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Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) spricht beim Feierlichen Gelöbnis zum 65. Gründungstag der Bundeswehr im Garten von Schloss Bellevue.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Debatte um die Rolle der Bundeswehr: Höchste Zeit, uns ehrlich zu machen!

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht derzeit keine Mehrheit für Kampfeinsätze der Armee. Das ist richtig, birgt aber Probleme. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Annegret Kramp-Karrenbauer ist wirklich keine, die sich wegduckt. Oder bei heiklen Themen Angst vor Angriffen hat, eigenen, anderen. Das gilt in ihrer Partei, der CDU, das gilt genauso in ihrem Ministerium, dem für Verteidigung.

Oft trifft sie wunde Punkte. Wie zum Beispiel kürzlich beim Rencontre mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, als Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, sehr zu dessen Unwillen die auf lange Zeit noch unverändert hohe Bedeutung der USA für die Sicherheit Europas betonte. Und nicht zurückwich.

Oder jetzt, wo sie öffentlich erklärt, keine Mehrheit im Bundestag für Kampfeinsätze der Bundeswehr zu sehen. Was natürlich die USA, auch die neue Regierung dort, sehr genau verzeichnen werden. Vermutlich ebenfalls mit Unwillen – aber leisem.

Nun hat AKK in diesem Fall hinzugefügt: derzeit. Derzeit sehe sie diesen Willen nicht. Aber das „derzeit“ kann eine längere Zeit anhalten. Denn sicher ist richtig, dass die Bundeswehr auch schon sehr robuste, ja offensive Kampfeinsätze hinter sich hat, 1999 im Kosovo-Krieg, als deutsche „Tornado“-Kampfjets an den Bombenabwürfen auf serbische Luftabwehrstellungen beteiligt waren. Oder in Afghanistan, wo sich Bodentruppen der Bundeswehr mit den radikalislamischen Taliban in teils stundenlangen Gefechten lagen.

Höhere Ausgaben für die gemeinsame Sicherheit

Doch gerade deshalb werden Kampfeinsätze heute nicht nur auf der Linken skeptisch gesehen. Und das hat Tradition. Schon in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bezweifelte der damalige Bundespräsident, der Christdemokrat Richard von Weizsäcker, dass zukünftige Konflikte noch mit kriegerischen Mitteln gelöst werden könnten. Er zog diese Lehre aus dem Golfkrieg.Diese Sicht hat sich inzwischen durch das Erlebte weit verbreitet.

Was die künftige Zusammenarbeit in der Nato nicht einfacher machen wird. Zumal die USA unabhängig vom scheidenden Präsidenten Donald Trump, der Deutschland unablässig kritisiert hat, noch mehr Engagement von der stärksten europäischen Macht erwarten. Und das auch in militärisch operativer Hinsicht, nicht nur beim Geld, also höheren Ausgaben für die gemeinsame Sicherheit.

Im Grunde besteht diese Forderung sogar schon seit Jahren. Selbst unter Barack Obama (Präsident vor Trump) war der deutsche Beitrag ein Thema. Es bietet also Stoff für Konflikte auch mit der nächsten US–Regierung, der von Joe Biden, der Obamas Vize war.

Vor dem Hintergrund, dass sie das voraussieht und zugleich amerikanisches Engagement für Europa für nach wie vor unverzichtbar hält, betont AKK die Spanne der deutschen Möglichkeiten so klar. Es müssen ja nicht alles Kampfeinsätze, es können auch Ausbildungsmissionen sein.

Nur zur Erinnerung: Die Bundeswehr ist enorm geschrumpft in den 30 Jahren seit der Wiedervereinigung. Heute sind es gerade einmal 176.006 Berufs– und Zeitsoldaten mit 7454 freiwillig Wehrdienstleistenden. Und von all denen sind aktuell 3203 Soldaten im Ausland im Einsatz.

Aber so wie es manchmal militärisch schon hilft, wenn die Bundeswehr sich im internationalen Einsatz gegen den „Islamischen Staat“ mit „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen und einem Kampfflugzeug beteiligt, so hilft es politisch, sich nicht wegzuducken und die heiklen Themen anzusprechen. Um wunde Punkte zu heilen.

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