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"Pegida"-Demonstration am Montagabend in Dresden

© Robert Michael/AFP

Update

Demonstrationen von Islamgegnern in Dresden: Sogar der CDU in Sachsen reicht's mit "Pegida"

Die in Sachsen regierende CDU ging - anders als die Bundespartei - mit "Pegida" und ihren Anhängern bisher recht behutsam um. Gibt es jetzt eine Kehrtwende?

Von Matthias Meisner

War es das, was der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich wollte? Am Montagabend, rund 18.000 Menschen haben sich bei "Pegida" auf der Cockerwiese in Dresden versammelt, spricht Mitorganisatorin Kathrin Oertel eine Einladung an den CDU-Politiker aus: Er solle "an einem der nächsten Montage hier zu Euch zu sprechen", teilt sie den Anhängern der islamfeindlichen Bewegung mit. Die Menge quittiert das mit einem Pfeifkonzert, doch Oertel fährt fort: "Wir werden uns dazu mit der Staatskanzlei in Verbindung setzen."

Tillich hatte in den vergangenen Wochen immer wieder hervorgehoben, dass man den "Pegida"-Demonstranten "vielfältige Dialogangebote" unterbreiten müsse. Kontraproduktiv erschien es ihm, zum "nopegida"-Protest mit aufzurufen oder sich an den Gegendemonstrationen zu beteiligen. Ins Gespräch werde man nicht kommen, so Tillich erst vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk, "wenn wir im Prinzip gegeneinander demonstrieren".

Tatsächlich ist die CDU in Sachsen, im Freistaat seit 1990 an der Macht, in den vergangenen Wochen verständnisvoller mit den "Pegida" umgegangen als die Bundespartei. In ihrer Neujahrsansprache warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor "Hass im Herzen" bei "Pegida". Die CDU-Bundesvorsitzende appellierte: "Folgen Sie denen nicht!" Am Wochenende darauf meldete sich der CDU-Fraktionschef im sächsischen Landtag, Frank Kupfer, in der Chemnitzer "Freien Presse" zu Wort. Kernsätze seines Interviews: Das 19-Punkte-Positionspapier von "Pegida" sei "eine Gesprächsgrundlage". Und: "Einige Punkte davon könnte ich sofort unterschreiben".

"Dem Volk auch mal auf's Maul schauen"

Zwar seien, so Kupfer weiter, menschenfeindliche und rassistische Äußerungen nicht zu tolerieren. Wohlmeinend äußerte der CDU-Landespolitiker indes zugleich über die "Pegida"-Demonstranten: "Wir müssen mit diesen Bürgern reden, sie ernst nehmen und dürfen sie keinesfalls kriminalisieren oder als Mob bezeichnen." Zu einem Transparent auf den Demonstrationen "Mehr Geld für unsere Kinder statt für Asylschwindler" bemerkte Kupfer in dem Zeitungsinterview, das Wort "Asylschwindler" sei zwar provozierend. "Aber als gewählter Politiker muss man, wie Martin Luther sagte, dem Volk auch mal auf's Maul schauen."

Stanislaw Tillich, CDU-Ministerpräsident von Sachsen
Stanislaw Tillich, CDU-Ministerpräsident von Sachsen

© Arno Burgi/dpa

Zwar gibt auch andere Stimmen in der sächsischen Union - lange blieben sie in der Minderheit. Zu ihnen gehört zum Beispiel die Dresdner Oberbürgermeisterin Helga Orosz. Sie hielt Anfang Dezember im Stadtrat eine bemerkenswerte Rede gegen "Pegida". "Wer aus Angst und Sorge auf die Straße geht, ist noch lange kein Neonazi", sagte die CDU-Politikerin damals. Wer aber behaupte, dass 90 Prozent aller Asylbewerber Sozialschmarotzer seien, instrumentalisiere "die Ängste und Sorgen der Menschen bewusst für sein menschenverachtendes Weltbild". Orosz bekam damals Beifall sogar von der oppositionellen Linkspartei im Landtag. Der Dresdner CDU-Vorsitzende Christian Hartmann rügte kurz vor Weihnachten in der "Bild"-Zeitung das Stadtoberhaupt. Als Vertreterin aller Dresdner habe sich Orosz "zu schnell positioniert". Hartmann sagte: "So wurden Gräben geschaffen. Für einen Dialog müssen diese zugeschüttet werden."

