zum Hauptinhalt
Die drei Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz.

© dpa / Michael Kappeler

Der Machtkampf in der CDU: Der Neuanfang kann auch zauberhaft schiefgehen

Wer wird neuer CDU-Chef? Und wer Unions-Kanzlerkandidat? Die Lage vor dem CDU-Parteitag ist komplex, kein Kandidat kann Zauber versprühen. Ein Kommentar.

Das Herz müsse bei jedem Lebensrufe bereit sein zum Abschied und Neubeginn, schrieb Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“. Denn: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Die CDU befindet sich sicherlich in einem der schwierigsten Jahre von Abschied und Neubeginn ihrer Geschichte.

Zauber will dem neuen Anfang bisher nicht innewohnen. Friedrich Merz zieht sich zwar für Magazinfotos grüne Jacketts an, irritiert aber immer wieder mit ungeschickten Einlassungen – und hat ein großes Überzeugungsproblem bei Wählerinnen. Armin Laschet entschuldigt fahrige, wenig kämpferische Auftritte mit dem zeitraubenden Management der Corona-Krise.

Einzig Norbert Röttgen hat positiv überrascht. Anfangs als eitler Solokämpfer geschmäht, hat er Boden gut gemacht, dazu eine frische Kampagne. Er hat das klarste Zukunftskonzept für eine Modernisierung der CDU.

Digitalisierung, Klimaschutz, das Mitnehmen der Bürger, die sich als Verlierer der Globalisierung und Pandemie fühlen: Hier gibt es den größten Aufholbedarf. Alle drei Kandidaten sind respektabel, keine Frage, Transatlantiker und überzeugte Europäer. Keiner will einen scharfen Bruch mit der Ära Merkel.

[Wenn Sie die wichtigsten News aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Merz ist der Favorit des konservativen, wirtschaftsliberalen Lagers, er wäre auch das größte Risiko, da er polarisiert. Markus Söder und die CSU haben nach einem scharfen Blinken nach rechts erkannt, dass ein moderater Modernisierungskurs, nah an den Menschen, der beste Weg ist. Aber die Union darf sich auch nicht von den Grünen die Agenda diktieren lassen, die Wut manches Bauern auf die in Berlin sollte da eine Warnung sein.

Merkel-Werte und Kohls Losung

Die rosigen Umfragewerte sind vor allem auch Merkel-Werte. Da kein Kandidat restlos überzeugt, hat sich die CDU die Philosophie der Merkelschen Schritt-für-Schritt-Politik zueigen gemacht. „Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, sagte schon Helmut Kohl. Hinten rauskommen soll nach der Bundestagswahl das Kanzleramt.

In der Coronakrise beliebt: Bundeskanzlerin Angela Merkel.
In der Coronakrise beliebt: Bundeskanzlerin Angela Merkel.

© John Macdougall/POOL afp/dpapa

Stufe 1: die Wahl des Nachfolgers von Annegret Kramp-Karrenbauer am Samstag. Ein Delegierter aus Hessen schätzt die Zahl derjenigen, die sich bezüglich ihrer Wahl bisher bedeckt halten, auf 50 bis 60 Prozent – die Wahl als Black Box. Zusätzlich spielt Corona eine entscheidende Rolle. Merz versemmelte es 2018 gegen Kramp-Karrenbauer mit einer denkbar schlechten Rede.

Überzeugte mit ihrer Rede: die scheidende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (Archivfoto).
Überzeugte mit ihrer Rede: die scheidende CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (Archivfoto).

© REUTERS/Kai Pfaffenbach

Die Eindrücke vor Ort, Emotionen, das Quatschen und persönliche Bearbeiten, sind entscheidende Faktoren, um unentschiedene Delegierte zu überzeugen. Das fällt beim Verfolgen des digitalen Parteitags am Laptop weg. Allenfalls könnten die Ehepartner am Frühstückstisch Delegierte durch persönliche Bewertungen der Reden beeinflussen.

[Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]

Egal wer gewinnt, entscheidend wird sein: dass sich alle nach der Wahl hinter dem Sieger versammeln. JU-Chef Tilman Kuban warnt bereits vor spalterischen Tendenzen, vor allem wegen der Spitzen gegen Merz. Die SPD mit vielen Vorsitzendenwechseln nach dem Ende der Ära Gerhard Schröder ist vielen aber eine Warnung.

Wird die K-Frage wie bei Strauß entschieden?

Stufe 2: Wer soll Kanzlerkandidat werden und gegen Olaf Scholz und wohl Annalena Baerbock antreten? Hier werden zwei mitreden, die sich viele eher als CDU-Chef hätten vorstellen können: Gesundheitsminister Jens Spahn und Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Am klarsten beansprucht Merz die K-Rolle für sich, sollte er gewinnen.

Röttgen hat am klarsten gesagt, er könne sich auch Markus Söder vorstellen. Gewinnt Laschet, hätte er gleich das Problem, dass sein Tandempartner Spahn als der bessere Kanzlerkandidat gesehen würde. Der verspricht ihm pflichtschuldig Treue, dürfte aber in die Tischkante beißen, dass er sich vor der Corona-Krise ins Laschet-Gefängnis begeben hat.

Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder Armin Laschet - wer wird neuer CDU-Chef?
Friedrich Merz, Norbert Röttgen oder Armin Laschet - wer wird neuer CDU-Chef?

© AFP

Die K-Operation birgt das Risiko, den neuen CDU-Chef gleich zu beschädigen. Warum, sollte es keine gütliche Einigung geben oder Söder auch zum Antreten gebeten werden, wählt man für einen fairen Prozess nicht das wichtigste Gremium, in dem CDU und CSU gemeinsam agieren? Die Bundestagsfraktion. 1979 wurde das so gemacht, als Franz Josef Strauß mit 135:102-Stimmen die Kandidatur gegen Ernst Albrecht gewann.

Die heikle Lage zeigt: Der Neuanfang kann auch zauberhaft schief gehen – oder wie es die Demoskopin Renate Köcher bei einer Fraktionsklausur sagte: „Sie können sich da richtig ins Knie schießen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false