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Auf dem Nato Gipfel in London treffen sich Angela Merkel und Donald Trump zu einem bilateralen Gespräch.

© Michael Kappeler/dpa

Der Nutzen des Verteidigungsbündnisses: Wieso es die Nato noch immer braucht

Das Jubiläum der Allianz wäre Gelegenheit gewesen, den Nutzen der Nato zu erklären. Bürger spüren, dass die Welt um sie immer bedrohlicher wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Als Schauspiel hatte der Nato-Gipfel hohen Unterhaltungswert. Donald Trump tritt plötzlich als Fan der Allianz auf – vor drei Jahren hatte er sie noch für „obsolet“ erklärt. Jetzt heißt der Störenfried Emmanuel Macron. Seine „Hirntod“-Diagnose irritiert die Partner. Dazu testet Recep Tayyip Erdogan sein Erpresserpotenzial als Scheinverbündeter auf Abwegen. Aber ist das der Zweck einer Militärallianz: innere Zwistigkeiten als großes Theater vorzuführen?

Die Feier zum 70-jährigen Bestehen wäre eine Gelegenheit gewesen, den praktischen Nutzen der Nato zu erklären. Wie sie äußeren Gefahren begegnet und Sicherheit schafft.

Das hat sie ebenso verpasst, wie auch die Bundesregierung es versäumt, ihren Bürgern anschaulich zu machen, warum sie demnächst 50 Milliarden Euro pro Jahr für Verteidigung ausgeben sollen. Wo, bitte, ist der Feind?

Im Kalten Krieg stand ein hochgerüsteter Gegner jenseits des Eisernen Vorhangs. Die neuen Bedrohungen sind vielfältig. Sie sind nicht so greifbar wie Panzerarmeen, Flugzeuggeschwader und Atomraketen. Die neuen Feinde sind Instabilität und der Verlust der regelbasierten Ordnung.

Russland verändert Grenzen mit Gewalt

Auch die Welt von 1989/90, als Freiheit und Demokratie auf dem Vormarsch waren und viele auf eine lange Friedensära hofften, existiert nicht mehr. Russland verändert Grenzen mit Gewalt, setzt Killer auf Oppositionelle im In- und Ausland an, auch in Berlin, und manipuliert Wahlen in westlichen Ländern. China liberalisiert sich nicht weiter.

Es unterdrückt Freiheit in Hongkong und die Uiguren, schränkt die freie Schifffahrt durch den Ausbau künstlicher Inseln im Chinesischen Meer ein, schließt seine Bürger vom freien Informationsfluss aus und nutzt die Fortschritte im Digitalen zur Überwachung. In Afrika, im Nahen und Mittleren Osten wachsen die Gefahren durch Diktaturen, gescheiterte Staaten, Bürgerkriege, Terrorismus, Migrationsdruck. Viele Staaten üben sich in Cyberangriffen auf Energieversorgung, Geldverkehr, Unternehmen.

Die Bürger spüren Unsicherheit

Die Bürger spüren, dass die Welt um sie unsicherer wird, dass ihre Lebensart, ihr wirtschaftlicher Erfolg und ihr Wohlstand bedroht sind. Die fußen auf freier Information, freiem Warenverkehr, sicheren Exportwegen und einer verlässlichen Handelsordnung. Es erklärt sich freilich nicht von selbst, wie die Nato und wie höhere deutsche Verteidigungsausgaben vor diesen Gefahren schützen.

Das muss die Politik tun. Im Kern des Gesellschaftsvertrags verspricht der Staat den Bürgern Sicherheit. Er unterhält Streitkräfte, um sie vor Angriffen, aber auch Erpressung durch Stärkere zu schützen – „um nicht herumgeschubst zu werden“, wie Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe gerne Richard von Weizsäcker zitiert. Im Bündnis ist das effektiver und preiswerter als allein. Die Botschaft lautet: Wir wollen im Frieden auskommen; wer uns aber bedroht, muss sehen, dass wir uns wehren können und der Preis hoch sein wird. Abschreckung ist das eine. Die Fähigkeit, Druck auszuüben, um Kriege zu beenden, das andere.

Kann Europa das heute? Wie will es Syrien befrieden, wenn es nur Aufbauhilfe anbieten, nicht aber Friedensfeinde einschüchtern kann?

Nach Jahren des Beschweigens muss die Politik Tacheles reden: Dies sind die Bedrohungen; die folgenden Fähigkeiten müssen wir haben, um sie abzuwehren; das ist der deutsche Beitrag, und das sind die Kosten. Damit es friedlich bleibt.

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