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Demonstration gegen Gaza-Krieg in Essen

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Update

Demonstration gegen Gaza-Krieg in Essen: Linke umgibt sich mit Antisemiten

Eine Demonstration gegen den Gaza-Krieg in Essen mit prominenter Beteiligung von Linke-Politikern hat eine neue Antisemitismus-Debatte in der Partei ausgelöst. Die Führung rügte das Vorgehen ihrer Genossen als beschämend.

Von Matthias Meisner

Die Linkspartei hat einen neuen Streit um antisemitische Tendenzen in ihren Reihen. Nach einer Demonstration gegen Israel am Freitagabend in Essen rügte Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn seine Genossen, die zu dem Protest aufgerufen hatten oder sogar als Redner aufgetreten waren. Die "Ereignisse auf und im Nachgang der Kundgebung ,Stoppt die Bombardierung Gazas - für ein Ende der Eskalation im Nahen Osten'" machten ihn "tief betroffen", erklärte Höhn.

"Dass im Vorfeld einer Veranstaltung, zu der auch Linke aufgerufen hatten, der Schutz jüdischer Einrichtungen verstärkt werden musste, dass auf und nach einer solchen Kundgebung antisemitische Parolen skandiert wurden, dass die Essener Synagoge erklärtes Ziel israelfeindlicher Teilnehmer dieser Kundgebung war, dass Flaschen und Steine auf pro-israelische Demonstranten geworfen wurden - das alles beschämt mich zutiefst", schrieb Höhn auf seiner Facebook-Seite weiter. Im Programm seiner Partei heiße es, Deutschland müsse jeder Art von Antisemitismus, Rassismus, Unterdrückung und Krieg entgegentreten. Und: "Insbesondere diese Verantwortung verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten." Dabei müsse es bleiben, "dabei wird es bleiben", erklärte Höhn. "Darum sind alle in der Pflicht, legitime Kritik an der Politik der israelischen Regierung in Inhalt und Form so zu artikulieren, dass sie keinerlei Anschlussmöglichkeit für antisemitische Gruppierungen und Aktionen bietet." Ereignisse wie in Essen "dürfen sich nicht wiederholen".

Zu der Demonstration gegen den Gaza-Krieg hatte die Linksjugend Solid Ruhr aufgerufen, prominente Redner waren der Landesvorsitzende der Linkspartei, Ralf Michalowsky, sowie der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. Die Landespartei unterstützte die Demonstration ausdrücklich. Michalowsky erklärte ausweislich seines Redemanuskripts auf der Kundgebung: "Sowohl der israelische Krieg gegen die Palästinenser stellt einen Völkerrechtsbruch dar, aber auch die ziellosen und bisher weitgehend unwirksamen Raketen von radikalen Palästinensergruppen."

Matthias Höhn, Linke-Bundesgeschäftsführer
Linke-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn: "Es ist beschämend".

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Die Hamas sei "nicht unser politischer Partner", versicherte Michalowsky. "Aber sie sind in Verhandlungen mit einzubeziehen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass eine Seite bestimmen kann, wer mit am Tisch sitzt." Die Kritik von Höhn wies Michalowsky auf Tagesspiegel-Anfrage als "selektive Wahrnehmung der Welt" zurück. "Er argumentiert in Unkenntnis dessen, was in NRW passiert ist."

Movassat versicherte auf der Kundgebung: "Wir kritisieren hier und heute den israelischen Staat für seine Angriffe gegen den Gaza-Streifen wie wir auch die Angriffe der Hamas gegen Israel kritisieren." Zu den Vorwürfen von Parteimanager Höhn sagte er dem Tagesspiegel: "Er hätte vor seiner Kritik mit uns sprechen sollen." Movassat gab zu, im Rückblick sei es "ein Fehler" gewesen, "dass im ersten Aufruf zur Demonstration auf Kritik an den Hamas-Raketen verzichtet wurde".

Aktionen gegen Alte Synagoge vereitelt

Wenige Stunden vor der Kundgebung in Essen waren 14 Menschen festgenommen worden, die die Demonstration möglicherweise zu Aktionen gegen die Alte Synagoge ausnutzen wollten. Die Staatsanwaltschaft ermittele gegen sie wegen Verabredung zu einem Verbrechen, teilte die Polizei mit. Die Alte Synagoge ist ein städtisches Kulturinstitut und dient nicht mehr als Gotteshaus. Das imposante Gebäude befindet sich in der Innenstadt. Die Polizei betonte, es gebe keine Hinweise darauf, dass die Festgenommenen im Zusammenhang mit den Veranstaltern der Kundgebung stünden.

"Der Westen" berichtete über den Verlauf der Veranstaltung, auch zahlreiche arabischstämmige Protestler hätten sich eingefunden, die wiederholt "Allahu Akbar" ("Allah ist größer") riefen. Die Teilnehmerzahl wurde mit mehr als 1000 angegeben. Neben der Forderung "Free Palestine" sei auf vielen Transparenten auch die Verunglimpfung "Israel Terrorist" zu finden gewesen. Im Internet kursierten Fotos weiterer Protestplakate etwa mit der Aufschrift "Angeblich früher Opfer - heute selber Täter". Oder auch Bilder mit einer israelischen Fahne, in deren Davidstern ein Hakenkreuz hineinmontiert wurde.

Die Demonstration wurde schließlich vorzeitig aufgelöst, in aufgeheizter Atmosphäre zogen mehrere hundert Teilnehmer zum Hauptbahnhof, wo eine pro-israelische Kundgebung stattfand. Dort sprach der brandenburgische Linken-Bundestagsabgeordnete Harald Petzold und kritisierte, dass Vertreter seiner Partei. "dazu beitragen, Öl ins Feuer zu gießen anstelle für Ausgleich zu sorgen". Die Polizei habe mit einem Großeinsatz verhindern müssen, dass die mehrheitlich arabischstämmigen Demonstranten die Teilnehmer der Kundgebung "Gegen Antizionismus und Terror" attackieren, hieß es in örtlichen Medien weiter. Die Teilnehmer der pro-israelischen Demonstration seien zu ihrem eigenen Schutz stundenlang eingekesselt worden. Laut Polizei Essen verliefen beide Demonstrationen friedlich.

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Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter in Anspielung auf die Vorgänge in Essen: "Friedens-Demos, auf denen Hass gegen Juden gepredigt wird, sind Kriegs-Demos, also niemals links. #Antisemitismus".

Scharf abgegrenzt von ihren nordrhein-westfälischen Genossen hatte sich zuvor auch die thüringische Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König. Sie schrieb in einem Gastkommentar für den Blog "Ruhrbarone", die von Linken beworbenen oder gar angemeldeten und organisierten Demonstrationen seien keine Demonstrationen für Frieden. "Es sind Demonstrationen gegen Israel. Sie sind kalkulierter und funktionaler Teil des Terrors. Einseitig. Relativierend. Benzin Brandherd Nahost." Das Motto der Essener Anti-Israel-Kundgebung sei "an Einseitigkeit kaum zu überbieten, von der dahinter stehenden Ignoranz der Raketenbeschüsse durch die Hamas ganz zu schweigen". (mit dpa)

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