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Ex-Kanzler Helmut Schmidt sieht Christian Wulff als "Opfer seiner selbst".

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Update

Debatte um Ex-Präsident: Helmut Schmidt: Wulff hat Amt schweren Schaden zugefügt

Für Altkanzler Schmidt war Christian Wulff "zehn Jahre zu jung" fürs Präsidentenamt. Anders als Wulff nimmt dessen Vorgänger Horst Köhler seinen Ehrensold offenbar nicht in Anspruch.

Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff vorgeworfen, dem Amt des Staatsoberhaupts "schweren Schaden" zugefügt zu haben. "Er hat gleich die gesamte politische Klasse mit beschädigt", sagte Schmidt der "Bild"-Zeitung (Montag).

Der Ex-Bundespräsident sei kein Opfer der Medien geworden: "Nee, er ist ein Opfer seiner selbst", erklärte Schmidt. Wulff sei nicht nur als Ministerpräsident von Niedersachsen zu jung gewesen, sondern auch für das höchste Staatsamt "zehn Jahre zu jung". Zum politischen Wirken von Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck sagte der Altbundeskanzler, Gauck sei mit seinen 72 Jahren relativ alt und bringe viel Lebenserfahrung mit ins Amt. Er kenne Gauck nicht näher - "aber alles, was ich von ihm weiß, klingt angenehm".

Christian Wulff besteht ungeachtet der Debatte über seinen Ehrensold auch auf weiteren Privilegien für ehemalige Staatsoberhäupter. Wulff wünsche die gleiche Behandlung wie seine noch lebenden Vorgänger und beanspruche ein Büro mit Mitarbeitern, berichtete der "Spiegel". Neben den rund 200 000 Euro Ruhestandsbezügen kämen damit jährlich weitere 280 000 Euro auf die Steuerzahler zu. Das Bundespräsidialamt wolle die Mittel im kommenden Haushalt beantragen.

Horst Köhler verzichtet auf seinen Ehrensold

Wulff war nach der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung Mitte Februar zurückgetreten. Die Staatsanwaltschaft hatte am Freitagabend sein Haus in Großburgwedel durchsucht und dabei unter anderem Unterlagen und Telefondaten beschlagnahmt. Dem "Spiegel" zufolge wollen die Ermittler vor allem die Kommunikation zwischen Wulff und dem Filmunternehmer Christian Groenewold unter die Lupe nehmen. Groenewold hatte für Wulff einen Kurzurlaub auf Sylt bezahlt und seinerseits vom Land Niedersachsen eine Bürgschaft erhalten. Wulff hatte erklärt, er habe Groenewold die Hotelrechnung in bar erstattet.

Anders als Wulff nimmt der 2010 zurückgetretene Ex-Bundespräsident Horst Köhler seinen Ehrensold nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" nicht in Anspruch. Er wolle nach seinem freiwilligen Ausscheiden Doppelbezüge vermeiden. Wulff hat sich bislang nicht öffentlich erklärt. Die Grünen kritisierten das Verhalten des ehemaligen Bundespräsidenten. "Ich rate Herrn Wulff einen Moment innezuhalten und zunächst alle Vorwürfe zu klären", erklärte die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast. Er beschädige das Ansehen der Politik insgesamt und auch nach seinem Rücktritt das des Bundespräsidenten.

Die Ehrensold-Debatte um Wulff stößt auch eine Debatte über eine Reform der Pensionszahlungen für Bundespräsidenten an. Politiker aus allen Lagern kündigten über das Wochenende an, Änderungen bei den Ruhestandsregeln anzustreben. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier forderte eine Regelung, die zwischen den Amtsbezügen und dem Ruhegehalt unterscheide. Derzeit bekommt ein Präsident auch nach dem Ausscheiden lebenslang die vollen Bezüge.

Der Bund der Steuerzahler forderte Wulff auf, sich zu erklären, wie er sich eine Ruhegeldregelung vorstelle. Als Bundespräsident hatte der 52-jährige Wulff in einem Interview für eine Absenkung des Ehrensolds plädiert.
Eine Aberkennung seines Ehrensoldes muss Wulff nicht befürchten. Der Haushalts-Ausschuss des Bundestags hatte am Freitag einstimmig festgestellt, dass die Gewährung des Ruhegeldes durch das Bundespräsidialamt korrekt entschieden worden sei. Selbst eine Verurteilung des Ex-Präsidenten würde daran nichts ändern.

Großer Zapfenstreich für Wulff in der Kritik

Die geplante Verabschiedung von Christian Wulff mit einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr an diesem Donnerstag in Berlin stößt bei SPD-Politikern und dem Bund der Steuerzahler auf Kritik. "Ich halte den Großen Zapfenstreich für Herrn Wulff für unangemessen", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, "Handelsblatt Online". "Seine Wahl, die Amtsführung und die Begleitumstände um seinen Rücktritt waren peinlich und unwürdig", sagte er. Auf "Handelsblatt Online" fügte Kahrs mit Blick auf Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hinzu, das Bundeswehr-Zeremoniell sei "eine Ehre, keine Staatspraxis". De Maizière hatte Wulff den Zapfenstreich mit der Begründung zugesichert, es handle sich dabei um "geübte Staatspraxis". "So können Traditionen entwertet werden", sagte Kahrs. "Herr de Maiziere sollte seine Entscheidung revidieren."

Auch SPD-Haushälter Carsten Schneider sieht keinen Grund für einen Großen Zapfenstreich für Wulff. Der ehemalige Bundespräsident habe durch seinen Umgang mit der Wahrheit das höchste Amt im Staate beschädigt. "Er sollte sich nun in Demut üben", sagte Schneider. Gegenüber "Handelsblatt Online" ergänzte er, dies gelte auch für besondere Ehrungen wie dem höchsten militärischen Zeremoniell der Bundeswehr, das herausgehobenen Persönlichkeiten vorbehalten sei. In Bezug auf eine Mitteilung des Bundespräsidialamtes vom 24. Februar sagte Schneider, dass sich Wulff über die Angemessenheit dieser Ehrung auch selbst unsicher sei.

Was die Berliner vom Rücktritt Wulffs gehalten haben, können Sie sich hier im Video noch einmal ansehen:

Steuerzahlerbund-Vize Reiner Holznagel plädierte ebenfalls für einen Zapfenstreich-Stopp. "Es ist tatsächlich die Zeit für Bescheidenheit und Zurückhaltung. Nur so kann das Amt des Bundespräsidenten wieder eine breite Akzeptanz finden", sagte Holznagel. Dazu müsse auch der Bundestag durch schnelle Entscheidungen hinsichtlich der Altersbezüge des Bundespräsidenten beitragen.

Jürgen Koppelin (FDP), Mitglied des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags, hat die Frage aufgeworfen, ob Deutschland überhaupt einen Bundespräsidenten benötigt. "Es stellt sich die grundsätzliche Frage: Brauchen wir überhaupt noch einen Bundespräsidenten? Wofür?", sagte Koppelin der "Passauer Neuen Presse" (Montagausgabe). "Langfristig sollten wir diskutieren, ob unsere Republik einen Bundespräsidenten benötigt", sagte er. "Wir haben den Bundesratspräsidenten und die Bundeskanzlerin. Der Bundespräsident prüft Gesetze. Wenn man Bedenken gegen ein Gesetz hat, kann man das allerdings vom Bundesverfassungsgericht klären lassen. Den Bundespräsidenten benötigt man da nicht", sagte er. (rtr, dpa, dapd)

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