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Inklusion ist hier selbstverständlich. Business-Meeting.

© imago images/Panthermedia

Demo-Bilder bei Twitter liken reicht nicht: Menschen mit Handicap haben viele Probleme und wenig Unterstützung

Sie werden ausgeschlossen und sind besonders häufig armutsgefährdet. Trotzdem fallen bei Behinderten die üblichen Solidaritätsreflexe aus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Behindert sei man nicht, behindert werde man. So geht einer ihrer Sprüche, der zwar ausgenudelt ist, aber wahr. Ihrer Sprüche? Wessen? Der Sprüche von Menschen mit Behinderungen. Sie machen sich ihre Sprüche in der Regel selbst, weil es sonst keiner tut.

Vergangene Freitag war der Welttag der Menschen mit Behinderungen, wer hätte es gewusst, und dazu stellte der Paritätische Gesamtverband seinen jährlichen Teilhabebericht vor, aus dem hervorgeht, dass Behinderungen in zunehmendem Maße in die Armut führen. 2018 habe das für 20 Prozent der Betroffenen gegolten. Bei jüngeren Menschen zwischen 26 und 49 Jahren sei die Einkommensungleichheit besonders hoch.

Einen großen Aufschrei werden auch diese Zahlen nicht auslösen. Warum eigentlich nicht? Menschen mit Behinderungen, die mehr als andere der Unterstützung bedürften, werden in verblüffendem Maße ausgegrenzt. Ihre Rufe nach besseren Teilhabemöglichkeiten haben selten viel Resonanz. Der Behinderten-Lobbyist Raul Krauthausen verweist in seinem Newsletter auf einen Beitrag in der linken Publikation „Analyse & Kritik“. Darin beklagt ein Autor, dass zwar seit Corona Behinderte wie Alte und Kranke oft in den Nachrichten seien, dass sie aber nur als Personen vorkämen, die „Schutz“ bräuchten.

Inklusion aus der Distanz

Und dass derzeit Menschen an Beatmungsmaschinen die Schlagzeilen beherrschten, lässt ihn anmerken, dass ansonsten die Interessen von Menschen, die mit künstlicher Lunge leben, kaum beachtet würden. Die Frage beispielsweise, ob sie zu Hause versorgt werden können, entscheidet der Medizinische Dienst der Krankenkassen, was in der Community Sorgen auslöst, da der zugleich die Finanzen im Blick hat.

Die Nicht-Beachtungskritik richtet sich an jene Kreise, die für benachteiligte Gruppen gern viel Empathie und Einsatzbereitschaft zeigten, es bei Aktionen von Behinderten aber beim „Liken“ und Teilen von deren Info- und Bildmaterial via Social Media beließen. In der Tat wird Solidarität mit Behinderten oft dann hörbar, wenn sie eine problematische Wortwahl oder ähnliches anprangern. Ansonsten wahren viel zu viele die Distanz.

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Der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbands machte am Freitag nochmals klar, dass das Hilfesystem die Belange und Interessen der Betroffenen in den Mittelpunkt stellen müsse, statt von ihnen zu verlangen, sich ins System einzupassen. Dazu gehöre, ein Wunsch- und Wahlrecht konsequent umzusetzen, Eingliederungshilfen unabhängig von Einkommen und Vermögen zu gewährleisten und Arbeitslosen- und Rentenversicherungsleistungen armutsfest auszugestalten.

Oder wie es Autor in „Analyse & Kritik“ schreibt: „Alles wäre besser als einfach so weiterzumachen wie bisher, während das öffentliche Leben sich zunehmend wieder in Räume verlagert, die für sehr viele von uns nicht zugänglich sind.“ Ariane Bemmer

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