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Am 06. Juni protestieren Menschen auf dem Alexanderplatz gegen Rassismus und Polizeigewalt. Anlass ist der gewaltsame Tod von George Floyd bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis.

© dpa

Demonstrieren während der Corona-Pandemie: Wie groß ist die Ansteckungsgefahr auf Großdemos?

Am Wochenende finden wieder Proteste gegen Rassismus statt. Virologen erklären, ob Demos gefährlich werden können und was die Ansteckungsgefahr verringert.

Deutschlandweite Anti-Rassismus-Proteste haben eine Debatte um Demonstrationen in Corona-Zeiten ausgelöst. Angesichts dicht gedrängter Menschenmengen zeigten sich einige Politiker besorgt. Trotz der Kritik sind mit den Demos des Bündnisses „Unteilbar“ an diesem Wochenende schon die nächsten Großveranstaltungen angesetzt - unter Corona-Bedingungen. Hier ein Faktencheck zur Lage:

Behauptung: Bei Demonstrationen besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus.

Bewertung: Mit Mundschutz und Abstand droht bei Demonstrationen wohl keine besondere Gefahr. Experten raten aber von lauten Sprechchören ab.

Fakten: Demonstrationen an der frischen Luft sind zunächst einmal unbedenklicher als Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, wie Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München erklärt. „Durch die Frischluft nimmt die Virenlast ab.“ 

Ausgeatmete Luft könne aufsteigen und sich dort mit der Umgebungsluft vermischen. Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hatte - allerdings mit Blick auf Restaurants und Gaststätten - erklärt, im Außenbereich sei ein Zwei-Meter-Abstand wahrscheinlich gar nicht notwendig. Der Wind wehe das Virus weg.

Doch trotz des Faktors „Frischluft“ müssen aus Expertensicht ein paar Grundregeln gelten, um Demonstrationen einigermaßen coronasicher zu machen: Mundschutz, Abstand - und keine lauten Parolen. 

Als zum Beispiel auf dem Berliner Alexanderplatz zuletzt rund 15.000 Menschen demonstrierten, trugen zwar viele eine selbstgenähte Maske - Mindestabstände wurden aber oft nicht eingehalten. „Ein paar Leute werden sich da schon infiziert haben“, schätzt Kähler. 

Masken zu tragen verhindere zwar, dass infektiöse Tröpfchen über weite Strecken fliegen und vermindere auch die Geschwindigkeit, mit der Luft ausgeatmet und Tröpfchen verbreitet würden. „Alltagsmasken sind aber nie ganz dicht.“ 

Daher müsse der Mindestabstand auch dann eingehalten werden, wenn ausnahmslos alle Teilnehmer eine Alltagsmaske trügen. Dann könnten Demonstrationen aber auch relativ gefahrlos verlaufen.

Diese Sicht teilt auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM): „Die Maske ist nur ein zusätzliches Hilfsmittel, aber sollte keine Alibimaßnahme sein.“ Entscheidend seien nach wie vor der Mindestabstand und allgemeine Hygieneregeln.

Das Bündnis „Unteilbar“, das an diesem Sonntag (14. Juni) in mehreren deutschen Städten zu Demonstrationen aufruft, will das berücksichtigen. Demonstrierende sollen sich auf langen Straßen zu einem „Band der Solidarität“ mit drei Metern Abstand aufstellen. „Wir werden uns gegenseitig nicht gefährden, wir werden keine großen Menschenansammlungen und kein Gedränge haben, wie wir es von Demonstrationen kennen“, verspricht das Bündnis auf seiner Homepage.

Verzichten sollten die Demonstranten aber auch auf laute Parolen. „Der Rat ist, still zu demonstrieren“, sagt Schmidt-Chanasit. „Wenn man lange viel schreit, fliegen viele Tröpfchen und da entstehen Aerosole.“ Diese kleinen Teilchen flögen weiter als anderthalb Meter und könnten das Risiko einer Übertragung erhöhen. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, welche Rolle Aerosole bei der Verbreitung des Virus spielen.

Ganz pragmatisch spricht sich auch Aerodynamiker Kähler für ruhige Demos aus: „Wenn es laut ist und ich mit jemandem sprechen möchte, dann komme ich ihm automatisch näher oder rede lauter.“ Je lauter man aber rede, desto mehr Tröpfchen produziere man - das Risiko einer Ansteckung steige dadurch. (dpa)

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