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Volker Beck, Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen im deutschen Bundestag.

© dpa

Debatte um Volker Beck: Was, wenn Markus Söder Ecstasy aus der Tasche fiele?

Wer will, dass Volker Beck anständig behandelt wird, muss auch fair zu anderen Politikern sein, wenn sie Fehler machen - egal, ob man ihre Position teilt. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Häme ist nicht angebracht. Unter diese große Überschrift kann man die meisten Kommentare von Journalisten und Parteifreunden zu Volker Becks Drogenproblem fassen. Sie haben recht. Wer einen Fehler macht, muss dafür einstehen und die Konsequenzen tragen. Nicht mehr und nicht weniger.

Doch was für den Spitzenmann der Grünen gilt, gilt für alle anderen auch. Häme ist niedrig, kleinkariert, selbstgerecht. Immer. Sie ist es auch dann, wenn sie sich gegen die Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach von der CDU oder gegen die AFD-Politikerin Beatrix von Storch richtet. Wie aber wäre es um den aktuellen „Häme-ist-in-diesem-menschlich-tragischen-Fall-nicht-angebracht“-Diskurs bestellt, wenn Frau Steinbach mit Koks erwischt worden wäre, oder wenn Markus Söder von der CSU ein paar Ecstasy-Pillen aus der Tasche gefallen wären? Vermutlich würden sich dieselben Menschen vor Vergnügen kaum halten können, die sich in der vergangenen Woche über den rüden Ton der öffentlichen Debatte im Fall Beck beschwerten.

Oft wird mit zweierlei Maß gemessen

Es wird konsequent mit zweierlei Maß gemessen, das ist so etwas wie die Grundeinstellung der hämischen Gesellschaft. Auch Journalisten und die Parteifreunde von Volker Beck tragen daran eine Mitschuld: Je ähnlicher man sich einem Politiker oder einem anderen Prominenten fühlt, je besser man seine Positionen findet, desto verständnisvoller behandelt man ihn im Falle eines Vergehens. Je ferner einem Person und Position sind, desto verletzender dürfen die Anmerkungen sein. Nach dem Motto „Wer austeilt, muss auch einstecken können“, wird der zulässige Grad öffentlicher Verachtung an der Häme-Vorgeschichte des Delinquenten ausgerichtet.

Was für Volker Beck gilt, gilt auch für Erika Steinbach

In dieser Fragmentierung geht das Bewusstsein dafür verloren, dass mit dem Einzelfall auch der Ton der allgemeinen Debatte gesetzt wird. Glaubwürdig wäre der Appell an die Anständigkeit des öffentlichen Diskurses nur dann, wenn man auch den politischen Gegner ordentlich behandelte, so lächerlich er sich machen mag. Davon aber kann keine Rede sein. Wer ohnehin das öffentliche Igitt-Stigma trägt, ist auch hämetechnisch vogelfrei.

Deshalb ist die Debatte scheinheilig: Wer heute will, dass Volker Beck anständig behandelt wird, muss sich gestern ordentlich mit Erika Steinbach auseinandergesetzt haben - morgen bereit sein, sich fair gegenüber Beatrix von Storch zu verhalten. Sonst wird das nichts mit der hämefreien Gesellschaft.

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