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Der Kriegsheld Konew ist abgebaut - zum Ärger Moskaus.

© David W. Cerny/Reuters

Denkmalstreit mit Russland: Prag stürzt einen sowjetischen Marschall

Vor dem 75. Jahrestag des Kriegsendes: Der Streit um den sowjetischen Marschall belastet das tschechisch-russische Verhältnis schwer.

Ondrej Kolar ist abgetaucht, weil er um sein Leben fürchten muss. Seit einem Monat erhält der Bürgermeister des 6. Prager Bezirks wüste Beschimpfungen („Nazi-Gauleiter“) und Morddrohungen. Selbst seine Familie wisse nicht, wo er sich aufhalte, sagte Kolar kürzlich in einem Skype-Interview. Die Behörden gewähren ihm Polizeischutz rund um die Uhr. Den erhalten nach Angaben tschechischer Medien auch der Prager Oberbürgermeister Zdenek Hrib und ein weiterer Lokalpolitiker.

Die Politiker werden bedroht, weil sie den sowjetischen Marschall Iwan Konew vom Sockel holten. Anfang April war nach einem Beschluss der Volksvertreter des 6. Prager Bezirks, das 1980 errichtete Denkmal des Marschalls abgebaut worden. Später soll es als Exponat in einem Museum des 20. Jahrhunderts wieder aufgestellt werden, das sich noch in Planung befindet. Die russische Führung wettert empört gegen den Denkmalsturz.

Der russische Geheimdienst soll sogar bereits einen Mordanschlag auf die drei organisiert haben, schrieb die Wochenzeitung „Respekt“ vor einigen Tagen. Am Prager Flughafen sei ein Agent aus Moskau kurzzeitig festgesetzt worden, der das extrem toxische Pflanzengift Rizin im Gepäck gehabt habe. Vor einer Festnahme rettete den Mann, „Respekt“ zufolge, ein russischer Diplomatenpass. Angehörige der russische Botschaft hätten den Verdächtigen in einem Fahrzeug mit diplomatischen Kennzeichen vom Flugplatz fortgebracht.

Moskau weist die Darstellung des Blattes vehement zurück. Sie sei eine „Ente“, erklärte Präsidentensprecher Dmitri Peskow lapidar. Doch die Vorgänge um den Prager Denkmalsturz belasten am Vorabend des 75.Jahrestages des Kriegsendes das tschechisch-russische Verhältnis schwer.

Zwiespältige Erinnerung

In den Zeiten der CSSR hatte eine Tafel am Fuß des Denkmals den Marschall als den „Befreier Prags“ ausgewiesen. Doch so verkürzt ist das nicht richtig. Konews Einheiten der Sowjetarmee standen damals tatsächlich vor der Stadt, aber die Prager haben sich im Mai 1945 mit einem Aufstand selbst von den deutschen Besatzern befreit. Einen Tag nach dem Rückzug der Wehrmacht rückten die Einheiten Konews dann in die tschechische Hauptstadt ein.

Zur Erinnerung an Konew in Prag gehört aber auch, dass der sowjetische Marschall 1968 bei den Planungen für die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings eine zentrale Rolle gespielt haben soll. Nach dem Ende der CSSR ist das Denkmal im Stadtteil Bubenec oftmals mit Farbe geschändet worden, weshalb der Abbau bereits im Herbst vergangenen Jahres beschlossen worden war.

Inzwischen diskutieren Prag und Moskau, ob das Konew-Denkmal nach Russland überführt werden kann. Dort gilt der Marschall als Held.

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