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Alles Deppen, oder was?

© DPA/DPAWEB

Datenschutz: Das Deppenargument der Änderungsverweigerer!

Datenschutz wird hierzulande missbraucht: als Entschuldigung für Faulheit bei der Einführung kreativer digitaler Lösungen für die Verwaltung. Ein Gastbeitrag.

Oft scheitert eine kluge Idee daran, dass sie angeblich aus Datenschutzgründen nicht umsetzbar ist. Ob bei der Diskussion über die Gesundheitskarte, über neue Formen zur Steigerung der Spendenbereitschaft von Organen, beim autonomen Fahren, innovativen Bildungskonzepten oder der Digitalisierung der Verwaltung: Vermeintliche Datenschützer weisen gerne darauf hin, dass in Deutschland und Europa innovative Geschäftsmodelle oder kreative Ideen mit dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung nicht vereinbar seien. Diese Ansichten geraten dann in Konflikt mit Unternehmergeist und Digitalisierungseuphorie.

Doch bei genauem Hinsehen stellt sich die Frage, ob der Datenschutz in bestimmten Konstellationen der Steigerung der Effizienz bestimmter Abläufe tatsächlich im Wege steht. Viel zu oft dient der Datenschutz als Deppenargument derjenigen, die nur nichts verändern wollen. Ein Beispiel: Durch die elektronische Übertragung der Daten des Arbeitnehmers und seiner Lohnsteuer an das Finanzamt verfügt der Staat schon heute über wesentliche Daten, die zum Abgeben einer für die Steuererklärung benötigt werden. Wie einfach könnte das Leben sein, wenn das Finanzamt jedem Arbeitnehmer einmal im Jahr eine vorausgefüllte Steuererklärung schicken würde, in der neben der gezahlten Lohnsteuer bereits die üblichen Freibeträge und Pauschalen oder sogar die Wegstrecke zur Arbeit berücksichtigt wäre? In vielen Fällen müsste der Arbeitnehmer die vorausgefüllte Steuererklärung lediglich mit seiner Unterschrift bestätigen. Das jährliche Eintragen von immer gleichen Besteuerungsmerkmalen könnte ebenso entfallen wie die Verlängerung von Abgabefristen. In Schweden wird ein ähnliches Modell bereits praktiziert.

Aber steht der Datenschutz dem nicht entgegen? Die Antwort lautet: Nicht, wenn der Bürger dem Staat eine entsprechende Einwilligung erteilt. Es ist kein Problem, Daten zur Steigerung der Effizienz bestimmter Abläufe, etwa in der öffentlichen Verwaltung können zu nutzen, wenn Bürgerinnen und Bürger mit diesem Vorgehen einverstanden sind. Es ist kein Problem, wenn der Staat einmal eine Einwilligung des Bürgers einholt, um die Daten für eine vorausgefüllte Steuererklärung zu nutzen, wenn der Bürger diese Einwilligung widerrufen kann. Die Existenz einer Einwilligung zur Datenverarbeitung ist nicht das Gegenteil von Datenschutz. Es ist gerade Ausdruck des Datenschutzes und Ausdruck einer wachsenden Datensouveränität des Bürgers wenn der Bürger durch eine Einwilligung den Staat dazu ermächtigt, Abläufe effizienter zu gestalten.

Die bräsige Verwaltung ist schuld

Gleiches wie für die Übermittlung von Daten im Verhältnis vom Staat zum Bürger gilt für die Übermittlung von Daten und zwischen staatlichen Stellen. Warum muss jemand, der bereits wesentliche Teile seiner Daten beim Finanzamt hinterlegt hat diese bei der Anmeldung eines eigenen Gewerbes erneut in einem Formular übermitteln? So mancher Bürger hat diese Frage bereits beim Gewerbeamt gestellt und als Antwort bekommen: "Das liegt am Datenschutz". Weit gefehlt! Es liegt an der Bräsigkeit beim Digitalisierungsprozess der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.

Wenn es möglich wäre, beim Finanzamt eine Einwilligung zu hinterlegen, mit der die Übermittlung entsprechender Daten ans Gewerbeamt oder das Gewerbeaufsichtsamt erlaubt wird, müssten auch hier die Daten nicht erneut übermittelt werden. Die Erteilung einer Einwilligung zur Weitergabe persönlicher Daten im Verhältnis vom Staat zum Bürger oder aber zum Verhältnis zwischen staatlichen Stellen zueinander ist nicht nur geeignet, die Effizienz der öffentlichen Verwaltung zu erhöhen. Sie erhöht auch die Transparenz darüber, welche Daten der Staat heute bereits vom Bürger gespeichert hat.

Wenn es neben der Erteilung einer Einwilligung zudem sogar möglich wäre – etwa im Falle eines Umzuges – durch die Meldung bei einer einzigen Behörde die eigenen Daten aktuell zu halten, so würde nicht nur sehr viel Lebenszeit gewonnen. Es würde auch sichergestellt, dass bei keiner Behörde mehr die falschen Daten gespeichert sind.

Was hat das mit Datenschutz zu tun, wenn Bürgerinnen und Bürger im Falle eines Umzugs sowohl bei der Rentenversicherung, als auch bei der Krankenversicherung, zusätzlich beim Einwohnermeldeamt sowie beim Finanzamt und dann auch noch bei vielen weiteren Stellen die Datenänderung anzeigen müssen? Dass das in Deutschland nicht funktioniert, ist nicht die Schuld des Datenschutzes. Es liegt an der Trägheit bei der Reform der Verwaltung. In Zeiten der wachsenden Nutzung digitaler Geschäftsmodelle und großer Datenmengen ist es richtig, den Datenschutz hoch zu halten. Wir tun jedoch weder der Privatsphäre noch der informationellen Selbstbestimmung einen Gefallen, wenn wir permanent den Datenschutz als Entschuldigung für die eigene Faulheit bei der Einführung kreativer digitaler Lösungen für die Verwaltung missbrauchen.

- Christian Dürr ist stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Konstantin Kuhle ist deren innenpolitischer Sprecher.

Christian Dürr, Konstantin Kuhle

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