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Logo der CDU ist an der Glasfassade des Konrad-Adenauer-Hauses, der Parteizentrale

© dpa/Kira Hofmann

Das Superwahljahr beginnt: Warum Konservative 2021 die Verlierer sein werden

Mit den Landtagswahlen startet Deutschland ins Superwahljahr 2021. Die Wähler werden der Bestandswahrungspolitik ein Ende setzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

An diesem Sonntag beginnt das Superwahljahr 2021. Die ersten beiden von sechs Landtagswahlen finden statt, am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Hier eine Prognose, wie das Jahr ausgehen wird: Konservative werden die Verlierer sein. Das ist zugegebenermaßen etwas gewagt. Aber es lässt sich begründen.

In Gesprächen mit Politikern ist derzeit viel Unsicherheit zu spüren, was 2021 das große politische Ding wird. Nichts ist wie niemals zuvor. Kommt die Klimapolitik zurück, wenn es im Sommer Waldbrände gibt? Wird der 26. September der Tag der Abrechnung mit der Corona-Politik? Gewinnen die, denen die Menschen in Wirtschaftsdingen am meisten zutrauen, wenn nach Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Ende April die Schäden sichtbarer werden?

Wahrscheinlich nichts davon. Gewinnen werden die, die am besten vermitteln, dass sie eine Idee haben, wie die Zukunft aussieht und wie man sie erreicht.

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Die vergangenen Jahre waren gute Zeiten für bewahrende Kräfte. In der Migrationskrise war der politische Blick so starr auf die Kurve der Asylsuchendenzahlen fixiert wie heute auf die Inzidenzen, die Debatte verheddert im Leitkulturdickicht nationaler Identitätssuche.

Der Aufschwung des Populismus versetzte die Union, aber auch gute Teile der SPD, in Wutbürgerfurchtlähmung. Die Erfolge der Populisten wurden als Müdigkeit am rasanten Wandel der Welt interpretiert, als Auflehnen gegen Globalisierung und Liberalismus. Man war heilfroh, als die Werte der AfD stagnierten. Jetzt bloß nicht mit Dieselverboten oder Windrädern die nächste Pegida provozieren, so das Motto.

Die Pandemie brachte Deutschland die nächste Angst-Welle, auch das zunächst ein Fest für Bewahrer und Beschützer. Die Politik ist im Vollstress, das Land im „Flucht oder Kampf“-Modus – und in diesem Modus ist der Mensch bekanntlich unfähig zu längerfristiger Planung. 2020 war dem Gegenwartsabsolutismus und einem Schutzimperativ unterworfen: Wo bekommen wir jetzt! genug Masken her?

Im Sommer wird das Krisenadrenalin nachlassen – die Zukunft kehrt zurück

Doch das Krisenadrenalin wird über den Sommer umgekehrt proportional zur Zahl der Impfungen abnehmen. Hypothese: Viele Wählerinnen und Wähler werden sie über der Horizontlinie der Ostsee wiederentdecken: die Zukunft.

[Lesen Sie auch: Warum eine Ampel eine Option für den Bund ist (T+) ]

Es ist mittlerweile eine Plattitüde, dass die Pandemie Missstände sichtbarer gemacht und verstärkt hat. Nichtsdestotrotz ist es wahr. In Deutschland sind wesentliche Bauteile kaputt: der Föderalismus, die Verwaltung, die Besteuerung, die Chancengleichheit. Und es ist viel! zu! warm! Vor allem aber muss sich die Arbeitsweise ändern: Ein in Silos zerstückeltes Kabinett, Regieren als Serie von Partikularinteressen-Kompromissen, ganze Ministerien gekapert von bayerischen Sondermautinteressen, das alles passt einfach nicht mehr zur Größe der Herausforderungen.

Diese Erkenntnis hat große Macht. Eine gute politische Erzählung braucht zweierlei: eine (miese) Vergangenheit, von der sie sich abgrenzt, und eine (großartige) Zukunft, auf die alles hinstrebt.

Joe Biden zeigt, wie es geht. Seine Erzählung speist sich aus dem Trauma Trump („This is not who we are“) und verspricht einen Wiederaufbau, der gleichzeitig eine Transformation ist („Build back better“).

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Auch Deutschland erlebt gerade ein Trauma, das Trauma der eigenen Hilflosigkeit. Wer es schafft, dem eine optimistische und realistische Zukunftserzählung entgegenzusetzen, wird gewinnen.

Welche Partei das sein wird, ist offen. Die sinkenden Werte der Union könnten ein Vorbote des Überdrusses an der Bestandswahrung sein. Doch das Rennen ist offen. Am Ende verliert, wer zu konservativ wirkt. Und die beste Zukunft gewinnt.

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