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Beobachter der OSZE betrachten einen vollkommen zerstörten Bus an einem Busbahnhof im ostukrainischen Donezk.

© Alexander Ermochenko/dpa

Der Konflikt in der Ukraine: Militärisch verlieren, politisch gewinnen

Selbst wenn das Abkommen von Minsk weitgehend eingehalten würde: Die große Verliererin ist die Ukraine. Nun kommt es darauf an, dass sie Reformen umsetzt. Das wäre eine Niederlage für Putins Russland. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Die Ostukraine hat erstmals seit Monaten einen Tag relativer Ruhe erlebt. Kann das Abkommen von Minsk den Krieg beenden? Für so viel Optimismus gibt es leider noch keinen Anlass. Am Sonntag glaubte kaum jemand, dass die Waffenruhe wirklich hält. Die von Russland unterstützten Separatisten fühlten sich im umkämpften Debalzewe nicht daran gebunden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für ihre Friedensmission viel Lob bekommen. Die Minsker Vereinbarung selbst allerdings hält, vielleicht mit Ausnahme von Russlands Präsident Wladimir Putin, keiner der Verhandlungspartner für gelungen. Ein nüchterner Blick auf das Dokument von Minsk zeigt, dass dies nur zu berechtigt ist. Selbst wenn die meisten Punkte umgesetzt würden, stünde die Ukraine als Verliererin da.

Separatisten dürfen eine "Volksmiliz" gründen

Über die Separatistengebiete in Donezk und Luhansk hätte Kiew faktisch keine Kontrolle mehr. Das Abkommen von Minsk fordert zwar die „Entwaffnung aller illegalen Gruppen“, doch dies bleibt für die Separatisten folgenlos: Aus dem Kleingedruckten geht hervor, dass in Donezk und Luhansk eine „Volksmiliz“ gebildet werden darf.

Russland behält über seine Marionetten in der Separatistenführung weiter die Kontrolle über das Gebiet – und damit dauerhaft die Möglichkeit, die Ukraine zu destabilisieren. Die Kosten für das Separatistengebiet trägt aber nicht Moskau, sondern Kiew. Und die Kontrolle über die Staatsgrenze im Osten darf die Ukraine erst erhalten, wenn sie die Verfassung zugunsten der Separatistengebiete geändert hat. Ob diese Bedingung erfüllt ist, darüber entscheidet Russland mit.

Internationale Beobachter oder UN-Friedenstruppen werden gebraucht

Die Vereinbarung von Minsk wirft ein Schlaglicht auf die Schwächen der europäischen Sicherheitsordnung. Die OSZE soll den Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen überwachen. Doch die jetzige Mission ist nicht in der Lage, mehr als stichprobenartig zu kontrollieren. Bis eine neue, größere Mission eingesetzt würde, wäre die heikelste Phase des Friedensplans längst vorbei. Wer aber einen dauerhaften Frieden in der Ostukraine will, muss bereit sein, dort internationale Beobachter oder sogar UN-Friedenstruppen hinzuschicken. Die Ukraine lehnt die Entsendung von Friedenstruppen ab, Moskau sperrt sich gegen eine Überwachung der Grenze durch die OSZE. Und die Europäische Union? Sie schweigt zur größten Bedrohung der europäischen Nachkriegsordnung. Dabei gibt es durchaus Beispiele für ein mögliches Engagement: In Georgien wurde nach dem Krieg mit Russland eine EU-Beobachtermission eingesetzt, die bis heute vor Ort ist. Von solchen Überlegungen ist in Brüssel bisher nichts zu hören.

Europa sah viel zu lange tatenlos zu

Für die Ukraine bedeutet die Einigung von Minsk, einen „eingefrorenen Konflikt“ zu akzeptieren. Den Krieg im Donbass gegen die von Russland hochgerüsteten Separatisten hat Kiew damit verloren, die Krim kommt in dem Text nicht einmal mehr vor. Das ist eine tiefe Enttäuschung für das Land – und für Europa, das viel zu lange weitgehend tatenlos zusah. Nun kommt es darauf an, dass die Ukraine politisch gewinnt: dass sie endlich Reformen umsetzt und ein demokratischer Rechtsstaat wird. Das wäre am Ende dann doch eine Niederlage für Putins Russland.

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