zusammen. Jahrelang war VAE-Kronprinz Mohammed bin Zayed der wichtigste politische Verbündete von MBS. Nun kommen sich die Thronfolger immer häufiger in die Quere, weil ihre Länder die Grundlagen für eine Zukunft nach dem Ende des Ölzeitalters legen und in Hochtechnologie und Finanzwirtschaft führend werden wollen.

Die Emirate haben dabei einen großen Vorsprung, doch Prinz bin Salman setzt alles daran aufzuholen – teilweise mit recht ruppigen Mitteln. So will er internationale Unternehmen ab 2024 nur noch dann von lukrativen Staatsaufträgen profitieren lassen, wenn sie ihren regionalen Hauptsitz nach Saudi-Arabien verlegen.

Das Gesetz ist eine offene Kampfansage an den Wirtschafts- und Finanzstandort VAE. Inzwischen sind nach saudischen Medienberichten mehr als 40 Unternehmen dem Ruf des Prinzen gefolgt.

Die verblassende Erinnerung an den Khashoggi-Mord

Ein Killerkommando aus Saudi-Arabien tötete im Oktober 2018 den MBS-Kritiker Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Nach Erkenntnissen von US-Geheimdiensten und UN-Ermittlern stand bin Salman hinter dem Mord. Lange vermieden internationale Spitzenpolitiker deshalb Treffen mit MBS.

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Doch inzwischen ist er wieder ein gefragter Gesprächspartner. Vor wenigen Tagen besuchte der französische Präsident Emmanuel Macron den Thronfolger – als erster westlicher Staatsmann seit Khashoggis Tod. Macron ging es bei dem Besuch darum, einen Streit zwischen Saudi-Arabien und dem Libanon beizulegen.

Als ehemalige Protektoratsmacht des kleinen Landes am Mittelmeer beansprucht Frankreich eine Führungsrolle bei den Bemühungen, Libanons schwere Staats- und Wirtschaftskrise zu überwinden. Dazu braucht Macron saudische Hilfe.

Der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi wurde Anfang Oktober 2018 in Istanbul ermordet.
Der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi wurde Anfang Oktober 2018 in Istanbul ermordet.

© Sarah Silbiger/Reuters

Trotz dieser Erfolge bleibt der Khashoggi-Mord eine Hypothek für Prinz bin Salman. Die französischen Behörden nahmen jüngst einen saudischen Staatsbürger unter dem Verdacht fest, am Mordkomplott beteiligt gewesen zu sein. Zwar stellte sich heraus, dass die Beamten wegen einer Namensgleichheit den falschen Mann festgesetzt hatten.

Menschenrechtler begrüßten die Festnahme dennoch als Warnschuss für Riad. Es sei ermutigend, dass die internationale Gemeinschaft die Suche nach den Schuldigen für Khashoggis Tod ernst nehme, sagte Sarah Leah Whitson, Chefin der von Khashoggi gegründeten Organisation Dawn, der britischen Zeitung „Guardian“. Khashoggis Mörder wüssten jetzt, dass sie zumindest in Europa mit Strafverfolgung rechnen müssen. MBS, der ein Luxus-Anwesen bei Paris besitzt, wird sich also vorläufig kaum in Frankreich blicken lassen.

Auch deutsche Politiker werden wohl vorerst einen Bogen um den Prinzen machen. Davon geht zumindest Sebastian Sons aus. „Dass Macron ein Vorbild für Außenministerin Annalena Baerbock oder gar Kanzler Olaf Scholz wird, halte ich für unwahrscheinlich“, sagt der Saudi-Arabien-Experte von der Denkfabrik Carpo.

Sons rät Deutschland, beim Klimaschutz, erneuerbarer Energien und Entwicklungspolitik mit Saudi-Arabien zusammenzuarbeiten. „Dies hätte den Vorteil, dass sich die Bundesregierung nicht die Finger verbrennt. Würde man dagegen über den Export von Rüstungsgütern nachdenken, hätte gerade die grüne Außenpolitik ein echtes Legitimationsproblem.“

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