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Ein Autozug fährt über den Hindenburgdamm in Richtung Sylt.

© Carsten Rehder / dpa

Demokratie: Aus der Leistungsgesellschaft ist eine Ständegesellschaft geworden

Geschichten vom persönlichen Verdienst klingen oft hohl - die Privilegierten beherrschen den öffentlichen Raum. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Privilegien werden meist von denen beklagt, die keine haben. Die Privilegierten selbst finden fast immer, dass sie ihr Ansehen, ihr Geld, und ihren Einfluss allein ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit verdanken. Spätestens aber, wenn Eliten für ihren gelegentlich etwas dösiger geratenen Nachwuchs Perspektiven suchen, ändert sich das Bild. Dann zählen der Einfluss der Eltern, und die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht doch, klingen die Geschichten vom persönlichen Verdienst hohl. Sie zeigen: Aus der offenen Nachkriegsgesellschaft, die den Verdienst des Einzelnen würdigt, ist eine Ständegesellschaft geworden, die die Herkunft einiger belohnt.

Gestaltungsmacht bleibt oben

Die Darmstädter Soziologin Cornelia Koppetsch spricht schon wieder von einer Klassengesellschaft. Die Privilegierten – Sie gehören wahrscheinlich genauso dazu wie ich – beherrschen den öffentlichen Raum, sie prägen die Debatten, geben einer Gesellschaft ihr Gesicht. Nur selten geht es andersherum: zum Beispiel, wenn sich in Frankreich Bürger gelbe Westen überstreifen. Oder, wenn in Ostdeutschland Einheimische und Flüchtlinge aneinandergeraten. Dann wird von oben nach unten verteilt. Meistens wird versucht, die Unzufriedenheit mit Geld zu kompensieren. Die Gestaltungsmacht aber bleibt oben. Demokratischer, offener, gerechter werden Gesellschaften so nicht.

Wenn man das ändern wollte, würde man nicht akademische Berufe aufwerten. Arbeiter, Selbstständige, Arbeitslose würden ermuntert, sich stärker um Mandate in den Parlamenten zu bewerben. Die höchsten Karrierestufen im Berufsbeamtentum und in Unternehmen würde man nicht nur denen offenhalten, die Kinder und Enkel von Staatssekretären, Richtern, Unternehmern und Managern sind. So bekämen wieder diejenigen einen Posten, die gut dafür sind.

Das alles aber will man nicht. Stattdessen führt man eine endlose Bildungsdebatte. Man denkt über ein bedingungsloses Grundeinkommen nach, damit das Volk nicht zu aufsässig wird. So zementiert man die neue Adelsgesellschaft – deren Mitgliedern nur noch das „von“ vor dem Namen fehlt.

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