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Ein Kämpfer in der selbst erklärten „Volksrepublik Donezk“ vor dem durch den Krieg weitgehend zerstörten Flughafen der Stadt.

© Alexander Ermochenko/Reuters

Der Konflikt in der Ukraine: Friedensplan ohne Frieden

Die Ostukraine kommt ein Jahr nach dem Minsker Abkommen nicht zur Ruhe. Kanzlerin Angela Merkel mahnt Kiew und auch Moskau, die Vereinbarung umzusetzen.

Fast ein Jahr ist die lange Nacht von Minsk bereits her. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande handelten im Februar 2015 in der weißrussischen Hauptstadt mit den Präsidenten der Ukraine und Russlands, Petro Poroschenko und Wladimir Putin, eine Vereinbarung aus, die den Krieg in der Ostukraine endlich beenden soll. Es war schon das zweite Abkommen von Minsk, nach einem ersten Anlauf im September 2014. Doch bis heute ist dieser Plan nicht umgesetzt. Das Thema bestimmte auch das Gespräch zwischen Poroschenko und Merkel am Montag in Berlin.

„Man muss sagen, dass wir nach wie vor leider keinen nachhaltigen Waffenstillstand haben“, sagte Merkel vor dem Treffen. Zugleich betonte sie, dass die Minsker Vereinbarung die Grundlage für das weitere Vorgehen bleibe. Die Kanzlerin erinnerte auch daran, dass die Sanktionen gegen Russland erst aufgehoben werden könnten, wenn Minsk umgesetzt ist. „Wir glauben, dass es für alle Beteiligten gut wäre, wenn Minsk umgesetzt und die Sanktionen aufgehoben würden. Aber so weit sind wir leider noch nicht.“

Der Anfang September begonnene Waffenstillstand in der Ostukraine wird oft gebrochen, im Donbass vergeht keine Woche ohne Zwischenfälle. „An der Frontlinie sterben immer noch Menschen“, sagte Poroschenko. Es gebe nur „partielle Sicherheit“.

Waffenstillstand wird täglich verletzt

Am vergangenen Freitag verzeichneten die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zahlreiche Verstöße gegen den Waffenstillstand. Sie registrierten in den Regionen um Donezk und Luhansk Explosionen, die von Artilleriegeschossen stammten, und Maschinengewehrfeuer. In der Ostukraine kämpften seit 2014 von Russland direkt mit Waffen und Kämpfern unterstützte Separatisten gegen ukrainische Truppen. In diesem Krieg wurden nach UN-Angaben mehr als 9000 Menschen getötet. Die Separatisten errichteten in Donezk und Luhansk zwei selbst erklärte „Volksrepubliken“, die international nicht anerkannt sind und von Russland am Leben gehalten werden. Poroschenko forderte vor seinem Treffen mit Merkel, dass sich auch Russland und die von Moskau unterstützten Milizen an das Minsker Abkommen halten müssten. Nur dann sei in der Ukraine die umstrittene Verfassungsreform umsetzbar. „Für Russland ist der Konflikt eine Möglichkeit, die Ukraine zu destabilisieren.“

In der Ukraine mehren sich Stimmen, die die Minsker Vereinbarung kritisch sehen. Eigentlich hätte das Abkommen bereits bis Ende vergangenen Jahres umgesetzt sein sollen. Doch der größte Teil des 13-Punkte-Plans ist von einer Umsetzung weit entfernt. In Kiew ist die geplante Verfassungsreform, die den Regionen Donezk und Luhansk Sonderrechte zugestehen soll, sowohl im Parlament als auch in der Gesellschaft hoch umstritten. Daran könnte am Ende sogar die Regierungskoalition zerbrechen. Im vergangenen August war es vor dem Parlamentsgebäude während einer Debatte über die Reform zu schweren Ausschreitungen gekommen, mehrere Sicherheitskräfte wurden getötet.

Neues Abkommen gilt als unwahrscheinlich

Deutschland und Frankreich drängen die Regierung in Kiew, die Minsker Vereinbarung vollständig umzusetzen, selbst wenn Russland seinen Verpflichtungen bisher nicht nachkommt. Westliche Diplomaten betonen, wenn die Ukraine das von ihr mitverhandelte Abkommen nicht umsetze, werde das Land in die Defensive geraten. Russland könnte dann Kiew die Schuld am Scheitern geben. Dass es ein drittes Minsker Abkommen geben könnte, gilt als unwahrscheinlich.

Putin benannte kürzlich einen neuen Verhandlungsführer für die Kontaktgruppe, in der Vertreter der Ukraine, Russlands und der Separatisten unter Vermittlung der OSZE zusammenkommen. Dass Putin den Ex-Innenminister und früheren Duma-Vorsitzenden Boris Gryslow mit den Minsker Gesprächen betraut, gilt als Zeichen dafür, dass der Kreml möglicherweise rasch Ergebnisse sehen will. In Arbeitsgruppen sollen Details zur Umsetzung von Minsk II besprochen werden, doch die Gespräche gestalten sich dem Vernehmen nach in manchen Bereichen mühsam. So hat sich die Arbeitsgruppe Politik auch in mehr als 30 Treffen nicht auf die Bedingungen für Lokalwahlen in der Ostukraine einigen können.

Die Abstimmung in den Separatistengebieten gilt derzeit als heikelster Punkt. Unklar ist beispielsweise, ob internationale Wahlbeobachter freien Zugang erhalten und dort auch alle ukrainischen Parteien antreten und Wahlkampf machen können. Auch die Frage, ob und wie die 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge wählen dürfen, zählt zu den Streitfragen.

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