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Ein Skelett mit einem Schild "Ich brauche keine Betriebsrente mehr" während eines Warnstreiks.

© dpa

Debatte über Betriebsrenten im Bundestag: Für die Altersrücklage doppelt zur Kasse gebeten

Dass die Arbeitgeber eine Forderung der Linkspartei beklatschen, hat Seltenheitswert. Doch beim Thema Betriebsrenten sind sich auch die Widersacher einig: Es kann nicht dabei bleiben, dass viele darauf gleich zweimal Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen.

Es scheint eine Selbstverständlichkeit, was die Linkspartei heute abend im Bundestag verlangt: Von Betriebsrenten dürften nur einmal Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen werden. Wenn solche Abgaben schon in der Ansparphase fällig wurden, könne man sie bei der späteren Auszahlung nicht ein weiteres Mal verlangen.

Dass diese Forderung dennoch das Parlament beschäftigt, liegt daran, dass tatsächlich Hunderttausende für ihre Altersrücklage doppelt zur Kasse gebeten werden. Und dass der Ärger darüber aus Expertensicht auch ein Grund dafür ist, dass die politisch hocherwünschte betriebliche Zusatzvorsorge fürs Alter nicht stärker in die Gänge kommt.

Dabei dreht und rankt sich alles um eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2004. Damals wurde aufgrund leerer Sozialkassen unter SPD-Ministerin Ulla Schmidt kurzerhand beschlossen, dass Rentner auf ihre Einkünfte aus betrieblicher Altersvorsorge künftig nicht mehr nur den halben, sondern den vollen Kranken- und Pflegeversicherungssatz zu zahlen haben – also zusätzlich zu ihrem Anteil auch noch den, mit dem sich beim Arbeitslohn der Arbeitgeber beteiligt.

Das bedeutet nach aktuellem Stand: Die Auszahlungssumme reduziert sich nicht nur um neun, sondern um 18 Prozent. Und mit dem Renteneintritt kommt für viele das böse Erwachen: Von 60.000 Euro zum Beispiel knapsen sich die Kranken- und Pflegekassen dann fast 11.000 Euro ab.

"Betroffene haben den Eindruck eines Selbstbedienungsladens"

Das Ganze lässt sich zwar möglicherweise sozialrechtlich begründen, weil den Kassen diese Beiträge in der Sparphase ja vorenthalten werden. Allerdings sei die Neuregelung „ohne jeglichen Vertrauensschutz und ohne jegliche Übergangsregelung“ beschlossen worden, wie der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, Klaus Stiefermann, betont. Sie gilt beispielsweise auch rückwirkend für Altverträge. „Dadurch wurde sehr viel Porzellan zerschlagen. Die Betroffenen hatten das Gefühl, ihre Altersvorsorge dient den Regierenden als Selbstbedienungsladen.“

Dass die Niedrigzinsphase die erwarteten Erträge der Alterssparer momentan ohnehin bedenklich zusammenschrumpfen lässt, verschärft das Problem. Und die Betriebsrentner, die einen Teil ihrer Altersvorsorge aus Nettoeinkünften bestritten, erwischte es besonders heftig. Sie müssen auf ihr Erspartes seither nun gleich zweimal Beiträge bezahlen – in der Anspar- und in der Auszahlungsphase.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherer spielt das Problem herunter. Eine Doppelverbeitragung finde „nur in sehr begrenztem Ausmaß“ statt, so der Verband in einer Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss. Genaue Zahlen habe man zwar nicht. Doch die meisten Betriebsrenten resultierten aus sogenannter Entgeltumwandlung. Dabei wird ein Teil des Arbeitsentgeltes (bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung) beitragsfrei fürs Alter zurückgelegt. Im Gegenzug müssen die Beiträge später nachgezahlt werden. Doppelt belastet würden folglich nur wenige besser Verdienende, die steuerbegünstigt mehr als die genannten vier Prozent eingezahlt und darauf bereits Kassenbeiträge entrichtet hätten.

Hunderttausende müssen zweimal zahlen

Stiefermann widerspricht dieser Darstellung ganz entschieden. Bei den Pensionskassen der chemischen Industrie beispielsweise sei es es üblich, dass die Arbeitnehmer auch aus ihrem Netto bestimmte Prozentsätze einzahlten – und seit 2004 im Alter darauf nun nochmal den vollen Beitrag zu entrichten hätten. Betroffen seien hiervon knapp 400.000 Rentner.

Dazu kämen vier weitere Sparergruppen. Direktversicherte mit Altverträgen, die aus dem laufenden Entgelt bezahlt wurden. Beschäftigte mit betrieblicher Riesterrente, die ebenfalls aus dem Nettoeinkommen bedient wird. Entgeltumwandler, die wegen der Steuerbefreiung auf die vorgesehenen vier Prozent der Beitragsbemessung in der Rentenversicherung noch bis zu 1800 Euro im Jahr draufgelegt haben. Und Arbeitnehmer, die nach einem Wechsel ihres Arbeitgebers privat weiter in ihre Pensionskasse eingezahlt haben.

Wie viele Betriebsrentner doppelt zur Kasse gebeten werden, weiß weder Stiefermanns Fachverband noch die Linkspartei. Aber im höheren sechsstelligen Bereich liegt die Zahl allemal. Und so sehen nicht nur Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitgeber Handlungsbedarf. Doppelverbeitragung müsse „für die Zukunft in allen Fällen unterbunden werden“, heißt es in der Stellungnahme der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Und: „Die im Antrag der Linksfraktion erhobene Forderung ist richtig.“

Union und SPD wollen keine Änderung - vorerst

Union und SPD dagegen lehnten den den Antrag der Linken im Ausschuss ab – trotz ihres gemeinsamen Credos, dass die Attraktivität der Betriebsrenten gesteigert werden müsse. Und obwohl sich Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) bereits öffentlich dafür ausgesprochen hat, die Doppelverbeitragung „zu hinterfragen“. Die SPD garnierte ihr Nein denn auch mit dem sibyllinischen Satz, dass man bei der Doppelverbeitragung „unter politischen Vorzeichen durchaus zukunftsgerichtet eine Handlungsoption oder –notwendigkeit“ sehe. Die Grünen enthielten sich.

Von der Angst vor Einnahmeverlusten war bei alledem nicht die Rede. Dabei haben die Krankenversicherer längst berechnet, was es kosten würde, wenn auf die Alterseinkünfte von Betriebsrentnern wieder nur noch der hälftige Satz fällig wäre. Sie kommen auf 2,6 Milliarden Euro im Jahr. 

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