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Politik: Dem guten Willen ausgeliefert

Auch die EU ist bereit, US-Bürger vor dem Internationalen Strafgericht zu bewahren – Fachleute sehen dessen Autorität gefährdet

Von Ruth Ciesinger

und Thomas Gack

Die Außenminister der EU haben „Ja, aber“ gesagt. Im Streit mit den USA über den Internationalen Strafgerichtshof haben sie sich auf einen Kompromiss geeinigt: EU-Staaten dürfen mit den USA Verträge abschließen, in denen sie auf eine Auslieferung von US-Bürgern an das Strafgericht verzichten – unter klaren Einschränkungen. Die Tragweite dieser Entscheidung halten Völkerrechtler dennoch für enorm.

Im Gegensatz zu den USA, die den Gerichtshof als politisch motiviertes Tribunal fürchten, sind die europäischen Staaten die treibende Kraft des Strafgerichtshofs, dessen Statut vor drei Monaten in Kraft trat, und der weltweit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen soll. Bisher lehnte die EU bilaterale Verträge mit den USA ab, weil man in Brüssel fürchtete, dass so die Internationale Strafgerichtsbarkeit unterlaufen werde. Doch nachdem Briten und Italiener erklärten, dass sie durchaus zu entsprechenden Vereinbarungen mit den USA bereit seien, sind die EU-Minister in Brüssel jetzt den Amerikanern entgegengekommen.

Folgende Voraussetzungen müssen aber für bilaterale Verträge zwischen den USA und EU-Staaten erfüllt sein: Erstens: Es muss klar sein, dass US-Staatsangehörige, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschheit begangen haben, in den USA vor Gericht gestellt werden. Zweitens: Die Staaten, die ein Abkommen mit den USA abschließen, dürfen das gleiche Recht nicht für ihre eigenen Staatsbürger in Anspruch nehmen. Drittens: Die Sonderrechte sollen nur US-Bürgern gewährt werden, die als Soldaten oder Zivilpersonen von der US-Regierung in eine Land entsandt worden sind, nicht aber allen US-Bürgen, die privat reisen oder als Söldner Verbrechen begangen haben.

Auch wenn klare Grenzen formuliert wurden, geht die Regelung nach Ansicht von Kai Ambos vom Max-Planck-Institut für Internationales Strafrecht „völlig gegen die Logik des Statuts“ des Gerichtshofs. Dieses baue auf Kooperation unter den Vertragsstaaten auf. Jeder Staat, der ein bilaterales Abkommen abschließe, unterlaufe diese Zusammenarbeit. „Der Druck, der durch den Gerichtshof entstehen sollte, verschwindet“, sagt Ambos. Für besonders gravierend hält er aber die Wirkung auf andere Vertragsstaaten, die nicht in der EU sind, und die von den USA seit Monaten gedrängt werden, Nicht-Auslieferungsverträge zu unterzeichnen. Der Druck auf sie wird jetzt noch steigen, prophezeit Ambos, und bei diesen Abkommen werde Washington mit Sicherheit keine so strikten Regeln akzeptieren, wie sie jetzt die EU gefordert hat.

Im Auswärtigen Amt sieht man das anders. Man sei froh, so schnell eine gemeinsame Haltung innerhalb der EU erreicht zu haben, sagt ein Sprecher. Auch Außenminister Joschka Fischer betonte in Brüssel, die EU stehe ohne Einschränkung hinter dem Gerichtshof. Man werde auch nicht hinnehmen, dass die internationale Gerichtsbarkeit unterlaufen werde. Fischer versicherte aber auch: ,,Die Bundesregierung ist unverändert gegen Separatverträge.“

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