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Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler, hat weiter mit der Cum-Ex-Affäre zu tun.

© imago images/photothek

„Der Bundeskanzler kennt die Äußerungen nicht“: Lügen-Vorwürfe gegen Scholz wegen Umgang mit Cum-Ex-Affäre

Ein Investigativjournalist behauptet, Olaf Scholz habe ihn angelogen. Auskünfte dazu verweigert die Regierung. Grund: Es sei ein vertrauliches Gespräch gewesen.

Die Affäre um die kriminellen Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger Warburg-Bank bleibt für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Problem, das er nicht loswird. So behauptet der Journalist und Autor des Buchs „Die Cum-Ex-Files“, Oliver Schröm, Scholz habe ihn in noch zu dessen Amtszeit als Bundesfinanzminister im Zusammenhang mit der Aufklärung der Vorgänge „persönlich angelogen“.
Schröm äußerte die Vorwürfe bereits im Dezember in einer ARD-Sendung. Doch erst jetzt hat das Bundeskanzleramt nach mehreren Tagesspiegel-Anfragen reagiert und nähere Auskünfte erteilt. Bestätigt wird, dass es im September 2020 ein Gespräch zwischen Schröm und weiteren Journalisten sowie Scholz im Bundesfinanzministerium zum Thema Cum Ex gegeben hat. Eine Stellungnahme zu dem Lügen-Vorwurf lehnt das Kanzleramt ab. „Der Bundeskanzler kennt die Äußerungen von Herrn Schröm nicht“.

Cum-Ex-Geschäfte sind Aktiendeals, bei denen sich Investoren und Banken unzulässig Steuern erstatten lassen. Auch die Hamburger Privatbank M.M. Warburg war darin verwickelt und sollte zu Unrecht vereinnahmte Millionen an die Stadt zurückerstatten.

Zwei Warburg-Banker hatten sich im Jahr 2016 mit Scholz getroffen, als der noch Hamburger Bürgermeister war, um die Forderung abzuwenden. Gegen einen von ihnen, den langjährigen Warburg-Sprecher Christian Olearius, wurde damals bereits wegen Steuerstraftaten im Zusammenhang mit den Deals ermittelt. Die Finanzbehörden verzichteten später tatsächlich auf die Rückforderung. Scholz bestreitet bis heute eine Einflussnahme.

„Wir müssen damit leben, dass wir einen Kanzler haben, der gelogen hat und der erpressbar ist“, sagte Schröm in dem ARD-Interview mit Bezug auf das Verhalten von Scholz, der die Treffen mit den Warburg-Bankern trotz Fragen zunächst verschwiegen hatte. „Er hat mich auch mal persönlich angelogen“, sagte Schröm weiter. Er habe Scholz in dem Journalistengespräch 2020 gefragt, warum er sich mit den Bankern damals trotz der schon laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen überhaupt getroffen habe. „Da sagte er zu mir: Er hätte nicht gewusst, dass gegen die ermittelt wird.“

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Nach Schröms Darstellung soll eine Unkenntnis von Scholz jedoch ausgeschlossen gewesen sein, da die Ermittlungen 2016 schon ein Thema in den Zeitungen gewesen sei. Scholz habe bei dem Journalisten-Termin im September 2020 dennoch ihm gegenüber behauptet, dies alles nicht gelesen zu haben. Später habe sich dann noch herausgestellt, dass der frühere Bürgermeister auf das Gespräch mit den Warburg-Bankern von einem Mitarbeiter der Wirtschaftsbehörde vorbereitet worden sei. Dieser habe ihn auch begleitet. In einem behördlichen Info-Papier für Scholz‘ Senatskanzlei vom September 2016 heißt es, dass fünf Manager der „Traditionsbank“ unter Verdacht ständen und die Hamburger Zentrale bereits durchsucht worden sei.

Auch Kanzleramtschef Schmidt und Regierungssprecher Hebestreit waren bei dem Gespräch

Anfragen des Tagesspiegels, ob Schröms Darstellung zutrifft, wehrte das Kanzleramt bereits im vergangenen Dezember ab. Journalistengespräche würden grundsätzlich nicht protokolliert, weshalb keine Aussagen zu einzelnen Äußerungen gemacht werden könnten, hieß es. Ob Scholz damals, wie Schröm behauptet, vor dem Treffen mit den Warburg-Bankern über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen informiert war, beantwortet das Kanzleramt mit einer Floskel: „Der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs stand zu einer Vielzahl von Themen im Austausch mit einer Vielzahl von Personen“.
Allerdings hat Scholz nicht allein mit den Journalisten geredet. Bei dem Treffen in einem Besprechungsraum des Finanzministeriums waren auch der damalige Finanz-Staatssekretär und heutige Bundeskanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) dabei sowie Regierungssprecher Steffen Hebestreit, damals Sprecher des Ministeriums. Grundsätzlich sind Amtsträger verpflichtet, ihre Kenntnisse zu dienstlichen Angelegenheiten offen zu legen. Dennoch werden Auskünfte auf Tagesspiegel-Fragen verweigert, da es sich hier um ein „vertrauliches Hintergrundgespräch“ mit der Presse gehandelt habe. Schröm und die anderen Journalisten hätten dies ausdrücklich verlangt, behauptet das Kanzleramt.

Der Journalist bestreitet, Vertraulichkeit verlangt zu haben

Schröm bestreitet das: „Wir hatten dem Ministerium damals einen Fragenkatalog geschickt und wollten Antworten haben, um darüber berichten zu können“. Stattdessen habe das Ministerium sie zu einer vertraulichen Besprechung geladen. Zu Beginn habe Sprecher Hebestreit klargestellt, dass der folgende Austausch nicht an die Öffentlichkeit gelangen dürfe. Zitate für eine anschließende Berichterstattung müssten vorher abgesprochen werden. Der Journalist fühlt sich an diese Verpflichtungen nicht mehr gebunden, weil er angelogen worden sei, sagt er. In einem kürzlich erschienen Interview mit dem Magazin „Cicero“ bekräftigt er seine Vorwürfe gegen Scholz, der zu seinen Treffen mit dem Banker Olearius nie die Wahrheit gesagt habe. Alle Indizien dafür lägen aber auf dem Tisch. „Deshalb lehne ich mich auch aus dem Fenster und sage: Wir haben einen Kanzler, der ein Lügner ist.“

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