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Wie im Koalitionsvertrag vereinbart: Kanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner (links) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) machen mehr Schulden für mehr Investitionen.

© imago images/Political-Moments

Der Nachtragsetat der Ampel: Verwegene Milliarden-Operation

Die neue Regierung startet mit einer massiven zusätzlichen Schuldenaufnahme - nach dem Motto: Augen zu und durch. Es ist ein riskantes Vorhaben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Die Ampel macht sich an die Arbeit. Im Kabinett gab es am Montag zwar nur einen einzigen Tagesordnungspunkt zur Gesetzgebung. Aber es war ein gewichtiger, eine Art Vorzeichen für die gesamte Wahlperiode. Finanzminister Christian Lindner legte den zweiten Nachtragshaushalt für 2021 vor. Mit dem wird der gesamte von der Groko vorgesehene Schuldenspielraum für dieses Jahr genutzt werden. Es sind stolze 240 Milliarden Euro. Rund 180 Milliarden davon sind pandemiebedingt schon belegt. Weitere 60 Milliarden Euro wird die Ampel nun per Nachtragsetat zusätzlich verfügbar machen.

Allerdings wird das Geld nicht mehr in diesem Jahr fließen. SPD, Grüne und FDP wollen es quasi zurücklegen. Die 60 Milliarden Euro sollen dem neuen Klima- und Transformationsfonds (KTF) zukommen, der bisher mit geringerem Volumen unter dem Namen Energie- und Klimafonds (EKF) lief. Dieser Nebenhaushalt soll das große Investitionsvehikel der Ampel werden. Ein Vorzeigeprojekt, das mit Ambitionen versehen ist – und nun auch mit sehr viel Geld.

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Schulden auf Vorrat sind eigentlich kein Projekt, das man von Politikern erwarten würde, die sich für haushaltspolitische Stabilität loben. Das war bei Olaf Scholz so, als er Finanzminister war. Und es war bei Christian Lindner so, als er in der Opposition saß und sich vornahm, dieses Amt zu übernehmen.

Zweifaches Risiko

Die neue Koalition geht mit diesem Vorgehen ein zweifaches Risiko ein. Das erste ist verfassungsrechtlicher Natur. Wird hier die Notlagenklausel der Schuldenbremse verletzt, indem Kredite für Vorhaben verwendet werden, die direkt mit der Pandemie nichts mehr zu tun haben, weil sie in der Zukunft liegen? Eine ähnliche Konstruktion gab es in Hessen, die ist dort unlängst vor dem Verfassungsgericht des Landes gescheitert. Im Bundesfinanzministerium heißt es, das eigene Vorgehen sei anders gelagert. Man habe auch gute Gründe. Einer lautet, die Schulden dienten dem Klimaschutz. Und habe Karlsruhe nicht angemahnt, der Staat müsse da mehr tun?

Ein weiterer Punkt mag hinzukommen: Im Gegensatz zu einem Bundesland wie Hessen hat der Bund die Aufgabe, Konjunkturpolitik zu machen. Die Wirtschaft ist wegen der Pandemie eingebrochen. Sie über kreditfinanzierte Ausgaben anzukurbeln, könnte beim Gericht – wenn es zu einer Klage käme – durchgehen. Aber riskant ist der Schritt.

Noch keine Details

Zumal mit der Einbringung des Etats noch nicht klar ist, wie das Geld im Detail ausgegeben werden soll. Auch hier ist quasi erst ein Vorratsbeschluss gefallen. Die Ampel wird zeigen müssen, dass der Fonds besser funktioniert als bisher.

Der EKF, über den eine Vielzahl von Investitionen und Fördermaßnahmen finanziert wird, machte auch schon mal Schlagzeilen, weil das Geld nicht abfloss. Im neuen KTF liegen bald 90 Milliarden Euro, das ist ein Viertel eines Bundesetats. Das ist das zweite Risiko. Investitionen anzukündigen, ist das eine. Investitionen auf den Weg zu bringen kann dagegen mühsam werden. Und nichts wäre schlimmer als der Eindruck, die Koalition habe beim Schuldenmachen eine leichte Hand gehabt, aber tue sich schwer beim Umsetzen von Vorhaben. Dieser Nachtragsetat ist eine etwas verwegene Operation nach dem Motto: Augen zu und durch.

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