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Politik: Der Premier im Elchtest

Schwedens Ministerpräsident Persson hat die Arbeitslosigkeit halbiert – dennoch muss er heute um seine Wiederwahl bangen

Von Sven Lemkemeyer

Dabei war doch eigentlich alles klar. Niemand in Schweden, nicht einmal die politischen Gegner, hatten Zweifel daran, dass die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Göran Persson die Wahlen gewinnen würden. Doch wenn die 6,5 Millionen Stimmberechtigten am heutigen Sonntag ihr neues Parlament wählen, ist aus dem sicher geglaubten Sieg eine Zitterpartie geworden. In nur zwei Wochen stürzten die Sozialdemokraten um bis zu sechs Prozent ab. Nach den Umfragen werden sie knapp das Resultat der Wahlen vor vier Jahren erreichen, bei denen sie 36,4 Prozent erhielten. Seit vier Jahren regiert Persson (53) das Land mit einer Minderheitsregierung, die von der ehemals kommunistischen Linkspartei und den Grünen gestützt wird. Und als entscheidende Frage gilt, ob die Grünen die Vier-Prozent-Hürde meistern. „Es wird aufregender, als wir erwartet haben“, sagt der Politikwissenschaftler Mikael Gillijam der Universität Göteborg.

Perssons Ausgangslage schien optimal. Schweden blickt auf vier Jahre anhaltenden Wirtschaftsaufschwung zurück. Wie der deutsche Kanzler hatte Persson bei seinem Amtsantritt eine Reduzierung der Arbeitslosenquote versprochen. Er legte sich sogar auf eine Halbierung der Zahlen von acht auf vier Prozent fest – und konnte sein Versprechen im Gegensatz zu Schröder halten.

Auch Perssons persönliche Popularitätswerte stiegen. Galt der von Medien als „Büffel“ titulierte Persson zu Beginn seiner Amtszeit als arrogant und selbstgerecht, präsentierte er sich zunehmend von einer spielerischen Seite. Noch im Frühjahr hatte er bei den Umfragen Traumwerte erzielt: 45 Prozent der Wähler hätten ihm damals ihr Vertrauen ausgesprochen – nach dem Rechtsruck in Europa schien Schweden die letzte klassisch sozialdemokratische Bastion zu sein. Seit Kriegsende stellten bürgerliche Parteien nur 1976 bis 1982 und 1991 bis 1994 die Regierung in Stockholm.

Für den Einbruch machen Meinungsforscher die zunächst fehlende Spannung und die Wahlmüdigkeit unter den Anhängern der Sozialdemokraten verantwortlich. Viele seien verunsichert, weil Persson in Fragen der Steuer- und Gesundheitspolitik keine klaren Aussagen machte. Statt Akzente zu setzen, trat er als milder Landesvater auf und machte mal dieser, mal jener Bevölkerungsgruppe Versprechungen.

Für Aufregung im themenarmen Wahlkampf sorgte die rechtsliberale Volkspartei, die lange Zeit an der Vier-Prozent-Hürde zu scheitern drohte. Ihr eher blasser Spitzenkandidat, Lars Leijonborg, machte entgegen anders lautenden parteiübergreifenden Absprachen in den letzten Wochen die Einwanderungspolitik zum Thema. Er forderte, Ausländer müssten vor ihrer Einbürgerung eine Sprachprüfung bestehen. Die Umfragewerte der Liberalen schnellten auf 13 Prozent. Damit ist die Partei hinter Sozialdemokraten und Moderaten (19 Prozent) zur drittstärksten Kraft im Land avanciert.

Als Hindernis für einen Regierungswechsel werten Beobachter, dass die vier Oppositionsparteien sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. „Ich bin der einzige Ministerpräsident der demokratischen Welt, der zur Wahl geht, ohne einen Gegenkandidaten zu haben“, höhnte Persson. Als aussichtsreicher Bewerber auf den Chefposten einer konservativen Regierung galt Bo Lundgren, der Vorsitzende der Moderaten. Doch ihm wird vorgeworfen, er habe sich nicht als Spitzenkandidat des bürgerlichen Lagers profilieren können. Parteiintern heißt es, Lundgren sei nie aus dem Schatten seines Vorgängers Carl Bildt herausgetreten.

Aber sich nur auf die Fehler seiner Gegner zu verlassen, schien dem jetzigen Ministerpräsidenten dann doch zu gefährlich. „Ich bin nicht besorgt, aber nervös“, gestand Persson – und absolvierte mehr Wahlkampftermine als eigentlich geplant.

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