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Politik: „Das Verhältnis zu Amerika ist sehr beschädigt“

Ex-Nato-General Naumann über Schröders Irak-Politik – und eine Städtepartnerschaft Berlin – Bagdad

Herr Naumann, Saddam Hussein will Waffeninspekteure wieder in den Irak lassen. George W. Bush hält dennoch daran fest, ihn zu stürzen. Hat der US-Präsident Recht?

Ich bin mit dem Ziel, einen Regimewechsel herbeizuführen, nicht glücklich. Natürlich ist Saddam ein Mann, dem man nicht vertrauen kann und darf. Und er ist sicherlich, wenn er über Massenvernichtungswaffen verfügt, eine Gefahr weit über die Region hinaus. Aber ich bin der Auffassung, dass man einen Regimewechsel nur herbeiführen darf, wenn es eine eindeutige Legitimierung gibt. Entweder durch ein UN-Mandat oder durch den Willen des irakischen Volkes. Über den werden wir aber nichts erfahren.

Bush ist überzeugt davon, dass Saddam Massenvernichtungswaffen hat und somit eine Gefahr für die Welt ist. Sehen Sie das anders?

Nein, ich bin auch sicher, dass der Diktator über biologische und chemische Waffen verfügt. Ob er auch atomare Waffen hat, weiß ich nicht mit letzter Sicherheit. Aber es gibt eine Form atomarer Waffen, die in der Diskussion über eine Bedrohung bisher kaum eine Rolle spielt: die radiologischen Waffen, die Kombination von Sprengstoff und strahlendem Material. Die könnte Saddam rasch herstellen. In der Hand von Terroristen wären die „schmutzigen Bomben“ verheerend.

Wie effektiv könnte denn die Arbeit von Waffeninspekteuren sein?

In diesem Punkt hat Präsident Bush Recht, wenn er das zurückweist, was Hussein bisher angeboten hat. Der Diktator hat gesagt, er wolle Inspekteure ins Land lassen. Er hat aber nichts über den Zugang zu Fabriken, Lagern und Laboren gesagt. Da habe ich schon den Eindruck, dass hier auf Zeit gespielt wird, um die einheitliche Position des Weltsicherheitsrates zu untergraben.

Saddam trickst?

Ja. Und was gerade in der deutschen Debatte gerne übersehen wird: Es reicht ja nicht, dass Inspekteure in den Irak gehen. Saddam muss auch bereit sein, seine Waffen zu vernichten. Deshalb wundere ich mich über die Jubeltöne von Joschka Fischer.

Sind Bundeskanzler Schröder und der Außenminister zu blauäugig?

Ich fürchte, sie haben mit Blick auf die Bundestagswahl die Rationalität bei der Beurteilung der Lage in den Hintergrund treten lassen. Sie wollen Stimmen fangen.

Wenn Bush Sie bitten würde, die Bedrohung durch den Irak rational zu beschreiben…

Ich glaube nicht, dass nach den Ereignissen der vergangenen Wochen Bush auf die Idee käme, einen Deutschen auch nur in seine Nähe zu lassen. Ich fürchte auch, dass Deutsche auf absehbare Zeit im Weißen Haus nichts zu suchen haben werden.

Das Verhältnis ist so zerrüttet?

Ich komme gerade aus Washington und kann ihnen sagen: Das Verhältnis ist sehr schwer beschädigt.

Das geht auf Schröders und Fischers Konto?

Ja, aber sicher vor allem auf das des Kanzlers.

Aber auch Edmund Stoibers Aussage, bei einem Alleingang der Amerikaner werde Deutschland „niemals“ strategische Stützpunkte zur Verfügung stellen, hat in den USA für Aufregung gesorgt…

Ich kenne weder Antwort noch Frage und muss daher annehmen, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Nach meiner Kenntnis besteht völlige Übereinstimmung zwischen den großen Parteien, dass die Nutzung amerikanischer Stützpunkte auf deutschem Boden in dem nach wie vor unwahrscheinlichen Fall eines US-Alleingangs möglich ist und nicht verwehrt werden kann. Stoiber hat sich möglicherweise etwas unklar ausgedrückt und sich auf Stützpunkte und Einrichtungen der Bundeswehr bezogen. Doch selbst für diese Frage gibt es zurzeit keinen Entscheidungsbedarf.

Macht es dann überhaupt Sinn, in den Irak mit tausenden Soldaten einzumarschieren?

Die Frage stellt sich im Moment noch nicht. Aber wir sind uns doch einig, dass Saddam ein gefährlicher Störenfried des Friedens ist. Wenn das so ist, dann muss die Staatengemeinschaft dafür eine Lösung finden. Die Frage ist nur, was für ein Risiko man bereit ist zu tragen. Man muss sich im äußersten Notfall auf einen bewaffneten Konflikt einstellen, der große Verluste mit sich bringen kann. Als sich die Alliierten 1944 zur Invasion Deutschlands entschlossen, haben sie nicht gefragt: Sollen wir Verluste vermeiden und dafür Hitler an der Macht lassen?

Sie befürworten also einen Militärschlag gegen den Irak?

Wenn es keine anderen politischen Möglichkeiten mehr gibt, ja. Damit die Massenvernichtungswaffen zerstört werden.

Aber die Deutschen halten nicht viel von einem Krieg gegen den Irak.

Niemand hält etwas von Krieg, am wenigsten die Soldaten. Würde man aber den Deutschen klar und nüchtern sagen, zu was Hussein bereits in der Lage ist, gäbe es vielleicht eine andere Stimmung. Es besteht eben auch eine Gefahr für die Bundesrepublik.

Ein Krieg mit dem Irak ist unvermeidlich?

Nein, es gibt noch immer eine reelle Chance, das zu verhindern.

Bush scheint fest zum Krieg entschlossen…

Die Entschlossenheit ist möglicherweise ein Teil der Diplomatie, um den Krieg zu verhindern. Mit dem, was die Bundesregierung in der letzten Zeit hier vorgeführt hat, damit zwingt man Saddam nicht zum Einlenken. Würde diese Art von Politik fortgesetzt werden, gäbe es nur noch eine Steigerung: eine Städtepartnerschaft Berlin - Bagdad.

Das Gespräch führten Christian Böhme und Sven Lemkemeyer.

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