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Eine Patientin liegt im Pflegebett im Palliativ-Zentrum in der Helios Klinik.

© Jens Büttner / dpa

Debatte über Sterbehilfe: Der Tod ist auch nur ein Recht

Der Konflikt über die Sterbehilfe, ist keiner, der mit Rechthaben und einem Urteil gelöst wäre. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Versuch macht klug, sagt man. Es mag zynisch klingen, doch das gilt wohl auch für den Selbsttötungsversuch. Bei der zweitägigen Verhandlung in Karlsruhe zur Sterbehilfe hieß es, dass die meisten Menschen, die es probiert haben, es kein zweites Mal unternehmen. Andererseits: Die, die erfolgreich waren, kann keiner mehr befragen.

Fest steht, dass zwischen denen, die es erwägen, und denen, die sich das nie vorstellen können, tiefes Unverständnis besteht. Der Suizid trennt Menschen, stiftet Unruhe. Auch deshalb, weil alle, die es heute für sich ausschließen, einmal in die Situation kommen könnten, darüber nachzudenken. Vor allem, wenn aus ihrem Leben Leiden wird. Der Diskurs über den Suizid ist ein Diskurs über die Angst.

Der Konflikt über die Sterbehilfe, der in Karlsruhe anhand des strafrechtlichen Verbots der „geschäftsmäßigen“ Suizidassistenz erörtert wurde, ist keiner, der mit Rechthaben und einem Urteil gelöst wäre. Recht haben sie alle. Die Palliativmediziner, die sagen, dass sie den allermeisten Patienten den Todeswunsch wegtherapieren können. Die Ärzte und Sterbehelfer, die meinen, dass es dennoch einen Bedarf gibt. Die Vereine, die den Tod als Angebot für Mitglieder bereithalten, weil dies sonst keiner macht und es besser ist, als sich vom Balkon zu stürzen. Die Kirchen, die das Thema tabuisieren, weil menschliches Leben einen absoluten Wert hat. Die Philosophen und Literaten, die der Gedanke fasziniert, weil der Suizid gerade deshalb als Ausdruck vollkommener menschlicher Selbstermächtigung erscheint.

Dass dem Gesetzgeber in dieser Gemengelage nicht mehr einfällt, als ein Strafgesetz zu schaffen, ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Um dem zweifelhaften Wirken von Sterbehilfevereinen zu begegnen, hätte womöglich ein Werbeverbot genügt. Nun deutet es sich an, dass das Bundesverfassungsgericht dorthin gelangt, wo das Bundesverwaltungsgericht längst ist, bei einem Grundrecht auf einen selbstbestimmten Tod. Die Leipziger Richter hatten entschieden, dass tödlich erkrankte Patienten bei starkem Leiden sogar einen Anspruch darauf haben können, dass ihnen der Staat Medikamente, also Gift, nicht länger verweigert.

Das Gesundheitsministerium lehnt dies mit zwei Argumenten ab, von denen sich eines, nämlich dass so etwas verfassungswidrig sei, mit einem Urteil des Karlsruher Gerichts erledigt haben könnte. Das zweite lautet: Wir können es nicht. Es kann keine Vorschriften geben, wie gestorben wird, und Behörden sind auch nicht in der Lage, darüber zu entscheiden. Die Sicherstellung der Patientenautonomie am Lebensende in den vergangenen Jahren hat gezeigt, dass dies Unsinn ist. Man kann Vorschriften schaffen, die Behörden vollziehen und über die Gerichte entscheiden. Das Leben ist verrechtlicht worden. Der Tod wird es auch.

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