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Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel mit Wolfgang Schmidt am Mittwoch im Bundestag.

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Deal mit Staatsanwaltschaft: Neuer Kanzleramtschef zahlt 5000 Euro – Ermittlungen wegen Twitter-Post eingestellt  

Kurz vor Amtsantritt konnte Wolfgang Schmidt noch sein Strafverfahren loswerden. Den Tatverdacht ausräumen konnte er nicht.

Der neue Chef des Bundeskanzleramts Wolfgang Schmidt (SPD) muss keine Anklage wegen einer „verbotenen Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“ durch einen Twitter-Post fürchten. Wie die Berliner Staatsanwaltschaft dem Tagespiegel bestätigt hat, sei das Ermittlungsverfahren gegen ihn am vergangenen Montag gegen eine Geldauflage von 5000 Euro vorläufig eingestellt worden. Schmidt habe den geforderten Betrag umgehend bezahlt, der nun je zur Hälfte an zwei gemeinnützige Einrichtungen überwiesen werde. Mit Eingang des Geldes dort werde das Verfahren endgültig eingestellt.

Schmidt hielt seinen Tweet für nötig, wie er auf Twitter erklärte

Schmidt amtierte bisher als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.  Nach den umstrittenen Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück im Ministerium kurz vor der Bundestagswahl hatte der Politiker Auszüge aus dem zugehörigen Gerichtsbeschluss auf seinem Twitter-Account publiziert. Die Osnabrücker Strafverfolger leiteten daraufhin ein Verfahren nach Paragraf 353d Strafgesetzbuch ein, der die Veröffentlichung von amtlichen Dokumenten aus laufenden Strafverfahren verbietet. Das Verfahren wurde an die Berliner Justiz abgegeben, die ebenfalls einen Anfangsverdacht bejaht hat.

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Mit seinem Tweet wollte Schmidt aus seiner Sicht bestehende Diskrepanzen zwischen dem Gerichtsbeschluss und staatsanwaltschaftlichen Verlautbarungen belegen. Er nahm offenbar an, die Durchsuchungen seien parteipolitisch motiviert gewesen, um dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zu schaden. Es sei „nötig, dass sich die Öffentlichkeit selbst ein Bild von den Fakten machen kann“, erklärte er damals auf Twitter. Hinsichtlich seines eigenen Strafverfahrens sei er „zuversichtlich, dass sich die Vorwürfe schnell ausräumen lassen werden.“

Die Justiz war nicht zu überzeugen

Offenbar hat Schmidt die Justiz mit dieser Argumentation nicht überzeugen können. In den vergangenen Tagen soll sich sein Anwalt darum bemüht haben, das Verfahren mit Blick auf den Regierungsposten möglichst schnell zu beenden. Ob Schmidt gleichwohl an seiner damals geäußerten Ansicht festhält, ist nicht bekannt. Anfragen dazu lässt das Finanzministerium unbeantwortet.

Die Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung sei hier wie üblich mit Zustimmung des Gerichts sowie des Beschuldigten erfolgt, erklärte die Staatsanwaltschaft weiter. Ein Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit kam offenbar nicht in Betracht.

Hätte sich Schmidt verweigert, hätte Strafe gedroht

Hätte sich Schmidt dem „Deal“ verweigert, hätte wohl ein Strafbefehl oder eine Anklage gedroht. Sich mit einer Geldauflage einverstanden zu erklären, ist gerade für prominente Beschuldigte die in solchen Fällen vorzugswürdige Lösung. Für Betroffene gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Andererseits sind die Vorwürfe damit nicht ausgeräumt, wie Schmidt es im September noch erhofft hatte.

Rechtlich möglich wäre die Ernennung zum „Bundesminister für besondere Aufgaben“ und Chef des Bundeskanzleramts trotz laufenden Ermittlungsverfahrens gewesen. Dies hatte das Kanzleramt auf Anfrage des Tagesspiegels bestätigt. Schmidt wäre dann allerdings das erste Mitglied einer Bundesregierung gewesen, das unter diesen Umständen ein Ministeramt angetreten hätte.

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