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Christine Lambrecht, Olaf Scholz und Annalena Baerbock.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Der Kanzler auf dem Nato-Gipfel: In Madrid lobt Olaf Scholz sich selbst

Lange war er in der Debatte über Waffen für die Ukraine der Buhmann. Nun berichtet der Kanzler, dass seine „Zeitenwende“ den Takt vorgebe. Was ist passiert? 

Von Hans Monath

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schien sichtlich zufrieden mit den Ergebnissen des Nato-Gipfels in Madrid – und auch mit der Reaktion der Verbündeten auf seine Politik der „Zeitenwende“. Die „substanziellen deutschen Beiträge“ seien bei dem Treffen „sehr positiv gewürdigt worden“, meinte der SPD-Politiker in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Zuvor war er wochenlang von Teilen des Bündnisses und in der deutschen Debatte als Zauderer kritisiert worden.

Viele Partner hätten sich beim Erhöhen ihrer Verteidigungsetats an dem deutschen Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro orientiert, sagte der Regierungschef. Das deutsche Konzept einer Kampfbrigade für Litauen bei dem Bemühen, die Ostflanke der Nato gegen Russland zu stärken, habe ebenfalls Maßstäbe gesetzt.

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Es klang fast, als sehe der Kanzler die Forderung von SPD-Chef Lars Klingbeil, wonach Deutschland „Führungsmacht“ sein müsse, durch sein eigenes Handeln schon als erfüllt an.

Mit Blick auf das neue strategische Konzept der Nato meinte Scholz: „Neu ist der veränderte Blick nach Moskau.“ Im Vorgängerkonzept aus dem Jahr 2010 war Russland noch als möglicher strategischer Partner beschrieben worden. Nun wird das Land Wladimir Putins „als größte und unmittelbarste Bedrohung für Frieden und Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euroatlantischen Raum“ eingestuft.

„Wir leben in einer gefährlichen Welt, wir leben in einer unvorhersehbaren Welt, in der wir einen heißen Krieg in Europa haben“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Zugleich verwies er darauf, dass es die „Kernverantwortung“ des Bündnisses sei, eine Eskalation im Verhältnis zu Russland zu vermeiden. Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland kommen, werde die Welt „Leid, Tod und Zerstörung“ in einem Maßstab erleben, der schlimmer sei, als die Grausamkeiten und Zerstörungen des Krieges in der Ukraine. Deshalb unterstütze die Nato die Ukraine dauerhaft, sei aber nicht Teil des Krieges.

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Auch gegenüber China will sich das dem Namen nach („Nordatlantik-Pakt“) regional begrenzte Bündnis neu aufstellen. Vor zwölf Jahren wurde die asiatische Großmacht im strategischen Konzept gar nicht erwähnt. Nun heißt es: Chinas Ziele und seine Politik des Zwangs stellten „unsere Interessen, unsere Sicherheit und unsere Werte vor Herausforderungen“. Zudem widersprächen die engeren Verbindungen Chinas zu Russland den westlichen Interessen. Die Nato wirft die Nato China Angriffe auf ihre Mitglieder mit „bösartigen hybriden und Cyber-Operationen sowie seiner konfrontativen Rhetorik“ vor.

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Die USA und Großbritannien wollten China ursprünglich als „Risiko“ oder sogar „Gefahr“ bezeichnen. Unter Rücksichtnahme auf die Wirtschaftsbeziehungen von Ländern wie Deutschland und Frankreich mit China wurde die Formulierung aber abgeschwächt. Stoltenberg sagte, China und Russland wollten im globalen Süden „weiter politische Geländegewinne verbuchen“. Dem will die Nato dadurch entgegenwirken, dass sie ihre Anstrengungen zum Klimaschutz verstärkt und sich besser koordiniert, um Getreidelieferungen aus der von Russland blockierten Ukraine zu ermöglichen.

Am Vortag hatten die 30 Verbündeten einstimmig entschieden, die bislang neutralen skandinavischen Länder Finnland und Schweden aufzunehmen. Auch hier soll Deutschland nach dem Willen von Scholz vorangehen. Die Ratifizierung des Beitritts werde noch diese Woche beginnen und „sehr rasch“ abgeschlossen werden, kündigte der Kanzler an.

Der Nato-Generalsekretär spricht mit der eigentlichen Führungsmacht des Bündnisses: Jens Stoltenberg (links) mit US-Präsident Joe Biden.
Der Nato-Generalsekretär spricht mit der eigentlichen Führungsmacht des Bündnisses: Jens Stoltenberg (links) mit US-Präsident Joe Biden.

© Eliot BLONDET / POOL /AFP

In saloppem Ton wies der SPD-Politiker den Vorwurf Putins zurück, die Nato habe „imperiale Ambitionen“. „Das ist ziemlich lächerlich“, meinte er: „Tatsächlich ist es Putin, der Imperialismus zum Ziel seiner Politik gemacht hat.“ Die Nato sei eine defensive Allianz. Der russische Präsident hatte auf einer Auslandsreise erklärt, die Nato versuche durch den Ukraine-Konflikt seine „Vormachtstellung“ zu behaupten.

Im Hinblick auf die Reaktion Putins auf den Beitritt Finnlands und Schwedens gab sich Scholz gelassen. Das Bündnis könne davon ausgehen, dass er „nicht zu einer Verschärfung der Spannungen beiträgt“. Putin habe sich offensichtlich damit abgefunden. Ohne ins Detail zu gehen, sicherte er den neuen Mitgliedern für die Übergangsphase bis zur völkerrechtlichen Gültigkeit des Beitrags „Beistand“ zu.

Auf Wunsch von Gastgeber Spanien war es am Donnerstag in den Beratungen auch um die Gefahren gegangen, die aus den Regionen südlich der Nato ausgehen. Das neue strategische Konzept identifiziert auch den Terrorismus als eine Hauptbedrohung für die gemeinsame Sicherheit. Die UN warfen Spanien und Marokko unterdessen wegen der Todesfälle am Grenzzaun der spanischen Exklave Melilla „unangemessene Gewalt“ vor. Der Tod Dutzender Menschen sei „inakzeptabel“ und müsse „untersucht werden“, sagte ein Sprecher.

Der Tod der Migranten nach einem Massenansturm auf den Grenzzaun von Melilla hatte international für Empörung gesorgt. Rund 2000 Migranten hatten am Freitag versucht, über die Grenze zu gelangen. Dabei kamen mindestens 23 Migranten ums Leben.

Stoltenberg kündigte an, dass der Nato-Gipfel im kommenden Jahr in Litauen stattfinden soll und damit in einem der baltischen Staaten, die sich besonders bedroht fühlen. Auch diese Entscheidung soll ein Signal der Wehrbereitschaft an Russland senden.

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