",Pegida' Ausdruck lebendiger Demokratie"

Kurz zuvor, am 22. Dezember, hatten in Dresden 17.500 Menschen an einer "Pegida"-Demonstration teilgenommen, so viele wie nie zuvor. Der CDU-Stadtchef der Landeshauptstadt nannte es "sehr bedauerlich", dass diese Proteste aus Berlin und anderen Bundesländern "pauschal verurteilt werden". Ob die Demonstrationen eine Schande für Dresden seien? Im Gegenteil, erklärte Hartmann dem Boulevardblatt: "Sie sind zunächst Ausdruck lebendiger Demokratie. Es ist keine Schande, wenn Menschen gegen etwas sind, ihr Demonstrationsrecht nutzen."

Der Wunsch nach Dialog mit den Menschen, die für "Pegida" auf die Straße gehen, zieht sich durch die Äußerungen fast der gesamten CDU-Landesspitze in Sachsen - jenen Verband also, der auch schon im Landtagswahlkampf, anders als von der Bundespartei gewünscht, keinesfalls klare Kante gegen die AfD gezeigt hatte.

Man müsse mit den "Pegida"-Anhängern ins Gespräch kommen, meint beispielsweise neben Tillich auch Innenminister Markus Ulbig - und das werde nur gelingen, wenn man die Sorgen und Nöte der Demonstranten wirklich ernst nehme. Wenn man sich die große Zahl der Protestierer ansehe, "dann wäre es völlig falsch, die Menschen zu stigmatisieren und alle in die rechte Ecke zu stellen". Anders sieht das der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz. Er twitterte am Montagabend nach der jüngsten "Pegida"-Demonstration: "Wer nach den heutigen Reden noch bei Pegida mitläuft, dem ist nicht zu helfen. Unter den 'Organisatoren' ist doch kein Normaler!"

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Die Linkspartei in Sachsen kritisiert die Strategie der CDU in Sachsen "Pegida" gegenüber als "herzliche Umarmung". Die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz forderte am Dienstag, die Landesregierung dürfe "der Stimmungsmache von Rechtsaußen" nicht länger auf den Leim gehen. Das war eine Anspielung auf eine Verlautbarung der Sachsen-Union aus den Weihnachtstagen. Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer hatte angekündigt, als Reaktion auf die "Pegida"-Demonstrationen werde die Zuwanderungs- und Asylpolitik in Sachsen überprüft.

Tillich will nicht auf die "Pegida"-Bühne

Tillich reagierte am Dienstagnachmittag auf die "Pegida"-Offerte, bei der nächsten Kundgebung zu sprechen. Ein Gespräch mit Bürgern - das immer, versicherte er. "Das Angebot aber, von einer Bühne zu sprechen, von der die Kanzlerin und andere Politiker mehrfach unsachlich beschimpft und gegen Ausländer gehetzt wurde, lehne ich ab." Ein paar kritische Worte an die Adresse der Bewegung fügte er diesmal an: "Bisher hat 'Pegida' kein Problem gelöst oder zu einer Lösung beigetragen. Vielmehr schaden die Demonstrationen dem Land und der Stadt Dresden, denn sie vermitteln der Weltöffentlichkeit ein Bild, das nicht der Wirklichkeit entspricht."

Großdemonstration gegen "Pegida" am Samstag

Am Dienstagabend dann wurde bekannt, dass Tillich gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Orosz zu einer Großdemonstration gegen "Pegida" an diesem Samstag vor der Frauenkirche aufruft - gemessen an seiner bisherigen Strategie im Umgang mit den Islamkritikern kommt das bei ihm überraschend. Die "Dresdner Morgenpost" zitierte Orosz mit den Worten: "Die Situation ist ernst. Wir müssen Pegida Argumente entgegensetzen." Anlass für die nun geplante Gegenveranstaltung dürfte die ständig wachsende Anzahl der "Pegida"-Demonstranten gewesen sein. Die Oberbürgermeisterin erklärte: "Ich wünsche mir ein friedliches Jahr 2015, ein Jahr, in dem wir uns nicht gegenüberstehen. Ich bitte Sie, der Einladung am Sonnabend zu folgen."

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