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Sigmar Gabriel.

© Jens Büttner/dpa

Der frühere SPD-Chef und seine neuen Aufgaben: Warum der Einstieg von Gabriel bei polnischem Konzern scheiterte

Sigmar Gabriel und seine Nebenjobs: Das Kanzleramt hat mitgeteilt, welche elf Posten der frühere Außenminister angestrebt hatte.

Von Matthias Meisner

An neuen Aufgaben war für den ehemaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel seit Frühjahr vergangenen Jahres kein Mangel. Gut zwei Wochen nach seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung zeigte der frühere SPD-Chef Anfang April 2018 bei der Bundesregierung an, dass er neben seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter sechs weitere Tätigkeiten anstrebt. Im September 2018 folgten vier weitere Anträge. Und dann noch einer im Februar 2019, insgesamt also elf.

Auf der Wunschliste Gabriels stand im April 2018 zunächst, so ein dem Tagesspiegel vorliegendes Schreiben von Kanzleramts-Staatsminister Hendrik Hoppenstedt auf eine Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin: Mitglied im Verwaltungsrat beim noch zu gründenden Gemeinschaftsunternehmen für Schienenfahrzeugbau von Siemens und Alstom, die publizistische Zusammenarbeit mit der Verlagsgruppe Dieter von Holtzbrinck (zu der auch der Tagesspiegel gehört), die Tätigkeit als Redner gegen Honorar zu verschiedenen Anlässen, Lehraufträge an verschiedenen in- und ausländischen Hochschulen, die Mitwirkung beim European Forum on Global Responsibilities und die Mitgliedschaft im Beirat der International Crisis Group.

Im September zeigte Gabriel die geplante Aufnahme weiterer Tätigkeiten an: Laut Kanzleramt wollte er Aufsichtsrat sowohl bei der polnischen Kulczyk Holding als auch bei der Baufirma GP Günter Papenburg AG werden. Dazu angezeigt wurde von dem SPD-Politiker die Mitgliedschaft im Algebris Policy & Research Forum sowie die Mentorentätigkeit beim Projekt "Top Job" der Zeag GmbH.

Im Februar 2019 schließlich zeigte Gabriel an, dass er Mitglied im Beirat der Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft werden möchte. Untersagt wurden Gabriel laut Kanzleramt – befristet für die Dauer von zwölf Monaten – zwei Posten, der bei Siemens und Alstom sowie der für den polnischen Kulczyk-Konzern.

Die gleichlautende Begründung: Es würden durch diese Tätigkeiten "öffentliche Interessen" im Sinne des Bundesministergesetzes beeinträchtigt. Gegen die anderen Tätigkeiten Gabriels hatte die Bundesregierung keine Einwände. Die Fusion von Siemens und Alstom scheiterte im Februar 2019, der Plan des Ex-Bundesministers, dort Mitglied im Verwaltungsrat werden zu wollen, hatte sich damit ohnehin erledigt.

Gabriel war von Januar 2017 bis März 2018 Bundesaußenminister, zuvor auch Bundeswirtschaftsminister und Bundesumweltminister.

Linke nennt Gabriels Pläne "schamlos"

Dass Gabriel einen Posten beim Kulczyk-Konzern anstrebte, war erst Ende vergangener Woche durch Beutins Anfrage bekanntgeworden. Der geplante Einsatz des früheren Bundesministers für den polnischen Konzern führte zu Diskussionen. "Schamlos" nennt der Linken-Abgeordnete Beutin die Pläne von Gabriel.

Noch in seiner Amtszeit als Bundesumweltminister habe sich Gabriel vor abschmelzenden Arktisgletschern als Klimaretter inszeniert - nach Ausscheiden aus der Bundesregierung habe er für ein Unternehmen arbeiten wollen, das "seinen Reichtum mit Investitionen in Kohleförderung und Kohlekraftwerke macht", sagte Beutin. Kulczyk galt bei seinem Tod 2015 als reichster Mann Polens.

Gabriel: Gespräche mit Kulczyk selbst abgebrochen

Der Kulczyk-Konzern sei die Firma eines Multi-Milliardärs, erklärte Beutin dem Tagesspiegel weiter - "eine Firma in Familienbesitz, die durch den Ausverkauf polnischen Staatseigentums zu Geld gekommen ist, und ihre Milliarden an Fiskus und Allgemeinheit vorbei schummelt, weil sie ihren Firmensitz im Steuerschlupfloch Luxemburg hat". Der Linken-Politiker meint, Gabriel gebe so "ein Bild der Käuflichkeit ab" und schade dem Ansehen der Demokratie und ihrer Vertreter.

Gabriel sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe die Gespräche über einen Einstieg bei der Kulczyk Holding von sich aus nach dem Erstkontakt abgebrochen, weil ihm deren Vertreter "unseriös" vorgekommen seien. Zu diesem Zeitpunkt sei das Prüfverfahren der Bundesregierung aber bereits angelaufen - denn er habe sich "strikt" an die Regelung gehalten und der Regierung bereits bei Beginn der Gespräche mit dem Unternehmen Meldung erstattet. Das Prüfverfahren sei dann weitergegangen, obwohl der "ursprüngliche Anlass" entfallen sei. "Meine Entscheidung, die angebotene Tätigkeit im Aufsichtsrat der Kulczyk Holding nicht anzutreten, hatte ich aber der Bundesregierung bereits im Rahmen des damaligen Genehmigungsprozesses für die Karenzzeit mitgeteilt", erklärte Gabriel. "Die Darstellung der Linkspartei ist also schlicht falsch und entspricht nicht den Tatsachen." Die Bundesregierung hatte sich in ihrer Entscheidung zu Gabriel auf eine im Bundesministergesetz festgeschriebene Karenzregelung berufen. Dieser Regelung zufolge darf sie die Erwerbstätigkeit von Ex-Ministern für 18 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Amt ganz oder teilweise untersagen, wenn öffentliche Interessen beeinträchtigt werden könnten. Dass Gabriel nach eigenen Angaben selbst die Gespräche mit dem Kulczyk-Konzern nach einem Erstkontakt abgebrochen hat, geht aus dem Schreiben des Kanzleramts nicht hervor. Demnach hat Gabriel die geplante Tätigkeit am 28. September 2018 angezeigt, für zwölf Monate untersagt wurde sie ihm von der Bundesregierung zwei Monate später.

Sigmar Gabriel ist Autor für die Holtzbrinck-Gruppe, in der der Tagesspiegel erscheint. Für den Tagesspiegel schreibt er regelmäßig Artikel.

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