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Teilnehmer an einer Demo in Wien.

© imago images/SEPA.Media

Demonstrationen in Wien: Impfgegner machen mobil – wie gefährlich können sie werden?

Die neuen Corona-Maßnahmen in Deutschland und Österreich sorgen für neue Gewaltfantasien bei Impfgegnern. Experten befürchten ein Tag-X-Szenario.

Oliver Janich ist mit knapp 160.000 Followern auf Telegram einer der reichweitenstärksten Verschwörungsideologien im deutschsprachigen Raum. Seit Beginn der Corona-Pandemie verbreitet er über den Messengerdienst alternative Fakten zum Virus, der Impfung und ruft zu Demonstrationen der Querdenken-Bewegung auf.

Am Dienstagabend veröffentlicht Janich in seinem Telegram-Kanal folgenden Beitrag: „Es ist natürlich völlig klar, dass jeder einen Polizisten über den Haufen schiessen (sic) dürfte, der einen zur Zwangsimpfung schleppt. Und nein, das ist kein Aufruf zur Gewalt, sondern Notwehr. ich würde es tun.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Verschwörungsideologe so radikal äußert, bereits in der Vergangenheit verbreitete der auf den Philippinen lebende Deutsche Tötungsfantasien über das soziale Netzwerk. Am 20. Januar dieses Jahres, dem Tag als der amerikanische Präsident Joe Biden in sein Amt eingeführt wird, schreibt Janich: „Hängt Biden. Hängt Soros. Hängt sie alle, verdammt nochmal.“

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Für den Politikwissenschaftler und Geschäftsführer des Thinktanks „Center für Monitoring, Analyse und Strategie“ (CeMAS) Josef Holnburger sind die neuesten Äußerungen Janichs ein „ernsthafter Grund zur Sorge“. Laut Holnburger reihen sich Janichs Aussagen ein, in eine Vielzahl von Drohungen und Gewaltfantasien, die in den vergangenen Tagen unter deutschen und österreichischen Verschwörunsgsideologen und Impfgegnern verbreitet werden.

Impfgegner wollen in Wien demonstrieren

Innerhalb kürzester Zeit wurden die Corona-Maßnahmen in beiden Ländern angepasst und verschärft. Während in Deutschland mittlerweile vielerorts der Zutritt nur noch Geimpften und Genesenen gestattet ist, steht die Alpenrepublik vor einem neuen harten Lockdown für alle, der am Montag beginnen soll. Darüber hinaus verkündete die österreichische Bundesregierung am Freitag eine ab Februar geltende allgemeine Impfpflicht.

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Viel Zündstoff auch für deutsche Impfverweigerer und Coronaleugner, die in den neuen Regeln für Österreich eine Art Blaupause für die Bundesrepublik sehen, wie Holnburger befürchtet. Innerhalb kürzester Zeit ist die Mobilisierung für die Demonstration von Impfgegnern in Wien am Sonnabend stark angestiegen, viele deutsche Akteure der Querdenken-Szene rufen ihre Anhänger auf, am Sonnabend ebenfalls in der österreichischen Hauptstadt zu demonstrieren.

Eine Frau mit provokantem Shirt.
Eine Frau mit provokantem Shirt.

© imago images/SEPA.Media

Radikale wie Oliver Janich sprechen bei Telegram gar von einem nötigen „Aufstand“, da einfache Demonstrationen nicht mehr reichen würden.

CeMAS-Geschäftsführer Holnburger beobachtet bei der Mobilisierung einen ähnlichen Duktus wie bei der Berliner Demonstration gegen das neue Infektionsschutzgesetz am 18. November vor einem Jahr, als es zu gewaltsamen Ausschreitungen kam und die Berliner Polizei Wasserwerfer gegen Querdenker einsetzte.

Auch jetzt müsse man mit einem Tag X-Szenario rechnen, sagt der Politikwissenschaftler und warnt gleichzeitig vor einem noch höheren Frustrations-Faktor in der Szene: „Frustration ist für einzelne ein noch härterer Radikaliserungsmoment als wenn man glaubt, man könne das Ruder noch rumreißen.“

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Die Wiener Polizei bereitet sich mit 1300 Polizisten auf mindestens zehntausend erwartete Demonstranten am Sonnabend im Zentrum der österreichischen Hauptstadt vor. Auch deutsche und österreichische Rechtsextremisten werden am Wochenende bei den Protesten erwartet. Der freie Journalist Michael Bonvalot wurde im Vorfeld in den sozialen Netzwerken massiv angefeindet, mehrere User kündigten an Bonvalot im Rahmen der Demonstration zu suchen und körperlich zu attackieren.

Währenddessen verbreitet sich ein Aufruf unter den Impfgegnern, als Arzt oder Pfleger verkleidet auf der Straße zu erscheinen, um den Anschein zu erwecken, dass auch das Gesundheitspersonal gegen die österreichische Impfpflicht auf die Straße geht.

Müssten Ärzte und Impfteams besser geschützt werden?

Für die rechtsextreme, deutsche Partei „Freie Sachsen“ geht die Impfpflicht in Österreich gar so weit, dass Parteiakteure fordern, “verfolgten Bürgern” aus der Alpenrepublik politisches Asyl im Freistaat zu gewähren. Auch hier spiegelt ein Blick in die Kommentarspalten des „Freien Sachsen“-Telegramkanals blanken Hass gegen die Regierenden wider.

Ein User schreibt „es geht nur noch mit Gewalt, bewaffnen bzw. Waffen erbeuten!“, ein anderer: „Ich denke, dass sich ein Bürgerkrieg gegen die Regierenden immer mehr abzeichnet.“

Politikwissenschaftler Holnburger geht davon aus, dass auch in Deutschland die Gewalt von Impfgegnern weiter zunehmen wird: „Dass heißt aber noch lange nicht, dass wir das hinnehmen müssen und uns davon einschüchtern oder erpressen lassen sollten“, sagt der Experte.

Vielmehr müssten besonders gefährdete Berufsgruppen wie Ärzte, Impfteams, Wissenschaftler und Journalisten besser geschützt werden, fordert Holnburger. Dazu bräuchte es jedoch eine systematische Erfassung von Straftaten im Kontext der Corona-Pandemie von staatlicher Seite, um Betroffenen in der Konsequenz einen besseren Schutz anbieten zu können. Bisher existiert jedoch kein einheitliches System der Sicherheitsbehörden für Straftaten dieser Art.

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