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Politik: Der Herr der Mäuse - Wie Waffenhändler Karlheinz Schreiber von Toronto aus deutsche Politik macht

Seine Sätze hören sich an, als prahle ein pubertierender Jugendlicher auf dem Schulhof mit seiner Kraft. Und doch hat der Mann die Macht, unter deutschen Politikern Angst zu verbreiten.

Von Hans Monath

Seine Sätze hören sich an, als prahle ein pubertierender Jugendlicher auf dem Schulhof mit seiner Kraft. Und doch hat der Mann die Macht, unter deutschen Politikern Angst zu verbreiten. "Wenn Schäuble im Untersuchungsausschuss den gleichen Quatsch wie zurzeit erzählt, lasse ich den in so ein tiefes Loch fallen, dass man den Aufprall nicht mehr hört", rühmt sich Karlheinz Schreiber nun gegenüber dem "Stern". Der Waffenhändler, dessen Barspende in Höhe von 100 000 Mark den CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble in Bedrängnis gebracht hat, droht auch anderen Unionspolitikern. "Ich sitze wie die Katze auf der Kiste mit den Mäusen. Und überlege mir, welche ich als erste fresse", sagt er in dem Interview. Seine Prophezeiung lautet: "Ich werde am Ende als Sieger dastehen."

Der 65-jährige Geschäftsmann, der sich öffentlich solchen Größenphantasien hingibt, ist selbst ein Gejagter: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat gegen den heute in Kanada lebenden Waffenhändler einen internationalen Haftbefehl erlassen. Die Ermittler legen ihm zur Last, rund 20 Millionen Mark Steuern hinterzogen zu haben, und verdächtigen ihn der Bestechung. Weil der Mann mit dem Geldkoffer sich maßlos darüber ärgert, dass die Politik von seinen dubiosen Praktiken im Zusammenhang mit Waffengeschäften nun nichts mehr wissen will, wütet er von seinem Apartment im feinsten Viertel Torontos aus gegen die Union. "Ich bin eigentlich das Opfer meiner politischen Freunde, deren Wünsche ich erfüllen wollte", sagt er in gespielter Unschuld.

Schreiber hatte im August 1991 auf einem Parkplatz in der Schweiz einen Koffer mit einer Million Mark in bar an den Frankfurter Wirtschaftsprüfer und CDU-Berater Horst Weyrauch übergeben. Die Ermittlungen über diesen Transfer brachten die CDU-Spendenaffäre ans Licht. Schreiber bestätigt heute die Spende, bestreitet aber, dass die Zahlung jenes Panzergeschäft mit Saudi-Arabien in die Wege leiten sollte, das der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl im Bundessicherheitsrat gegen seinen Außenminister Genscher durchsetzte.

Schreiber, der "virtuose Einfädler" ("Süddeutsche Zeitung"), suchte die Nähe der Mächtigen. Er war ein Vertrauter von Franz-Josef Strauß, hielt besten Kontakt zu Spitzenpolitikern aus dem Bonner Verteidigungsministerium und vor allem zu Walther Leisler Kiep, dem langjährigen CDU-Schatzmeister. Mit Helmut Kohl will Schreiber mehrfach in kleinem Kreis verhandelt haben - es ging in diesen Gesprächen seiner Darstellung nach um ein deutsch-kanadisches Rüstungsprojekt. Im strukturschwachen Neuschottland wollte der Lobbyist mit Hilfe der Bundesregierung einen Produktionsstandort für einen leichten Schützenpanzer hochziehen - im Auftrag der damaligen Thyssen-Tochter Thyssen Henschel.

Kontaktknüpfer Schreiber hatte viele Kunden. Erste Adressen der deutschen Wirtschaft fanden die Ermittler in der Schreiber-Kartei, als sie am 5. Oktober 1995 seine Büros und seine Villa in Kaufering bei Landsberg durchsuchten. Auf seine Dienste verließen sich der französische Waffen-Multi Thomson CSF und der Airbus-Konzern, bei dem ihm Aufsichtsratschef Franz-Josef Strauß die Türen geöffnet haben soll. Auf ihn vertrauten der Liebherr-Konzern und die Firma Messerschmidt-Bölkow-Blohm.

Der Mann, der die deutsche Politik heute von Toronto aus seine Macht spüren lässt, kommt aus kleinen Verhältnissen. Seine Geschäftskarriere startete er als Teppichhändler. Als Produzent von Fahrbahnmarkierungen, so erinnerte sich Wolfgang Schäuble, habe sich Schreiber ihm im September 1994 vorgestellt - und tatsächlich betrieb der Kaufmann auch ein solches Unternehmen. Da allerdings nannte er sich schon längst "Berater für Marketingfragen sowie Lobbyist für Industrieunternehmen".

Für seine Lobbytätigkeit brachte der Bayer mit den guten Beziehungen zu deutschen Geheimdiensten und ehemaligen, inzwischen flüchtigen deutschen Staatssekretären wichtige Voraussetzungen mit. "Das ist ein Mann, den Sie niemals vergessen, wenn Sie ihn einmal getroffen haben: zupackend, jovial und undurchsichtig", beschreibt ihn Jörg Schönbohm, CDU-Chef in Brandenburg. In seinen vielen Fernsehinterviews versteht es der umtriebige Geschäftsmann noch heute, mit leutseligem Lächeln, blitzenden Augen und saloppen Bemerkungen sogar gewiefte Interviewer einzuwickeln.

Für das, was Schreiber selbst die "Pflege der politischen Landschaft" nennt, ließ er viele, viele Millionen springen - aus eigenen Kassen und aus solchen, die ihm Waffenschmieden und andere Unternehmen zur Verfügung stellten. So flossen bei dem Panzergeschäft, das er 1991 an die Saudis vermittelte, rund 220 Millionen Mark Provision und Schmiergeld.

Doch obwohl sich Schreiber seit dem Bekanntwerden des Spendenskandals fast regelmäßig öffentlich zu Wort meldet, hat er zur Aufklärung dieser Affäre bislang so gut wie nichts beigetragen. Eine Spende an Schäuble hatte Schreiber noch vor wenigen Wochen bestritten. Vor allem die Klärung der politischen Grundfrage hat der Lobbyist kein bisschen vorangebracht: Wollten seine Auftraggeber tatsächlich Regierungsentscheidungen kaufen? Und wenn ja: Hatten sie mit dieser Strategie auch Erfolg?

Nur einige wenige bayerische Spitzenpolitiker halten dem Dunkelmann der Parteispendenaffäre eisern die Treue. So weigert sich CSU-Generalsekretär Thomas Goppel, Schreiber die Freundschaft aufzukündigen. Den allerdings scheint das wenig zu beeindrucken. Bei der CSU, verkündete er, gebe es die gleiche Verschleierungspraxis wie bei der hessischen CDU: Spenden von mehr als 20 000 Mark würden gestückelt und Verstorbenen zugeschrieben, um ihre Herkunft zu verschleiern. Aber diese Enthüllung soll nicht der letzte Beitrag des Rachsüchtigen von Toronto zur deutschen Politik sein. Die "ganz große Bombe", so droht er, will er erst noch platzen lassen.

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